Ulf Timmermann, CEO reichelt elektronik, im Interview

Ulf Timmermann, CEO reichelt elektronik, im Interview

Ulf Timmermann, CEO reichelt elektronik. (Foto: pd)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Timmermann, reichelt elektronik, seit 2010 ein Tochterunternehmen der Urner Dätwyler-Gruppe, verstärkt seine Präsenz im Schweizer Markt mit einem Schweizer Online-Shop. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Ulf Timmermann: Dieser Schritt war im Rahmen unserer konsequenten Expansionsstrategie unausweichlich: in 2010 begannen wir einen geografischen Wachstumskurs, in dessen Rahmen wir mittlerweile sehr erfolgreich beispielsweise in Österreich, den Niederlanden und Frankreich agieren. In der Schweiz mit einem angemessenen Auftritt die nächsten Schritte zu machen, lag auf der Hand.

Was beinhaltet Ihre Marktoffensive?

Einen überschaubaren Kundenkreis beliefern wir bereits seit längerem, nun haben wir Schritt für Schritt evaluiert, wie wir Bestellhürden senken und der Schweizer Kundschaft den Online-Kauf möglichst attraktiv gestalten können: der Schweizer Franken als native Währung im Webshop, eine für den Versand in die Schweiz komplett gestraffte und optimierte Logistik, die Senkungen der Versandkosten sowie die komplette Verzollung und Versteuerung aller mit ausgewiesener 8%-MwSt und CHF-Handelsrechnung versehener Sendungen sind hier die Hauptargumente, die Basis für unser werbliches Entree auf dem Schweizer Markt sind.

Der Markt ist hart umkämpft. Welches Potenzial sehen Sie?

Durchaus signifikantes: Zum Beispiel die Belieferung mit Elektronikbauteilen auch in kleinsten Stückzahlen, eine aggressive Preispolitik sowie eine extrem hohe Produktverfügbarkeit und Lieferzuverlässigkeit sind in Deutschland Grundlage einer mehr als 45-jährigen Erfolgsgeschichte, welche sich beflügelt von Euro-Franken-Wechselkurs sehr gut für die Schweiz applizieren lässt. Unser Angebot weiss vorbehaltlos zu überzeugen und zu begeistern.

Sie haben über 50’000 Produkte im Angebot. Wo fängt das Produkteportfolio an, wo hört es auf? Wo liegt der Sortimentsschwerpunkt?

Unser Kerngeschäft ist das grosse Themenfeld der Elektronik: von Halbleitern über Messgeräte und Werkzeuge. Weiter sind wir exzellent zum Beispiel in der IT-Technik sowie bei Kabeln aufgestellt. Das Sortiment endet in High-Tech-Bereichen wie dem 3D-Druck und Profi-Drohnen.

«Wir adressieren sehr unterschiedliche Kundengruppen. Während Distrelec sich als High-Service-Provider mit Sales-Force und umfangreichem Beratungsangebot positioniert, stehen wir als schneller, schlanker Online-Händler auf einem separaten Feld.»
Ulf Timmermann, CEO reichelt elektronik

Wer sind in den Ländern, in denen reichelt elektronik bereits länger präsent ist, Ihre Kunden?

Wir genügen nicht ohne Stolz den Ansprüchen allzu unterschiedlicher Kundengruppen: so beliefern wir zu gleichen Teilen Business- wie Privatkunden aller Grössen und Coleur, jedoch ebenfalls Schulen und Behörden. Unser Angebot weiss bei technikaffinen Zielgruppen mit wie auch immer geartetem Bedarf schnell zu verfangen.

Mit Distrelec bewegt sich ein zweites Dätwyler-Unternehmen im gleichen Segment. Hat man sich da nicht Konkurrenz aus dem eigenen Haus beschafft?

Ein klares „Nein“: wir adressieren sehr unterschiedliche Kundengruppen. Während Distrelec sich als High-Service-Provider mit Sales-Force und umfangreichem Beratungsangebot positioniert, stehen wir als schneller, schlanker Online-Händler auf einem separaten Feld. Unser Claim „professional quality @ discount prices“ drückt diesen Approach treffend aus: wir fokussieren uns auf ein spannendes, preislich hochattraktives Sortiment als für sich selbst sprechendes Hauptverkaufsargument – was Sales-Force & Co. für uns überflüssig macht, mit positiven Auswirkungen auf das Pricing. So bedienen wir also gemeinsam mit Distrelec den Schweizer Markt und haben hier eine Bedarfslücke geschlossen, welche Distrelec mit seiner etwas anders gelagerten Ausrichtung nicht zu bedienen in der Lage war: wir ergänzen uns.

Also keine Überschneidungen im Angebot?

Bis auf „Brot-und-Butter-Artikel“ der Elektronik entwickeln sich fokusbasierend unterschiedliche Produktbereiche unterschiedlich stark: es kann parziell zu Überschneidungen kommen, jedoch wird aus Sortimentssicht unabhängig voneinander in beiden Unternehmen die jeweils eigene Kundschaft bestens zu umsorgen und befriedigen versucht.

Zur Gruppe Technische Komponenten von Dätwyler gehören neben reichelt Distrelec in Bremen und in der Schweiz, die ELFA-Gruppe in Skandinavien sowie die Nedis-Gruppe in Holland. Wie gross ist das Synergiepotenzial?

Das ist definitiv gross: ein lebendiger Erfahrungsaustausch, das Teilen von Marktanalysen etc. stellen trotz der sich völlig eigenständig entwickelnden und selbstverantwortlich agierenden Unternehmen eine sehr hilfreiche, gemeinschaftliche Verknüpfung dar. Darüber hinaus nehmen Distrelec, Elfa und Nedis aktuell eine gemeinsame Infrastrukturplattform in Betrieb.

«…womit wir unsere Logistikkapazitäten aktuell verdoppeln: in mehreren Schritten werden wir unser Sortiment ab April 2016 somit auf zukünftig bis zu 100.000 Artikel erweitern können.»

90 Prozent Ihres Angebots wickeln Sie online ab, wie sehen Ihre Beratungs- und Unterstützungsdienstleistungen aus?

Grösstes Asset ist hier unser Inhouse-Kompetenzcenter. Der Begriff Callcenter würde unserem Team definitiv zu kurz greifen: fachlich extrem versierte Mitarbeiter helfen bei Fragen und geben Unterstützung bei der Produktwahl. Auch unser Webshop mit informativen wie prägnanten Artikelbeschreibungen und –abbildungen, flankiert von hilfreichen Datenblättern, stellt sich als straff geschnürtes, wohlausgewogenes Informationspaket für unsere sich primär online informierende Kundschaft dar.

Die Bestellungen müssen schnellstmöglich zum Kunden. Wie ist Ihre Logistik dafür aufgestellt?

Unsere komplette Logistik ist inhouse entwickelt und damit auf unsere Bedürfnisse massgeschneidert. Ein hauseigenes Team entwickelt diese kontinuierlich weiter, was uns eine Grundlage bietet, Sendungen in Rekordzeiten abzuwickeln. So bieten wir zum Beispiel ein Outlet an, welches Kunden vor Ort am Logistikzentrum ermöglicht, auf mehr als 50.000 Artikel ohne Vorbestellung in Echtzeit zuzugreifen. Derartiges ohne stundenlange Wartezeiten zu realisieren, ist vom Umsatzanteil nur ein winziger Mehrwert, jedoch Ausdruck unserer perfekten Logistik: andere Händler dieser Grössenordnung bieten derartiges nicht an. Belohnt werden wir für dieses Konzept nicht nur durch extrem gute Kundenzufriedenheitsraten im Bereich Belieferung, sondern auch durch ein 7-Millionen-Euro-Invest von Konzernseite, womit wir unsere Logistikkapazitäten aktuell verdoppeln: in mehreren Schritten werden wir unser Sortiment ab April 2016 somit auf zukünftig bis zu 100.000 Artikel erweitern können.

Und auch die Wahl des richtigen Versanddienstleisters sowie eine perfekte Vorarbeit spielt eine grosse Rolle: für unseren Marktstart haben wir uns hier mit einem neuen Partner komplett neu aufgestellt – problemlos möglich nur dank der Flexiblität selbst entwickelter Systeme.

In Deutschland gehört reichelt auch zu den sogenannten Katalog-Distributoren. Planen Sie eine entsprechende Auflage auch hierzulande?

Zurzeit nicht. Als primäres Informationsmedium dient unser Webshop. Der Katalog ist ein aus mehr als 45-jähriger Tradition heraus von unserer deutschen Kundschaft sehr geschätztes Medium zum Blättern und Stöbern, welches diese Bedürfnisse in Zeiten von permanent in Bewegung befindlichen, online abrufbaren Tagespreisen auch für die Schweiz als Ausgabe im €-Format erfüllt. Anregungen lassen sich hervorragend damit holen, Überblicke gewinnen; Artikelpreise sind derart volatil, dass theoretisch eher über einen vollständigen Preisverzicht debattiert werden müsste, um so einen uneingeschränkt gültigen Katalog für unsere deutschsprachige Kundschaft in ganz Europa anbieten zu können.

Herr Timmermann, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
Ulf Timmermann (53), seit 29 Jahren bei reichelt elektronik, ist gelernter Industriemeister für Elektrotechnik und Nachrichtentechnik. Seit fünf Jahren ist er CEO und Sprecher der Geschäftsleitung von reichelt sowie Mitglied des Management-Teams des Konzernbereichs Technical Components der Dätwlyer Gruppe.

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