von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Gantenbein, die Bergbahnen Wildhaus AG erzielte trotz Corona-Einschränkungen mit 1,4 Millionen Franken ein positives Betriebsergebnis. Wie ging das?
Urs Gantenbein: Wir konnten trotz Corona beim Bahnertrag ein durchschnittliches Resultat erzielen. Die erfolgreiche Umsetzung und Kommunikation von «Wildhaus 2.0» trug sicher wesentlich dazu bei. Wir sind froh, dass wir diesen Schritt trotz Corona und anderen Widerständen gewagt haben. Den Bereich Gastronomie inklusive Übernachtungen konnten wir nicht zuletzt dank Kurzarbeit und Härtefallzahlungen im Lot halten. Im Berggasthaus Oberdorf, unserem gastronomischen Hauptbetrieb, gelang es uns dank sehr attraktiven Familienpauschalen einen Teil des komplett weggefallenen Schul- und Gruppengeschäfts wettzumachen. Das hat mich besonders gefreut und kann ein Indiz dafür sein, dass wir uns übernachtungsseitig etwas mehr diversifizieren als bisher.
Der Reinverlust wurde mit dem Gewinnvortrag des letzten Geschäftsjahres verrechnet. Können Sie jetzt beruhigt in die Zukunft blicken?
Nein. Ich glaube, dass in der aktuellen Situation kein einziger Tourismusbetrieb ohne gewisse Sorgen in die Zukunft blickt. Es ist alles sehr fragil, und Branchen wie wir und andere, die alternativlos den direkten Kundenkontakt für ihre Umsätze brauchen, haben zurzeit und wohl noch über viele Monate das Nachsehen. Positiv stimmt mich aber, dass der Sport im Allgemeinen und der Wintersport im Besonderen erwiesenermassen keine potenziellen Ansteckungsherde sind und wir alle, Gäste und Anbieter, von einem Winterbetrieb auch im 2021/22 ausgehen dürfen.
«Ich glaube, dass in der aktuellen Situation kein einziger Tourismusbetrieb ohne gewisse Sorgen in die Zukunft blickt.»
Urs Gantenbein, Geschäftsführer Bergbahnen Wildhaus AG
Die Wildhauser Abo-Kunden konnten während des «Seilbahn-Lockdowns» vom 22. bis 30. Dezember ohne zusätzliche Kosten und Unterbruch im Bündner Wintersportort Grüsch-Danusa Ski fahren. Ist das ein Modell auch für andere mittelgrosse Skistationen?
Durchaus. Das war und ist Teil unserer Covid-Versicherung. Wir möchten einerseits unseren treuen Abo-Kunden immer ein Angebot unterbreiten können und andererseits natürlich auch nicht in die Lage kommen, bereits eingenommenes Geld den Kunden schlimmstenfalls wieder rückerstatten zu müssen.
In einem Umkreis von 50km um Ihr eigenes Skigebiet sind sonst nur «Eigenbrötler» zu Wege. Wie sieht für Sie die ideale Kooperation unter Schweizer Skigebieten, kleinen wie grossen, aus?
Wir bei den Bergbahnen Wildhaus sind von Natur aus gesellige Leute und keine Eigenbrötler. Praktisch sämtliche Ostschweizer Seilbahnen sind im Tarifverbund «meilenweiss» zusammengefasst. Die Eigenbrötler sind eher die Ausnahme. Leider gibt es für ideale Kooperationen keine Patentrezepte. Jedes Unternehmen beziehungsweise jede Destination hat diesbezüglich andere Voraussetzungen. Aus meiner Sicht ist es entscheidend, dass eine Kooperation erstens aus der Marktsicht heraus entsteht, zweitens die eigenen unternehmerischen Freiheiten belässt und drittens sehr unbürokratisch ablaufen kann, das heisst, sehr schlank gestaltet ist. Man muss sich bewusst sein, dass wir ganz kleine KMU oder Gewerbetriebe sind. Unser «Büroapparat» bei den Bergbahnen Wildhaus umfasst gerademal 270 Stellenprozente…
Was planen Sie denn an Innovationen?
Unseren Weg als gut erreichbares, kompaktes und modernes Familienschneesportgebiet werden wir konsequent weitergehen. Das schliesst die (Wieder-)Einsteiger mit ein und wird laufend ergänzt durch attraktive Angebote für Nichtskifahrer. Auch den Sommer werden wir sanft weiterentwickeln.
«Unseren Weg als gut erreichbares, kompaktes und modernes Familienschneesportgebiet werden wir konsequent weitergehen.»
Die neue 6er-Sesselbahn transportierte im ersten Betriebsjahr über 400 000 Schneesportlerinnen und -sportler von Oberdorf auf die Freienalp. Woher kommen die meisten?
Das waren im vergangenen Corona-Winter zu praktisch 100% Schweizerinnen und Schweizer.
Wird die neue Umfahrung von Wattwil ab 2022 immer mehr Zürcher statt auf den Flumserberg ins Toggenburg umleiten?
Ja, davon gehen wir aus. Wir sind sozusagen die natürliche Alternative und rücken mit den in den letzten Jahren massiv verbesserten Anbindungen etwas näher Richtung Stadt Zürich. Bis anhin sind es eher die Bewohner vom Zürcher Oberland und vom Raum Winterthur, die zu uns finden.
«Wir glauben, dass wir mit der deutlichen Qualitätssteigerung im Angebot auch für die deutschen Gäste attraktiver geworden sind.»
Der coronabedingte Ausfall im Gruppengeschäft konnte durch die steigende Zahl an Schweizer Individualtouristen ausgeglichen werden. Könnte man so nicht auch ausländisches Publikum ansprechen?
Durchaus – wir glauben, dass wir mit der deutlichen Qualitätssteigerung im Angebot auch für die deutschen Gäste attraktiver geworden sind. Auch preislich brauchen wir uns gegenüber unseren Mitbewerbern im Vorarlberg oder im Tirol nicht mehr zu verstecken.
Die sanfte Durchsetzung Ihres Schutzkonzeptes mit sogenannten „Corona-Engeln“ hat Ihnen viel Zuspruch gebracht. Stehen diese wieder bereit?
Nein, die Corona-Engel vom vergangenen Winter wurden aus den nichtbeschäftigten Mitarbeiterinnen aus der Gastronomie rekrutiert. Diese Mitarbeiterinnen hoffen wir nun wieder an ihrem ursprünglichen Ort, nämlich als Servicefachangestellte in unseren Restaurationsbetrieben, einsetzen zu dürfen.
Wieviel Zulauf generiert die täglich neu präparierte und zu Jahresbeginn in Betrieb genommene Schlittelpiste?
Die Schlittelpiste traf in diesem Winter tatsächlich den Nerv der Zeit. Sie erhielt sehr viel Zuspruch. Dies nicht zuletzt auch aufgrund der fehlenden Alternativen wegen Corona. Auch ansonsten wenig schneeaffine Gäste versuchten sich im Schlitteln. Das Schlitteln ist sozusagen das Eintrittstor in die grosse und schöne Welt des Wintersports.
Was schätzen Sie wieviel Mehrumsatz Ihnen die Oskar-Gästekarte pro Jahr bringt?
Das ist schwierig zu beziffern. Wichtiger erscheint mir hier der immaterielle Wert: Die Ostschweiz ist eine starke Tourismusregion und hält attraktive überregionale Angebote für ihre Gäste bereit. Das Angebot fokussiert auf den wertschöpfungsstarken Aufenthaltstourismus und soll vor allem auch Hotelübernachtungen generieren.
Die Bergbahnen Wildhaus haben aktuell 3 Millionen Bankguthaben bilanziert. Was geschieht damit?
Das Nettoumlaufvermögen per Stichdatum Ende Mai 2021 beträgt 2,4 Millionen Franken. Die vom Kanton blockierten Bundesgelder zwangen uns zu Finanzierungsalternativen, welche strenge Amortisationspflichten beinhalten. Deshalb und auch im Wissen um die Wetterkapriolen, die es in einer Wintersaison geben kann, wollen wir eine relativ hohe Liquidität halten. Eine Sturmphase zur Unzeit kann unsere ganze Liquiditätsplanung über den Haufen werfen.