Urs Kaufmann, CEO Huber+Suhner
Urs Kaufmann, CEO Huber+Suhner (Foto: Huber+Suhner)
von Bob Buchheit
Moneycab: Herr Kaufmann, Huber+Suhner ist nicht die erste Firma, die Schwierigkeiten bei der Umstellung der automatischen Ressourcenplanung auf SAP hat…
Urs Kaufmann: Wir haben uns auf die Umstellung intensiv vorbereitet, und die potenziellen Probleme waren uns aufgrund der Erfahrungen mit SAP-Implementationen bei anderen Unternehmen bekannt. Das System wurde zwar termingerecht in Betrieb genommen, aber vorübergehend haben wir tatsächlich mit grösseren Lieferschwierigkeiten gekämpft. In der Zwischenzeit ist der Ausstoss wieder auf das Vor-SAP-Niveau angestiegen und unsere Organisation bekommt die neuen Abläufe und Prozesse immer besser in den Griff.
Was ist genau das Problem?
Die Crux ist die Komplexität einer solchen Umstellung und der Lernprozess, den alle Abteilungen und die entsprechenden Mitarbeiter durchlaufen müssen. Auch wenn die Vorbereitung noch so gut war, ein Wellental ist einfach nicht zu vermeiden. Wir sind jedoch nach wie vor überzeugt, dass uns die vollintegrierte ERP-Lösung in Zukunft einen grossen Schritt voran bringen wird.
Mobilfunkausrüster und Telekommunikationsfirmen haben gewaltig auf die Bestellbremse getreten. Das wird sich aber wieder ändern. Wann?
Die Mobilfunkausrüster und Telekommunikationsfirmen haben die Bremsen offenbar bereits wieder gelöst. Im August hat der Auftragseingang im Geschäft mit den Mobilfunkausrüstern bereits wieder etwas angezogen, und wir erwarten in den kommenden Wochen und Monaten vom weltweiten Rollout des LTE-Mobilfunkstandards positive Impulse.
«Die Zeiten, in denen HUBER+SUHNER im OEM-Geschäft mit den grossen Herstellern von Solarpanelen attraktive Margen und hohe Volumina erzielen konnten, sind definitiv vorbei.»
Urs Kaufmann, CEO Huber+Suhner
Welche Gründe hat umgekehrt der Boom bei der dritten Huber+Suhner-Division, der Fiberoptik? Wie kam es zu so vielen Grossprojekten in Nordamerika?
Der Hunger nach immer mehr Bandbreite nimmt ständig zu und hier hat die Fiberoptik ihre ganz grossen Vorteile. In Nordamerika hat die Umstellung auf LTE – die 4. Mobilfunkgeneration – bereits begonnen. Huber+Suhner hat als erstes Unternehmen innovative Systemlösungen für diesen neu entstehenden Markt entwickelt, welche den schwierigen Umweltbedingungen wie Hitze, Kälte, Nässe und mechanischer Beanspruchung standhalten. Die Installation der Huber+Suhner-Lösung dauert nur gut drei Stunden und damit nicht einmal halb so lange wie die des nächstbesten Konkurrenten. Die kurze Installationszeit bringt unseren Kunden einen grossen Kostenvorteil.
Auch Huber+Suhner rückt mit den Produktionsanlagen direkt zu den grossen Absatzmärkten. Nach einem Fiberoptikwerk haben Sie jetzt ein Kupferkabelwerk in Angriff genommen, dessen Produktion 2013 in China startet. Sind Sie nach der kleinen Bau-Verzögerung im Plan?
Die Anlagen im Kupferkabelwerk Changzhou werden wie geplant in der ersten Jahreshälfte 2013 schrittweise hochgefahren. Die Verzögerung aufgrund eines Baumangels konnte dank flexibler Planung auf rund einen Monat begrenzt werden und hat den Gesamtplan damit nicht gefährdet. Das neue Werk bildet eine wichtige Basis, um unsere Marktstellung mit Niederfrequenzkabeln in Asien weiter auszubauen.
Welche Wachstumsraten hat die ICT-Branche in China?
Je nachdem, welches Segment man betrachtet, ist der chinesische Kommunikationsmarkt im 2011 mit rund 10 bis 20 Prozent gewachsen. Wir arbeiten in China im Telekommunikationsbereich mit den westlichen Mobilfunkausrüstern zusammen, immer mehr jedoch auch mit den weltweit schnell an Bedeutung gewinnenden chinesischen Unternehmen.
Wächst Huber+Suhner dort mit dem Marktdurchschnitt?
Unter anderem dank unseren innovativen Board-to-Board-Verbindern haben wir bei mehreren Mobilfunkausrüstern sogar Marktanteile dazugewonnen.
Die Solarbranche erlebt in Europa zurzeit ein Desaster. Sie sind in diesem Bereich froh, wenn abgearbeitete Aufträge Deckungsbeiträge bringen. Gibt es da Licht am Tunnelende, oder muss die Politik gegen die Billigkonkurrenz bei Solarpaneln und -modulen aus China einschreiten?
Die Zeiten, in denen Huber+Suhner im OEM-Geschäft mit den grossen Herstellern von Solarpanelen attraktive Margen und hohe Volumina erzielen konnten, sind definitiv vorbei. Wir warten nicht auf politische Interventionen. Die veränderte Marktlage führte bei uns zu einer Neuorientierung und zur Fokussierung auf hochwertige, anspruchsvollere Anwendungen, wo die Qualität weiterhin eine wichtige Rolle spielt. Dabei nehmen wir in Kauf, dass das Marktpotenzial in diesen Nischenanwendungen deutlich kleiner ist. Wir sind jedoch nicht bereit, unsere hochwertigen Materialien und Produkte zu Preisen zu verschleudern, wie sie heute im Solarpanel-Massengeschäft geboten werden.
Viele Schweizer Komponentenhersteller sind trotz des horrenden Frankenkurses auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig. Wegen der Qualität. Welche Länder sind uns am meisten auf den Fersen?
Die Konkurrenzfähigkeit wird seit gut 18 Monaten von vielen Schweizer Herstellern über reduzierte Margen „erkauft“. Einige der börsenkotierten Firmen, die nicht so stark unter dem überbewerteten Schweizer Franken leiden, leisten in der Schweiz zudem nur noch eine geringe Wertschöpfung. Huber+Suhner hat nach wie vor ca. 1500 hochwertige Arbeitsplätze und über 40% der Gesamtkosten in der Schweiz. Entsprechend stark sind wir den Verwerfungen an der Währungsfront ausgesetzt. Wir sind überzeugt, dass Know-how-intensive Arbeitsplätze in der Schweiz weiterhin eine Zukunft haben, während auch wir nicht darum herum kommen, handarbeitsintensive Tätigkeiten an kostengünstigeren Standorten zu platzieren. Viele unserer Mitbewerber sind heute bereits global aufgestellt, weshalb uns als Technologieunternehmen nicht einzelne Länder auf den Fersen sind. Nein, wir müssen uns in unseren spezifischen Zielmärkten gegenüber unseren direkten Konkurrenten immer wieder von neuem durch innovative Produkte und Dienstleistungen differenzieren.
«2012 ist für uns ein Übergangsjahr. Die Einbrüche im Solarmarkt und Bahnmarkt China lassen sich so kurzfristig nicht kompensieren.»
Ihre Book-to-Bill-Ratio ist deutlich positiv, was ebenso deutlich auf anziehende Märkte hinweist. Was dürfen wir nach dem Umsatz – und Gewinneinbruch in H1 erwarten? Ein Betriebsgewinn von 50 Millionen fürs Gesamtjahr dürfte wohl ausser Reichweite sein?
2012 ist für uns ein Übergangsjahr. Die Einbrüche im Solarmarkt und Bahnmarkt China lassen sich so kurzfristig nicht kompensieren. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass der Umsatz im zweiten Halbjahr anziehen wird. Auch bezüglich Ertragskraft erwarten wir eine Verbesserung in der zweiten Jahreshälfte. Die operative EBIT-Marge für das Geschäftsjahr 2012 wird jedoch die 6.6 Prozent von 2011 nicht erreichen.
Die letzte Dividende war eine positive Konzession an die Aktionäre (und an Ihre üppige Eigenkapitalquote). Wie wird sie für 2012 ungefähr ausschauen?
Die letzte Dividende war «keine» Konzession an die Aktionäre. Der Verwaltungsrat hat als Ausschüttungsquote ein attraktives Zielband von 30 – 40% des Konzerngewinns definiert. Unsere Aktionäre partizipieren also direkt am Geschäftsverlauf. Sowohl die Dividendenpolitik als auch unsere bewusst konservative Unternehmensfinanzierung wurde den Aktionären an einer Generalversammlung eingehend erläutert und wird von diesen getragen.
Huber+Suhner hat idiotensichere Steckverbindungen entwickelt. Das ist nur ein Beispiel für clevere Neuentwicklungen in Ihrer Branche. Wie viele Patente reichen sie im Schnitt denn so ein?
Im Schnitt melden wir fünf bis zehn Erfindungen pro Jahr zum Patent an. Die Anzahl Patente ist aber nur bedingt ein Gradmesser für unsere Innovationskraft. Innovationen werden teils bewusst nicht patentiert, um das Know-how nicht offenlegen zu müssen. Weiter findet eine stattliche Anzahl Innovationen im Bereich „Kosten senken“ statt, auch hier steht eine Patentierung selten zur Diskussion. Speziell in unserer Branche ist ausserdem, dass Erfindungen teils zu international gültigen Standards führen. Diese Prägung der Verbindungstechnik der Zukunft ist uns in letzter Zeit insbesondere in der Fiberoptik mehrfach gelungen. Dieser Ansatz führt zwar nicht zu einer Patentierung, jedoch zu Lizenzvergaben an Konkurrenten.
«Innovationen werden teils bewusst nicht patentiert, um das Know-how nicht offenlegen zu müssen.»
Welche Blockbusterprodukte haben Sie in der Pipeline? Vielleicht eine intelligente Steckdose?
Wir haben in allen Technologien interessante Ideen in der Entwicklung. Ich bin überzeugt, dass viele dieser Innovationsprojekte zu interessanten kommerziellen Resultaten führen werden. Wie das Beispiel des einbrechenden Solarmarktes und der parallel dazu boomenden Fiber-to-the-Antenna-Anwendung zeigt, sind wir als Zulieferer gezwungen, uns ständig neu zu erfinden. Dies ist unser Los, aber unsere Organisation ist dank ihrer Innovationskraft, Kundenorientierung und auch ihrer Anpassungsfähigkeit auf diese Herausforderung eingestellt.
Zur Person:
Der 1962 geborene Schweizer Urs Kaufmann ist Diplomingenieur ETH Zürich und hat das Senior Executive Program am IMD Lausanne absolviert. Von 1987 bis 1993 war er Projekt-, Produktions- und Verkaufsleiter bei Zellweger Uster AG in Uster und den USA. Seit 1994ist Kaufmann bei Huber+Suhner: 1994 bis 1997 als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft Henry Berchtold AG, von 1997 bis 2000 als Geschäftsbereichsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung, seit 2001 als Mitglied und seit 2002 als Vorsitzender der Konzernleitung. Kaufmann ist Mitglied des Verwaltungsrates der Gurit Holding AG und der Müller Martini Holding AG und im Vorstand des Verbandes Swissmem.
Zum Unternehmen:
Das weltweit tätige Schweizer Unternehmen Huber+Suhner entwickelt und produziert Komponenten und Systemlösungen zur elektrischen und optischen Übertragung von Daten und Energie. Mit Kabeln, Verbindern, Systemen und Antennen aus den Technologiebereichen Hochfrequenz, Fiberoptik und Niederfrequenz bedient das Unternehmen Kunden in den Märkten Kommunikation, Transport und Industrie. Die Produkte zeichnen sich durch höchste Qualität, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit aus, auch unter anspruchsvollen äusseren Bedingungen. Mit einem globalen Produktionsnetzwerk sowie eigenen Gesellschaften und Vertretungen ist Huber+Suhner in über 60 Ländern nahe bei seinen Kunden.