von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Kessler, die Jungfraubahn-Gruppe hat 2018 ein Rekordergebnis erzielt. Und zum dritten Mal sind im vergangenen Jahr über eine Million Gäste aufs Jungfraujoch gereist. Hätten Sie nach dem Rekordjahr 2017 gleich einen neuen Bestwert erwartet?
Urs Kessler: Die Messlatte für das Jahr 2018 war sehr hoch. Die positiven Signale aus den wichtigsten Herkunftsmärkten im Frühjahr 2018 stimmten uns aber zuversichtlich. Dennoch gestaltete sich der Start wetterbedingt harzig. Noch nie hatten wir so viele Ausfalltage wie im Januar 2018 verzeichnet. Herausfordernd kam die aktuelle Tiefpreispolitik im Ausflugsbereich auf dem Schweizermarkt hinzu. Dass wir das Rekordvorjahr nochmals deutlich übertreffen würden, war nach diesem Start nicht selbstverständlich. Insbesondere freut uns die Steigerung des Durchschnittsertrags pro Gast beim Jungfraujoch um 2 auf 112 Franken.
In rund 600 Tagen startet die V-Bahn – wie viele Besucher werden es dann sein?
Die V-Bahn ist primär ein Projekt zur Steigerung der Qualität. Wir werden weiterhin an der Limitierung der Jungfraujochbesucher von rund 5250 Gästen pro Tag festhalten. Unser Ziel ist es, in den besucherschwächeren Monaten zu wachsen, dies mit gezielten Besucherlenkungsmassnahmen wie beispielsweise den im Sommer 2018 eingeführten Hochsaisontarif. Unsere Vision lautet: 12 Monate Hochsaison und ein Durchschnittsertrag pro Gast von 120 Franken. Mit der V-Bahn wird die Anreise mit dem öffentlichen Verkehr massiv gestärkt, die Reisezeiten ab allen Schweizer Städten damit um 47 Minuten verkürzt. Im Terminal Grindelwald werden die Kundenströme entflechtet, dank der Abnahmekapazitäten gibt es kein Anstehen mehr.
«Die V-Bahn ist primär ein Projekt zur Steigerung der Qualität. Wir werden weiterhin an der Limitierung der Jungfraujochbesucher von rund 5250 Gästen pro Tag festhalten.»
Urs Kessler, CEO Jungfraubahnen AG
Nach der Beilegung aller Beschwerden sind die Arbeiten an der V-Bahn im Juli letzten Jahres gestartet. Wo steht das Projekt zum heutigen Zeitpunkt? Kann der Zeitplan eingehalten werden?
Dank des anhaltend stabilen Sommerwetters bis spät in den Herbst 2018 hinein konnten wir seit Baubeginn wichtige Baufortschritte erzielen. Die Wintermonate waren herausfordernd. Dank zusätzlichen Winterbaumassnahmen konnten wir jedoch den engen Zeitplan für das 470-Millionen-Projekt einhalten. Am 15. März 2019 konnten wir mit dem Durchstich bei der zukünftigen Bergstation der 3S-Bahn Eigerexpress am Eigergletscher einen wichtigen Meilenstein realisieren. Die Bauarbeiten sind aktuell überall auf Kurs.
Im April startet der Bau des Parkhauses, der Terminal wird Ende Juli im Rohbau fertig sein. Sobald es die Schneesituation zulässt, werden die weiteren Stützen im Frühsommer aufgestellt. Wir sind überzeugt, die neue GGM sowie die Haltestelle der Berner Oberland-Bahn «Grindelwald Terminal» am 14. Dezember 2019 pünktlich in Betrieb zu nehmen. Die 3S-Bahn «Eigerexpress», inklusive Parkhaus und Terminal mit Shops und Skidepots, wird am 12. Dezember 2020 eröffnet.
Sie haben das Projekt über Jahre hinweg gegen alle Widerstände und Anfeindungen durchgeboxt. Was gab Ihnen die Kraft für diesen Effort?
Aufgeben war für mich nie eine Option. Ich bin überzeugt, dass dieses Generationenprojekt der gesamten Region einen wesentlichen Nutzen bringen wird. Dafür hat es sich immer gelohnt zu kämpfen. Bereits während der Bauphase konnten wir Aufträge über 100,5 Mio. Franken an regionale Unternehmen vergeben und damit eine wichtige Wertschöpfung generieren.
70 Prozent der Gäste auf dem Jungfraujoch kommen aus Asien. Die über viele Jahre intensive Marktbearbeitung zahlt sich aus. Inwieweit ist die V-Bahn auch hierbei ein Thema?
Auf meinen Verkaufsreisen in Asien oder von unseren Vertretungen bin ich in den letzten Jahren immer wieder gefragt worden, wann jetzt nun endlich die V-Bahn realisiert würde. Die Qualitätssteigerung sowie die verkürzte Anreise zum Jungfraujoch mit interessanten Kombinationsmöglichkeiten sind wichtige Argumente für asiatische Gäste. Weiter können wir mit der V-Bahn im Winter vermehrt einen Besuch auf dem Jungfraujoch mit Skifahren verbinden und so die asiatischen Gäste an den Wintersport heranführen. Der Eigerexpress mit der greifbar nahen Eigernordwand ist an sich ein starkes Verkaufsargument.
«Ich bin überzeugt, dass das Generationenprojekt V-Bahn der gesamten Region einen wesentlichen Nutzen bringen wird.»
Mit der Eröffnung der neuen Gondelbahn Grindelwald-Männlichen im Dezember 2019 und dem Eigerexpress im Dezember 2020 soll der Wintersport im Berner Oberland zu neuen Höhenflügen ansetzen. Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
Längerfristig haben wir uns das Ziel von 1,25 Millionen Skier Visits und 50 Mio Franken Umsatz in der Jungfrau Ski Region gesetzt.
Die für 666 Franken angebotene Top4-Saisonkarte, die Sie zusammen mit Adelboden/Lenk, Gstaad und Hasliberg/Meiringen anbieten, ist sehr beliebt und wurde 39’000 mal verkauft. Top4 wird fortgesetzt – mit welchen Neuerungen?
Inhaber des Saison-Abonnements der vier grössten Berner Skigebiete profitieren neu von bis zu 50 Prozent Ermässigung auf den Sommerbergbahntickets der Top4-Regionen. Wer im Besitz eines Top4-Skipasses der aktuellen Wintersportsaison ist, kommt bereits in den Genuss des erweiterten Angebots. Die Ermässigungen auf den Sommerbergbahntickets sind mit dem Top4-Skipass 2018/2019 bis zum Ende der Sommersaison 2019 erhältlich.
«Bei der Pistenpräparation setzen wir auf Energie-Effizienz und modernste Technik mit dem ressourcenschonenden Schneehöhen- und Flottenmanagementsystem SnowSat.»
Auf dem Jungfraujoch befindet sich auch die höchstgelegene Forschungsstation Europas. Was die Forschenden hinsichtlich Klima und Umwelt herausfinden, bereitet sicher auch Ihnen Sorgen…
Wir befassen uns seit Jahren mit dieser Thematik und arbeiten eng mit der Firma Geotest zusammen. Im Jahr 2019 haben wir auf dem Jungfraujoch ein zusätzliches Pistenfahrzeug beschafft, um mit unseren Betriebsmitteln optimal für die sich verändernde Situation gerüstet zu sein und damit auch langfristig eine hohe Angebotsqualität auf dem Jungfraujoch zu bieten. Die einzigartige Gletscherwelt im UNESCO Weltnaturerbe Swiss Alps Jungfrau Aletsch – welches wir mit initiiert haben und seit der Geburtsstunde unterstützen – wird auch in Zukunft ein starker Verkaufsgarant sein.
Der Trend hin zu kürzeren und schneeärmeren Wintern ist deutlich. Und bei steigenden Temperaturen kommt irgendwann auch die künstliche Beschneiung an ihre Grenzen. Wie präsentiert sich die Situation für Sie in der Region?
Wir haben in den letzten Jahren immer wieder in die Beschneiung investiert und verfügen über modernste Technik. Bei der Pistenpräparation setzen wir auf Energie-Effizienz und modernste Technik mit dem ressourcenschonenden Schneehöhen- und Flottenmanagementsystem SnowSat. Dieses zeichnet bei der täglichen Pistenpräparation die Höhe der Schneedecke auf und gibt damit direkte Rückmeldung an den Fahrer für eine optimale Schneeverteilung. Damit kann mit weniger Schnee mehr Pistenfläche bei besserer Qualität erstellt werden.
Aufgrund der Klimaveränderung aber vor allem auch wegen der sich verändernden Kundenbedürfnisse setzen wir bereits jetzt vermehrt auf Ganzjahresattraktionen. Immer weniger Gäste suchen den klassischen Wintersporturlaub. Sie wollen auf verschiedenste Arten aktiv sein. Auf unserm Adventure-Berg Grindelwald-First bieten wir nebst dem klassischen Winterbetrieb auch Abenteuerangebote im Winter wie der Firstflieger, der JumpBag oder der Eagle Glider.
Herr Kessler, herzlichen Dank für das Interview.
Zur Person:
Urs Kessler war zunächst Betriebsdisponent auf Bahnhöfen der Schweiz im Fahrdienst und Verkauf und besetzte verschiedene Funktionen in der Direktion der BLS mit Schwerpunkt Marketing. Seit 1987 arbeitet er für die Jungfraubahnen. 1990 wird er Leiter “Kommerzielle Dienste”. In die Geschäftsleitung stieg er 1994 auf. Per 1.9.2008 erfolgte seine Wahl zum Vorsitzenden der Geschäftsleitung. Er ist gleichzeitig VR-Präsident der Tochtergesellschaften Bergbahn Lauterbrunnen-Mürren AG, Firstbahn AG, Harderbahn AG, Jungfraubahn AG, Parkhaus Lauterbrunnen AG, Wengernalpbahn AG und Grindelwald Grund Infrastruktur AG.