Urs Rickenbacher, CEO Lantal
Urs Rickenbacher, CEO Lantal. (Foto: Lantal)
von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Rickenbacher, Lantal musste 2012 eine Umsatzeinbusse von 6,8 % auf 79 Mio Franken hinnehmen. Während im Bereich Busse, Bahnen und Trams ein kleines Wachstum verzeichnet werden konnte, lief es im Bereich Luftverkehr nicht wie gewünscht. Was hat das Ergebnis belastet?
Im Luftverkehr ist die Wettbewerbssituation, ausgelöst durch den immer noch starken Franken gegenüber dem Euro und dem Dollar sowie die Volatilität im Markt sehr herausfordernd. Trotz allem kann die Entwicklung des Auftragseingangs als erfreulich bezeichnet werden. Im Lauf des Jahres 2012 haben einzelne Kunden Projekte aus wirtschaftlichen und anderen Gründen zeitlich verschoben, somit konnte bereits produzierte Ware nicht ausgeliefert werden.
Dennoch beschäftigt Lantal mehr Mitarbeiter als vor Jahresfrist. Sie gehen also davon aus, dass die aufgeschobenen Aufträge bald realisiert werden können?
Es ist damit zu rechnen, dass die aufgeschobenen Aufträge in den nächsten Monaten realisiert werden. Der Markt ist sehr volatil, jedoch grundsätzlich ist die Mobilität ein Wachstumsmarkt und wird das auch weiterhin sein.
«Im Luftverkehr ist die Wettbewerbssituation, ausgelöst durch den immer noch starken Franken gegenüber dem Euro und dem Dollar sowie die Volatilität im Markt sehr herausfordernd.»
Urs Rickenbacher, CEO Lantal
Ein substantielles Wachstum haben Sie mit Ihrem Pneumatischen Komfortsystem PCS erreicht, welches nun auch bald für Boeing-Langstreckenflugzeuge qualifiziert sein wird. Was können wir uns darunter vorstellen?
Das Pneumatische Komfortsystem PCS ist Teil des Sitzes. Als Produkt wird es vom Sitzhersteller qualifiziert nach den Vorgaben des Flugzeugherstellers und durchläuft vorher härteste Tests. Da die Kunden SWISS, Lufthansa und Brussels Airlines Airbusse beschafften, war PCS zuerst für Flugzeugtypen der Airbus-Familie qualifiziert. Mit den Kunden aus Nordamerika und dem Mittleren Osten wird das PCS nun auch Boeing-Flugzeugtypen qualifiziert.
Welches sind die Vorteile des Luftkissensystems?
Lantals Pneumatisches Komfortsystem sorgt für höchsten Passagierkomfort mit luftgefüllten, anpassungsfähigen Kissen. Passagiere können individuell und stufenlos den Sitzkomfort nach persönlichen Vorlieben einstellen: Härter zum Sitzen, weicher zum Entspannen und weich zum Schlafen in einem komfortablen, völlig flachen Bett. Es entstehen absolut keine Druckstellen, was auf Langstreckenflügen äusserst angenehm ist. Für die Airline sind die Vorteile im geringeren Gewicht und damit verbunden mit weniger Kerosinkosten, in der wartungsfreien und gleichbleibenden Komfortqualität und in der Verlässlichkeit des Systems massgebend.
«Auf Grund der Bestellungen wie auch der Nachfrage und der Akzeptanz sehen wir optimistisch in die Zukunft und werden bei PCS substanziell wachsen.»
Welche Airlines setzen bereits auf PCS und von wem liegen Bestellungen vor?
Die SWISS International Airlines ist mit 27 Langstreckenflugzeugen in Business und First Class in der Luft. Brussels Airlines, British Midland International und Austrian Airlines fliegen PCS bereits. Lufthansa hat begonnen, ihre Langstreckenflotte von ungefähr 100 Flugzeugen mit PCS in der Business Class auszustatten wie auch Austrian Airlines. Bestellungen von zwei nordamerikanischen Fluggesellschaften und von einer Fluggesellschaft aus dem Mittleren Osten liegen vor.
Noch bewegt sich der PCS-Umsatzanteil auf tiefem Niveau. Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein?
Auf Grund der Bestellungen wie auch der Nachfrage und der Akzeptanz sehen wir optimistisch in die Zukunft und werden bei PCS substanziell wachsen.
Der Trend zu Komplettlösungen hat sich auch im vergangenen Jahr fortgesetzt. Was gehört im Airline-Bereich dazu?
Lantal bietet Gesamtlösungen unter anderem in Form von fertig konfektionierten Teilen wie Sitzbezügen, Literaturtaschen, Teppichzuschnitten und plissierten Vorhängen an. Die Projekte werden immer komplexer und aufwändiger für die Airlines, deshalb sieht Lantal für Dienstleistungen vom Design über Projektmanagement, zu Entwicklung, Zertifizierung, Tests und Dokumentation von Materialien und installationsfertigen Teilen gute Chancen, sich im Markt zu behaupten. Bei den PCS-Aufträgen liefern wir grösstenteils Komplettlösungen ab, also PCS inklusive konfektionierte Sitzbezüge.
Im Bereich Bahnen, Busse und Trams ist Lantal national konkurrenzlos. Wie sind Sie in diesem Bereich international aufgestellt?
Es ist sicher so, dass Lantal beim öffentlichen Verkehr in der Schweiz einen sehr guten Namen geniesst. Leider sind wir auch hier dem Wettbewerbsdruck aus dem Euro-Raum ausgesetzt und müssen uns der internationalen Konkurrenz stellen. Gerade in Frankreich und Deutschland sind unsere qualitativ hochstehenden Produkte und Designs ebenfalls gefragt. In einer Expansion Richtung Osten sehen wir mit auf die Kundenbedürfnisse angepassten Qualitäten noch Potenzial.
Lantal-Textilien finden sich auch auf unzähligen Kreuzfahrtschiffen. Obwohl das Kreuzfahrtbusiness boomt wie nie zuvor, will sich Lantal aber auf Superyachten fokussieren. Was sind die Gründe?
Die Kreuzfahrtschiffe sind schwimmende Hotels und die zahlreiche Konkurrenz aus dem Euro-Raum ist währungsbedingt stark bevorteilt. Wir fokussieren uns auf die Superyachten, weil wir Synergien seitens Marktbearbeitung und seitens Premium-Produkten, namentlich den hand-getufteten Teppichen aus unserer Produktion in Melchnau, aus dem Executive/VIP-Flugzeug-Markt nutzen können.
«Wir fokussieren uns auf die Superyachten, weil wir Synergien seitens Marktbearbeitung und seitens Premium-Produkten (…) nutzen können.»
Welche Mittel investiert Lantal in Forschung und Innovation und in welche Richtung gehen die aktuellsten Entwicklungen?
Wir haben uns das ambitionierte Ziel gesetzt, pro Jahr und Markt eine Innovation zu entwickeln. Es geht darum, leichtere Materialien oder Produkte mit längerer Lebensdauer und vermehrt installations-fertige Teile zu entwickeln. In diesem Jahr werden neue Teppichqualitäten – entweder besonders leicht oder besonders widerstandsfähig – und als Weltneuheit ein leichter, sehr komfortabler Ledersitzbezug im Markt eingeführt.
Der Exportanteil von Lantal liegt bei 95 %. Ihre Konkurrenz aus dem Euro- und Dollarraum hat einen deutlichen Währungsvorteil. Wie reagieren Sie darauf?
Einerseits suchen wir nach Lösungen, um geeignete Produkte für den Euro-Raum vermehrt durch Drittfirmen zu produzieren, die sich an einem kostengünstigeren Standort befinden und um vermehrt Rohstoffe und Halbfabrikate im Euro-Raum einzukaufen. Andererseits sind ständige Innovationen und höchste Flexibilität Match entscheidend.
Welche Erwartungen sind mit dem laufenden Geschäftsjahr verbunden?
Die Mobilität ist ein Wachstumsmarkt und wird das auch weiterhin sein. Der Preisdruck bleibt jedoch eine enorme Herausforderung, denn die Konkurrenz aus dem Euro- und Dollarraum hat einen deutlichen Währungsvorteil. Hinzu kommt höchste Volatilität in den Märkten. Die anhaltende Nachfrage sowohl nach Lantals Luftkissensystem als auch nach Gesamtlösungen mit fertig konfektionierten Teilen lässt Lantal optimistisch in die Zukunft blicken.
Herr Rickenbacher, herzlichen Dank für das Interview.
Zur Person:
Dr. Urs Rickenbacher Partner, Delegierter des Verwaltungsrates, Geschäftsführer
An der Universität St. Gallen schloss er in Wirtschaftspädagogik (mag. oec. HSG) ab und promovierte zum Dr. oec. HSG. Ab 1984 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Wirtschaftspädagogik der HSG und betreute betriebswirtschaftliche Lehraufträge. Für Kuoni Reisen AG, war er ab 1990 in der Unternehmensentwicklung tätig und schliesslich als Leiter Incoming Services. 1995-97 zeichnete er beim Warenhaus Jelmoli verantwortlich für die Management Services. Es folgten fünf Jahre in Bühl/D, erst als CEO und später als COO der USM-Gruppe. Er ist seit 2003 Geschäftsführer von Lantal Textiles.
Zum Unternehmen:
Lantal ist führend in Design, Herstellung und Vermarktung von Textilien und Dienstleistungen für den internationalen Luft-, Bus- und Bahnverkehr. Das Unternehmen bietet zukunftsweisende Beratung mit dem Ziel des höchstmöglichen Wohlbefindens für die Reisenden. Per Ende 2012 beschäftigte Lantal in der Schweiz und den USA 377 Mitarbeitende in Vollzeitstellen sowie 15 Lernende. Lantal Textiles AG erreicht im Geschäftsjahr 2012 einen konsolidierten Umsatz von 79 Millionen Franken.