Urs Rüegsegger, CEO SIX Group. (Foto: SIX Group)
von Brigitte Strebel
Moneycab: Wie wichtig ist die SIX Group als Infrastrukturbetreiberin für den Finanzplatz Schweiz?
Urs Rüegsegger: SIX ist gewissermassen das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft, nicht bloss des Finanzplatzes. Wir stellen sicher, dass die Systeme sicher und stabil zur Verfügung stehen. Das ist der Kern unseres Auftrages und gilt für alle unsere Tätigkeitsgebiete von der Börse bis zum Zahlungsverkehr. Die Schweizer Wirtschaft ist darauf angewiesen, dass sie sich auf das Funktionieren der Infrastruktur voll verlassen kann. Insofern kommt uns eine grosse Verantwortung zu.
Entwickelt sich die SIX Group zum eigentlichen Technologie-Unternehmen?
Das ist weniger eine Entwicklung, sondern viel mehr eine Tatsache. Wir sind faktisch ein IT-Unternehmen. Jede Dienstleistung die wir zur Verfügung stellen, sei es im Bereich der Börse, der Wertschriftendienstleistungen, der Finanzinformationen, oder des Zahlungsverkehr, basiert auf hochkomplexen IT Systemen. Wir bewegen uns dauernd in einem technologisch extrem herausfordernden Umfeld.
Die Grossbanken sind nicht nur wichtige Stakeholder der SIX Group, sondern auch Konkurrenten. Wie gehen Sie damit um?
Unsere Eigentümer sind rund 150 Banken oder Bankengruppen in der Schweiz. In der Tat gehört es zu den Eigenarten unseres Unternehmens, dass unsere Eigentümer auf der einen Seite unsere bedeutendsten Kunden sind, auf der anderen Seite hingegen auch teilweise unsere Konkurrenten. Dies ist die unmittelbare Konsequenz der Deregulierung der Infrastrukturmärkte und stellt jedoch weder für uns noch für unsere Eigentümer ein grösseres Problem dar. Sämtliche Teilnehmer sind professionell genug, mit diesem Umstand leben zu können. In den fünf Jahren in denen ich nun CEO der SIX bin, hat sich dieser Umstand nicht negativ ausgewirkt. Im Gegenteil, die Eigentümer unterstützen unsere Wachstums- und Geschäftsstrategie.
«Regulierungen oder Regulierungsprojekte spielen für uns eine grosse Bedeutung und wirken sich direkt auf unsere Geschäftsstrategie aus.»
Urs Rüegsegger, CEO SIX Group
Eröffnen sich aufgrund neuer Regulierungen auch neue Geschäftsfelder für SIX Group?
In gewissen Bereichen schon. Als Beispiel kann ich unsere Dienstleistungen zur Umsetzung der Abgeltungssteuer mit Grossbritannien und Österreich nennen. Da nehmen wir für sämtliche Banken in der Schweiz zentrale Funktionen im Bereich der Datenaufbereitung wahr. Unser Geschäftsbereich SIX Financial Information leistet mit seinen Datendienstleistungen die Basis für Umsetzung und Vollzug zahlreicher weiterer Regulierungen.
Welchen Einfluss hat die zunehmende Regulierung der nationalen und internationalen Finanzindustrie (MiFID, FACTA, European Market Abuse Directive, European Market Infrastructure Regulation, Basel III) auf die Geschäftsstrategie der SIX-Group?
Regulierungen oder Regulierungsprojekte spielen für uns eine grosse Bedeutung und wirken sich direkt auf unsere Geschäftsstrategie aus. Dies gilt natürlich für nationale Regulierungen oder Regulierungsprojekte. Aber auch die internationale Regulierung spielt für uns eine wichtige Rolle. Die Finanzmarktinfrastruktur ist ein Skalengeschäft. Für uns sind die Systemkosten etwa gleich ob einige wenige oder Millionen von Transaktionen abgewickelt werden. Entsprechend müssen wir wachsen um die Systeme besser auslasten und unsere Dienstleistungen auch im Inland zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten zu können. In der Schweiz ist ein Wachstum für uns nur noch ganz beschränkt möglich. Entsprechend fahren wir eine aktive Internationalisierungsstrategie. Da spielen die meisten der erwähnten Regulierungsentwicklungen eine wichtige Rolle.
Die Schweizer Börse SIX Swiss Exchange hat in letzter Zeit im internationalen Vergleich stetig Marktanteile verloren. Weshalb?
Die Einführung von MIFID durch die EU im Jahr 2007 hat zu einer gewollten Fragmentierung des internationalen Börsenmarktes geführt. Dadurch sind zahlreiche alternative Plattformen entstanden, die in Konkurrenz zu den regulierten Börsen getreten sind. Dies hat uns, und allen anderen Börsen, Marktanteile gekostet. Erfreulicherweise können wir jedoch unseren Marktanteil im Blue Chip Handel seit gut zwei Jahren auf rund 70% stabil halten. 2012 stellte bis zu einem gewissen Grad ein Revival der regulierten Börsen dar. Die meisten konnten ihre Marktanteile halten oder wieder leicht ausbauen. Diese erfreuliche Tendenz wird durch einen Teil der regulatorischen Initiativen voraussichtlich weiter unterstützt.
«2012 stellte bis zu einem gewissen Grad ein Revival der regulierten Börsen dar. Die meisten konnten ihre Marktanteile halten oder wieder leicht ausbauen.»
Werden die traditionellen Börsen gegenüber alternativen Trading-Plattformen benachteiligt?
Wir sind uns gewohnt einem harten Konkurrenzkampf ausgesetzt zu sein, das ist für uns nicht das Problem. Was wir hingegen fordern ist, dass für alle Konkurrenten die gleichen Spielregeln gelten. Als traditionelle Börse müssen wir strengen regulatorischen Anforderungen gerecht werden. Die Einhaltung, Überwachung und Rapportierung dieser Anforderungen ist mit grossem Aufwand verbunden. Alternative Plattformen, insbesondere die von den Banken betriebenen, müssen nicht die gleich strengen Auflagen erfüllen. Dies führt nach unserer Auffassung zu einem ungleichen Wettbewerb.
Sie unterhalten ja selbst einen Dark Pool. Kanibalisieren sie damit nicht den Handel an ihrer eigenen Börse?
Nein, denn unser SIX Swiss Exchange Liquidnet Service (SLS) ermöglicht unseren Teilnehmern den Zugang zur Liquidität von über 650 Unternehmen und 4200 Aktien in elf europäischen Märkten. Beim Kauf oder Verkauf von grossen Aktienpaketen kann es an Liquidität fehlen oder es kommt zu unerwünschten Markteinflüssen. Hier setzt SLS an. Die SLS zugrunde liegende Idee ist es, grosse Blockaufträge effizient und ohne Preisverzerrungen ausführen zu können. Wir verstehen SLS also als komplementären Service zum Handel an SIX Swiss Exchange. Die Entwicklung in den letzten Monaten zeigt, dass die Marktteilnehmer es schätzen, ihre Transaktionen in einem überwachten und regulierten Umfeld auf unserer sicheren Handelsplattform auszuführen.
Welchen Einfluss hat die technologische Entwicklung auf die Markt- und Handelsstrukturen auf nationaler und internationaler Ebene?
Technologische Entwicklung ist für uns nie ein Selbstzweck. Es geht uns immer um die Qualität unserer Dienstleistungen, die Stabilität unserer Systeme und die Bedürfnisse unserer Kunden.
Zur Person:
Urs Rüegsegger ist seit Anfang 2008 Group CEO. Zuvor bekleidete er die Funktion des Präsidenten der Geschäftsleitung der St. Galler Kantonalbank, zu der er 1993 als Verantwortlicher für Controlling, Rechnungswesen und Risiko-Management stiess. 1997 wurde er in die Geschäftsleitung berufen. Im Jahr 2000 übernahm er die Projektleitung des 2001 erfolgreich durchgeführten Börsengangs. Als Präsident der Geschäftsleitung bekleidete er ab 2001 zudem verschiedene Funktionen im Rahmen des Verbands der Schweizer Kantonalbanken. Nach Abschluss des betriebswirtschaftlichen Studiums an der Universität St. Gallen startete Urs Rüegsegger seine berufliche Tätigkeit bei der Swiss Re im Bereich Informatik. Neben der Entwicklung kommerzieller Applikationen war er massgeblich in die Restrukturierung des Dienstleistungsbereichs der Swiss Re involviert. Nach Übernahme der finanziellen Verantwortung für die international tätige Tochtergruppe Audatex stiess er Ende 1993 zur St. Galler Kantonalbank.
SIX Group: Der Finanzinfrastruktur-Betreiber
Im Frühjahr 2012 hat das Schweizer Finanz-Infrastrukturunternehmen SIX seinen Markenauftritt vereinfacht: Seine vier Geschäftsbereiche treten seitdem einheitlich unter der Marke SIX auf. Die vier Geschäftsbereiche ergänzen ihren Auftritt mit der entsprechenden Bezeichnung: Swiss Exchange, Securities Services, Financial Information und Payment Services. Die Reduktion auf eine Marke soll Klarheit schaffen und den Marktauftritt von SIX stärken.