Urs Ryffel, CEO Huber+Suhner, im Interview

Urs Ryffel, CEO Huber+Suhner, im Interview
Urs Ryffel, CEO Huber+Suhner. (Bild: Huber+Suhner)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Ryffel, was bei den neusten Zahlen besonders auffällt, ist der im H1 deutlich gestiegene Bestelleingang mit einem Plus von 41 Prozent. Werden jetzt Kapazitäten hochgefahren?

Urs Ryffel: Das Plus von 41 Prozent haben wir im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2023 erzielt, in dem die Auftragslage insgesamt recht schwach ausgefallen war. So betrachtet liegen wir jetzt auf einem Niveau, welches unseren mittelfristigen Erwartungen und Planungen entspricht und auf das wir mit unseren bestehenden Kapazitäten prinzipiell gut vorbereitet sind. In den Bereichen, in denen wir grössere Zuwächse sehen konnten – wie Luft-, Raumfahrt und Wehrtechnik im Marktsegment Industrie oder Rechenzentren im Marktsegment Kommunikation – werden die Kapazitäten entsprechend angepasst.

Das Book-To-Bill-Ratio kommt jetzt bei 1,21 zu liegen, sogar 1,38 im Marktsegment Kommunikation Da gibt es einige schlagkräftige Produkte. Der Renner scheinen ja All Optical Switches zu sein…

Tatsächlich sehen wir ein gestiegenes Interesse am Einsatz von Optical Circuit Switches zur höheren Auslastung und Energieeffizienz in Hochleistungs-Computerclustern. In diesem Zusammenhang bauen wir in Pisary, Polen, eine neue hochmoderne Produktionsstätte, um unser POLATIS Optical Circuit Switch (OCS)-Portfolio in grösserem Umfang herzustellen. Treiber für den Boom von Hyperscale-Rechenzentren sind vor allem Anwendungen der künstlichen Intelligenz (KI).

Ein Produktionsausbau in Polen – haben Sie keine Angst vor einer Kriegseskalation?

Wir sind in Polen bereits seit 2002 an mehreren Orten präsent und beschäftigen dort knapp 1000 Mitarbeitende. Die neue Produktionsstätte in Pisary wird gebaut, da die Kapazität in Krzeszowice maximal ausgelastet ist. Eine mögliche Kriegseskalation würde viel weitreichendere Konsequenzen für die Welt mit sich bringen. Unser Bekenntnis zum Standort Polen ist davon unbenommen.

«Wir sehen generell eine gute Auftragslage und Wachstumsdynamik im Bereich Luft-, Raumfahrt und Wehrtechnik.»
Urs Ryffel, CEO Huber+Suhner

Wie entwickelt sich speziell in der Wehrtechnik (neben der Luft- und Raumfahrt dem H+S Industriesegment angegliedert) zweieinhalb Jahre nach Beginn des Ukrainekrieges die Nachfrage?

Wir sehen generell eine gute Auftragslage und Wachstumsdynamik im Bereich Luft-, Raumfahrt und Wehrtechnik, welchen wir innerhalb des Marktsegments Industrie als Ganzes betrachten. Die Treiber sind verschiedener Natur, aber das Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit in der aktuellen geopolitischen Lage überall in der Welt trägt natürlich dazu bei. Mit steigenden Wehretats steigt tendenziell auch die Nachfrage nach den entsprechenden Produkten und Lösungen, zu denen wir beitragen.

Der Übergang von der analogen zur digitalen Raumfahrtechnologie wird sich sicherlich auszahlen…

Die Satellitenkommunikation ist bereits seit geraumer Zeit digitalisiert, neu ist jedoch die Re-konfigurierbarkeit. Dazu gehört die Anpassung der Frequenzen, Leistungen, Ausrichtung der Richtstrahlen der elektrisch steuerbaren Antennen und das autonome Reagieren auf Störungen. In diesem Zusammenhang gibt es einige Entwicklungen, für die wir bei HUBER+SUHNER sehr gut positioniert sind. So sehen wir zunehmend den Trend der Vermischung zwischen Radiofrequenz- und optischen Technologien auf Satelliten wie auch bei den dazugehörigen Bodeninstallationen. Dieses Potenzial wollen wir ausschöpfen, da wir über die entsprechenden Basistechnologien verfügen und diese für die Raumfahrtindustrie bereitstellen können.

«Wir sehen zunehmend den Trend der Vermischung zwischen Radiofrequenz- und optischen Technologien auf Satelliten wie auch bei den dazugehörigen Bodeninstallationen.»

Wieso konnte einzig das Segment Transport den Auftragseingang gegenüber der Vorjahresperiode nicht steigern, dort gibt es doch weltweit hohen Investitionsbedarf?

Besonders im Teilsegment Automotive ergaben sich durch das Marktumfeld einige Herausforderungen im ersten Halbjahr 2024. In der E-Mobilität, wo wir uns auf kommerzielle Nutzfahrzeuge fokussieren, konnten wir zwar wichtige Aufträge mit namhaften Herstellern gewinnen, allerdings nimmt deren Absatz langsamer Fahrt auf als ursprünglich geplant. Der Durchbruch von E-LKW und E-Bussen dürfte aber lediglich eine Frage der Zeit sein; sie sind marktfähig und mittlerweile für fast alle Bedürfnisse verfügbar. In ähnlicher Weise hat sich die Dynamik im Teilsegment ADAS – das sind Fahrzeugassistenzsysteme – verzögert. Langfristig setzen wir jedoch auf beide Wachstumsinitiativen.

Im Teilsegment Bahnen haben wir eine Erholung gesehen. Insbesondere konnten wir in der Wachstumsinitiative Kommunikationslösungen für den Schienenverkehr mit dem Projekt der Deutschen Bahn einen bedeutenden Meilenstein erreichen. Für die umweltfreundliche und CO2-neutrale Mobilität ist der Bahnverkehr sowohl in urbanen Zentren als auch im Reiseverkehr bis circa 1000km essentiell. Auf diese Entwicklung setzen wir weiterhin.

«Der Durchbruch von E-LKW und E-Bussen dürfte lediglich eine Frage der Zeit sein; sie sind marktfähig und mittlerweile für fast alle Bedürfnisse verfügbar.»

Im Moment suchen Sie wieder händeringend Ingenieure. Kriegen Sie im Moment genug, und wie anspruchsvoll ist die Schulung im Job?

Wir sind immer auf der Suche nach Talenten, vor allem auch bei Ingenieuren, die für unsere Innovationskraft als Unternehmen sehr wichtig sind. In der Regel bringen sie bereits durch ihre Ausbildung die besten Voraussetzungen mit, aber wir stellen durch ein intensives Onboarding-Programm sicher, dass sie sich mit unseren spezifischen Technologien, Produkten und Prozessen vertraut machen. Als Arbeitgebermarke sind wir an den entsprechenden Hochschulen präsent und bieten interessante Entwicklungschancen: von Praktikumseinsätzen bis hin zu langjährigen attraktiven Aufgabengebieten. Dadurch konnten wir bisher immer die für uns passenden Talente finden und bei uns halten.

Warum gingen in China über 100 Stellen verloren?

Bis auf die Schweiz geben wir keine Details zu einzelnen Veränderungen bei der Anzahl Arbeitsplätzen in den Ländern heraus. In produzierenden Industrien kann es marktbedingt durchaus zu grösseren, auch kurzfristigen Schwankungen kommen.

Die Gewinnmarge lag jetzt gerade noch im Zielband von 9 bis 12 Prozent. Ist mittelfristig mehr drin?

Die EBIT-Marge von 9.6% im ersten Semester 2024 zeigt eine Verbesserung gegenüber 2023 (9.1%). Der Anstieg ist sogar markant im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2023 (8.2%). Damit sind wir angesichts des herausfordernden Umfelds zufrieden. Bei der Veröffentlichung unserer Resultate haben wir auch unser mittelfristiges Zielband von 9-12% bestätigt – und für das zweite Halbjahr 2024 erwarten wir eine Marge in der unteren Hälfte, bei leicht höheren Umsätzen gegenüber dem ersten Semester. Natürlich setzt das voraus, dass sich wichtige Einflussfaktoren wie Inflation, Wechselkurse sowie wirtschaftliche und politische Konflikte nicht übermässig nachteilig auf die Geschäftsentwicklung auswirken.

Beim Ausblick bleiben Sie, wie so viele Firmen, fürs zweite Halbjahr bewusst vorsichtig. Das ist gerade in Ihrem Geschäft erstaunlich, zeichnete sich doch bereits 2023 ein neuer Connectivity Boom ab…

Es gibt in einigen Märkten aktuell durchaus Herausforderungen, von denen auch unser Geschäft abhängig ist. Dazu kommen die vorgenannten makroökonomischen und weltpolitischen Aspekte, die gewisse Unsicherheiten mit sich bringen. Aber wir blicken bereits heute darüber hinaus: von der weiter steigenden Nachfrage nach Konnektivität – und ganz speziell vom Bedürfnis der Menschen nach nachhaltiger Mobilität, mobiler Kommunikation und Sicherheit – wird HUBER+SUHNER langfristig profitieren.

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