Urs Wernli, Zentralpräsident Auto Gewerbe Verband Schweiz. (Foto: AGVS)
von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Wernli, im Juni sind die Autoverkäufe in der Schweiz gegenüber dem Vorjahresmonat um 27,6 % zurückgegangen. Wie werten Sie das Resultat?
Urs Wernli: Ein Vergleich über mehrere Jahre bestätigt, dass der Juni 2013 mit knapp 30‘000 Zulassungen im Durchschnitt liegt. Der Juni 2012 war wegen der Einführung der CO2 Sanktion ab 1.7.2012 ein ausserordentlicher Zulassungsmonat und darf daher nicht als Vergleich gewählt werden. Eine mögliche Basis liefern die per Ende Mai 2013 kumulierten Verkaufszahlen, mit 7 Prozent Rückstand zum Vorjahr. Somit erwarten wir, dass 2013 zwar kein Spitzenjahr werden wird, sich aber um den mehrjährigen Durchschnitt von rund 290‘000 Zulassungen bewegen wird.
Die Prognose von BAKBASEL mit 285’000 verkauften Neuwagen dürfte also ziemlich genau zutreffen.
Ja, diese Prognose ist realistisch. Wegen dem starken Winter verlief der Jahresstart sehr verhalten. Die Konjunkturprognosen sind relativ günstig und beeinflussen die Kaufstimmung positiv. Dazu kommen die sehr attraktiven Angebote praktisch aller Marken. Sorgen bereiten uns eher der intensive Wettbewerb und der daraus folgende Druck auf die knappen Margen beim Garagisten.
Die deutschen Marken dominieren seit jeher den Schweizer Automarkt. Wie hoch ist ihr Anteil am Gesamtmarkt?
Der Anteil immatrikulierter Personenwagen deutscher Marken macht 42,5% aus.
Gab es im ersten Halbjahr in den Top-10 der meistverkauften Automobile bedeutende Verschiebungen?
An der Spitze hat sich mit dem VW Golf und dem Skoda Octavia nichts verändert. Vielfach folgen Verschiebungen bei den Positionen durch den Einfluss von Modellwechseln. So verbesserte sich beispielsweise der 3-er BMW von Platz 18 auf Platz 3, oder die Mercedes C-Klasse rutschte von Platz 7 auf Platz 19. Der Opel Astra musste von Platz 9 auf 23 wechseln und bei Ford fiel der Fiesta von Position 8 auf 20 zurück. Hingegen avancierte der Ford Focus von Platz 13 auf Platz 9.
Ist der durchschnittliche Treibstoffverbrauch der neu in Verkehr gesetzten Personenwagen weiter zurückgegangen?
Ja und zwar um beachtliche 2,8 Prozent. 2012 betrug der durchschnittliche Verbrauch der neu eingelösten Personenwagen 6,21 Liter pro 100 km, das entspricht einer Reduktion von rund 2 dl.
«Der Trend bewegt sich hin zu kompakten Autos. Weniger gross, aber häufiger mit 4-Rad Antrieb und höherer Strassenlage.»
Urs Wernli, Zentralpräsident AGVS
Und hat sich an der Vorliebe der Schweizer Autofahrer für grössere und schwerere Fahrzeuge etwas geändert?
Der Schweizer Kunde legt grossen Wert auf Sicherheit und Komfort. Das geht in der Regel nicht ohne etwas mehr Gewicht zu haben. Der Trend bewegt sich hin zu kompakten Autos. Weniger gross, aber häufiger mit 4-Rad Antrieb und höherer Strassenlage. Die Energieeffizienz steigt stetig, auch bei leicht schwereren Fahrzeugen.
Im Gegensatz zum Neuwagenmarkt hat der Gebrauchtwagenmarkt im ersten Halbjahr ein Wachstum zu verzeichnen. Welches sind die Hauptgründe?
Der Occasionsmarkt bietet in der Schweiz eine grosse Auswahl an qualitativ hochwertigen Fahrzeugen in allen Kategorien. Im Nachgang zu den Preissenkungen bei den Neuwagen infolge des tiefen Euro sind auch die Gebrauchten entsprechend günstiger zu haben. Diese Preisnachlässe führen dazu, dass ein Occasionsauto eine interessante Alternative zu einem Neukauf bleibt.
«Die Finanzierung mit einem zweckgebundenen Strassenfonds geht in die richtige Richtung.»
Die Diskussion über die Strassenfinanzierung läuft auf Hochtouren. Die «Milchkuh-Initiative» verlangt, dass die Mineralölsteuer künftig vollumfänglich dem Strassenbau zukommen soll. Währenddessen will Verkehrsministerin Doris Leuthard die Finanzierung der Strasse mit einem Fonds sichern und den Mineralölsteuerzuschlag erhöhen. Wie ist die Position des AGVS in der ganzen Diskussion?
Der AGVS kämpft seit Jahren für die gerechte und transparente Verkehrsfinanzierung. Die Finanzierung mit einem zweckgebundenen Strassenfonds geht in die richtige Richtung. Dieser muss aber in der Verfassung verankert sein. Mehr Geld von den Strassenbenützern einzuziehen lehnen wir ab. Der Bund zieht jährlich über 9,5 Mrd Franken an Steuern, Abgaben und Gebühren bei den motorisierten Verkehrsteilnehmern ein. Der Strasse kommen aber nur rund 30 Prozent zugute. Es wäre und ist also genügend Geld für die Strassenfinanzierung vorhanden.
Der AGVS ist für die berufliche Grund- und höhere Berufsbildung im Automobilgewerbe zuständig. Wie beurteilen Sie die Qualität der Ausbildung in den Betrieben?
Durch die gestiegenen Anforderungen an die Betriebe für die Ausbildung von Lernenden wird eine hohe Qualität gewährleistet. So benötigt z.B. ein Betrieb mindestens einen Automobildiagnostiker mit Eidg. Fachausweis um Automobil-Mechatroniker auszubilden.
Welche Perspektiven bieten sich den angesprochenen Automobil-Mechatronikern, die ihre Laufbahn in der Branche fortsetzen und Karriere machen wollen?
Automobil-Mechatroniker haben dank der umfassenden Grundbildung und dem vielfältigen AGVS Weiterbildungsangebot ausgezeichnete Karrieremöglichkeiten im Automobilgewerbe. So bestehen Weiterbildungsmöglichkeiten mit Eidg. Fachausweis zum Automobildiagnostiker, zum Werkstattleiter, zum Kundendienstberater und zum Verkaufsberater. Die Kompetenzen, um erfolgreich einen Gargenbetrieb zu leiten, können zudem mit der höheren Fachprüfung zum Dipl. Betriebswirt im Automobilgewerbe erlangt werden.
Der AGVS möchte die Kompetenz der Garagen in Energiefragen steigern. Mit dem «AutoEnergieCheck» soll das Energiesparpotenzial jedes Fahrzeugs ausgeschöpft werden. Was soll dieser Check beinhalten und was soll er kosten?
Beim AutoEnergieCheck handelt es sich um eine neue Dienstleistung speziell ausgebildeter AGVS-Garagisten. Der Check beinhaltet eine Prüfung energierelevanter Fahrzeugkomponenten in der Werkstatt sowie ein Kunden-Beratungsgespräch. Damit leistet der Garagist einen wichtigen Beitrag, damit ein optimal gewartetes Fahrzeug auch energiesparend eingesetzt wird. Die unverbindliche Preisempfehlung für den Check beträgt 49 Franken. Das Engagement von EnergieSchweiz und unserem sympathischen AutoEnergieCheck-Botschafter Dario Cologna bestätigen den volkswirtschaftlichen Nutzen.
In Bern wird in der zweiten Jahreshälfte Mobilcity fertiggestellt, ein Kompetenzzentrum für Auto und Transport. Welche Möglichkeiten eröffnen sich der Branche mit Mobilcity?
Die Mobilcity-Partner – zehn renommierte Verbände und Dienstleister aus der Mobilitätsbranche – werden mit geeinten Kräften ein leistungsfähiges und zukunftsorientiertes Kompetenzzentrum für das Auto- und Transportgewerbe betreiben. So wird das Know-how an einem gemeinsamen Standort an zentralster Lage gebündelt. Dieses moderne Kompetenzzentrum stellt sicher, dass das Automobilgewerbe die Anforderungen der Mitglieder an den Auto Gewerbe Verband Schweiz für eine erfolgreiche Zukunftsbewältigung erfüllen kann.
Herr Wernli, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Urs Wernli, Zentralpräsident Auto Gewerbe Verband Schweiz (AGVS), verheiratet, Jahrgang 1950
Zum Verband:
Branchen- und Berufsverband der Schweizer Garagisten. Rund 4000 kleine, mittlere und grössere Unternehmen, Markenvertretungen sowie unabhängige Betriebe sind Mitglied beim AGVS. Die insgesamt 39 000 Mitarbeitenden in den AGVS-Betrieben – davon um 8500 in der Aus- und Weiterbildung stehende Nachwuchskräfte – verkaufen, warten und reparieren den grössten Teil des Schweizer Fuhrparks mit rund 5,5 Millionen Fahrzeugen.