Walter Daumann, CEO Weiss+Appetito, im Interview

Walter Daumann

Walter Daumann, CEO Weiss+Appetito. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Daumann, im vergangenen Geschäftsjahr konnte Ihr Unternehmen den Umsatz um 7,2 Prozent auf von 162.9 Millionen Franken steigern und einen Betriebsgewinn (EBIT) von 6.2 Millionen Franken (+ 23,2%) erzielen. Ich dachte immer die Baubranche hätte Grund zum Jammern?

Walter Daumann: Jammern ist nicht der richtige Ausdruck. Die Baubranche ist, wie keine andere Branche, sehr stark von Leitzinsen und Kaufkraft im Markt abhängig. Die zu verurteilenden politökonomischen Krisenherde in der Welt, zusammen mit den Megatrends Energiewende und Digitalisierung, lassen Investoren sehr selektiv auf dem Markt agieren. Die Weiss+Appetito Gruppe hat bereits sehr früh strukturelle Massnahmen ergriffen, um dieser Abhängigkeit besser begegnen zu können. Wir haben uns vom klassischen Hoch- und Tief- sowie Strassenbau verabschiedet und uns diversifiziert. Zu unserem 100-jährigen Jubiläum in 2023 haben wir ein grosses Mitarbeiterfest gefeiert. Bei diesem Fest konnten wir stolz auf nicht weniger als fünf unabhängig voneinander, sehr erfolgreich am Markt agierende Geschäftssparten unter dem Mantel der W+A Holding AG blicken.

«Wir haben uns vom klassischen Hoch- und Tief- sowie Strassenbau verabschiedet und uns diversifiziert.»
Walter Daumann, CEO Weiss+Appetito

In den letzten Jahren lief immer wieder die Spezialität Saugen+Blasen sehr gut. Gibt es da neue Techniken?

Über eine eigens entwickelte vakuumpneumatische Technik begrünen wir in der Schweiz jährlich bis zu 600’000 m2 Dachflächen. Zusammen mit unserer Wasserspeichertechnik basierend auf wiederverwendeten, gebrochenen Schweizer Tonziegeln erschaffen wir so das Schweizer Vorzeigedach Nr. 1, dass gerade den sehr bedrohlichen Wetterphänomenen wie Starkregen durch bis zu 70-prozentige Evapotranspiration (A.d.R.: direkte Regenwasserabgabe über die Luft durch Verdunstungswärme) sehr erfolgreich Paroli bietet und deshalb auch das Interesse des Bundesamts für Umwelt geweckt hat. In der Kombination mit smarter Photovoltaik und einer beim eidgenössischen Amt für Geistiges Eigentum patentierten Infrastrukturlösung für Autoladestationen leisten wir damit einen wichtigen Beitrag zu einer verbessert nachhaltigen Schweiz.

Gibt es bei Böden+Belege eine ähnliche unique selling proposition?

Mit unserem ultrahochfesten Faserbeton (UHFB), dessen Verarbeitung anspruchsvoll ist, helfen wir Unternehmen in unsere Böden nachhaltig zu investieren, die die Baustatik verbessern, und damit wesentlich langlebiger sind als der Standardmonobeton – um nur eine USP zu nennen.

Fassadenschutz, Betoninstandhaltung und -Ersetzungen sowie Abdichtung, Feuchtigkeits- und Schimmelbekämpfung erhalten den Wert einer Liegenschaft. Kann man den sich daraus ergebenden geldwerten Nutzen für Immobilienbesitzer in Zahlen ausdrücken?

Selbstverständlich. Das geht im Grossen und im Kleinen. Nehmen Sie nur einmal das Gebäudeprogramm vom Bund und den Kantonen: Der Gebäudepark der Schweiz verbraucht heute rund 90 TWh Energie. Durch das Gebäudeprogramm mit Schwerpunkt Wärmedämmung werden jährlich rund 4 TWh Energie weniger verbraucht. Setzt man Strom als Energieform voraus, entspricht das einer Ersparnis von 1,2 Milliarden Franken. Und im Kleinen: Das grösste Einsparpotential an Energiekosten für Immobilienbesitzer am Gebäude ist eine intakte Gebäudehülle. Hier sind Ersparnisse von mehr als 30% zu erzielen. Das heisst für ein durchschnittliches Einfamilienhaus von 140 m2 mit 4-Personenhaushalt ist eine Ersparnis von mehr als 6’000 kWh möglich, was einer Reduktion der Heizkosten von circa 600 Franken pro Jahr bedeutet. Das ist bereits ein Mobilfunkabonnement für ein ganzes Jahr.

Trotz Wetterkapriolen erreichte der Reingewinn 4,5 Millionen Franken. Gibt es da eigentlich eine
Versicherung für Ausfälle?

Es gibt die Schlechtwetterentschädigung über die Zusammenarbeit mit der Arbeitslosenkasse. Weitergehende Versicherungen in Richtung Ertragsausfall existieren nur im Zusammenhang mit gravierenden Ereignissen wie Feuer, Einbruchdiebstahl, Vandalismus nach einem Diebstahl und Raub, Leitungswasserschaden und weitere selektierte Elementargefahren.

Die bereits erwähnte Sparte «Saugen+Blasen» steuert mit 51,3 Millionen mittlerweile fast ein Drittel zum Gesamtumsatz Ihrer Gruppe bei. Braucht es hierfür ausgesprochene Spezialkenntnisse oder eher weniger?

Insgesamt sind alle unsere Sparten deutlich gewachsen. Saugen+Blasen insbesondere, weil wir hier sehr stark im Bereich Lösungen für Nachhaltigkeitsthemen wie Dachbegrünungen aktiv sind. Und ja, es braucht Spezialkenntnisse, angefangen von der Baustelleneinrichtung über Kenntnisse eines Dachaufbaus sowie die Maschinenbedienung, bis zu Themen wie Biodiversität und Bau von Photovoltaikanlagen. Da wir in einem Netzwerk von fachspezifischen Kunden (Dachdecker) und Partnern arbeiten, müssen wir einander technisch verstehen, um Hand in Hand arbeiten zu können. Der Fachkräftemangel macht uns hier sehr zu schaffen.

«Da wir in einem Netzwerk von fachspezifischen Kunden und Partnern arbeiten, müssen wir einander technisch verstehen, um Hand in Hand arbeiten zu können. Der Fachkräftemangel macht uns hier sehr zu schaffen.»

Aktivitäten rund um die Elektromobilität wie Ladestationen-Infrastruktur bringen Weiss+Appetito ein Fünftel des Umsatzes. Mittlerweile wollen in der Schweiz rund die Hälfte aller Automobilisten lieber wieder einen Verbrenner kaufen. Was braucht es Ihres Erachtens, damit dieser «Flaschenhals» verschwindet?

Danke für die Blumen. Das Geschäftsfeld bauen wir gerade mit unserer Go-to-Market-Strategie mit Luft nach oben auf. Elektromobilität ist Technik und Emotion. Es war schon immer eine Herausforderung, einen gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen. Da macht die Elektromobilität keine Ausnahme. Um den sinnvollen Umstieg von fossil angetriebenen Fahrzeugen auf elektrische zu forcieren, müssen Standards her. Es müssen nicht nur ausreichend Ladestationen geschaffen werden, sondern Ladestationen, die alle gleich funktionieren von der Technik bis zur Bezahlung. Die Stichworte sind Einfachheit und Komfort. Alles, was unser Leben kompliziert, wird langfristig keinen Erfolg haben. Wir bei Weiss+Appetito leben mit unserer patentierten LiveCharger-Ladeinfrastruktur-Technologie einen grossen Schritt in Richtung Einfachheit vor.

Sie begrünen wie bereits angetönt hunderttausende Quadratmeter Dachfläche Jahr für Jahr. Ist das Problem der Flachdachabdichtung mittlerweile gelöst?

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die Technikfrage muss ich an die kompetenten Dachdecker weitergeben. Unsere Technik basiert darauf, dass, ob mit oder ohne Solartechnik, die Dachhaut nicht beschädigt wird. Wir setzen keine einzige Schraube, unsere Technik ist selbsttragend und hält statisch jedem Windlastvergleich stand.

Besonders stark gewachsen war 2023 auch Ihre Sparte Telekom. Wann rechnen Sie bei letzterer mit einem weiteren Nachfragepush durch 5G?

Der verzögerte 5G-Rollout in der Schweiz macht uns immer noch zu schaffen – trotz eines Leiturteils des Bundesgerichts zugunsten von Swisscom aus dem März 2023. Es gilt bis jetzt mit vereinten Kräften die Baueinsprachen in positive Entscheide zugunsten 5G zu drehen. Hingegen läuft das 5G-Geschäft in Deutschland weiterhin sehr gut. Hinzukommt, dass sich nun das effizientere Direktgeschäft mit den Carriern im Vergleich zu den Vorjahren deutlich bemerkbar macht.

Wird sich dadurch auch die sehr gute Marge weiter verbessern?

Umsatz ist wichtig, die Effizienz umso wichtiger. Die Frage ist mit dem vorhergehenden Statement beantwortet.

«Auf unsere Rohrleitungssparte ist bis auf Bundesebene Verlass.»

Was war der Treiber im Rohrleitungsbau?

Auf unsere Rohrleitungssparte ist bis auf Bundesebene Verlass, haben wir doch in der schärfsten Energiekrise der Schweiz helfen dürfen, das Ersatzkraftwerk in Birr zu bauen. Davon hat die von uns übernommene Josef Muff AG profitiert. Wir arbeiten im Rohrleitungsbau wie auch in allen anderen Sparten nach einem ähnlichen Prinzip: Der Nachhaltigkeitseffekt ist nicht zu unterschätzen.

Weiss+Appetito ist in Schweiz, Deutschland, Österreich und Frankreich. Wo wachsen Sie im Moment am stärksten?

Grundsätzlich sind wir bestrebt, pro Sparte profitabel zu wachsen. Da spielen die Länder eher eine untergeordnete Rolle.

Könnte eine weitere Niederlassung bald einmal hinzukommen?

In der gerade erneuerten und an der letzten GV im Juni verkündeten Strategie 2025-2028 der Weiss+Appetito Gruppe versprechen wir unseren Aktionärinnen und Aktionären, aus der eigenen Stärke heraus weiterzuwachsen, sofern der sehr schmerzende Fachkräftemangel in der Schweiz dies zulässt. Opportunitäten werden angeschaut, sind aber nicht Bestandteil der Strategie.

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