Walter Kunz, Geschäftsführer SRV. (Foto: SRV)
von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Kunz, im vergangenen Jahr hat ein durchschnittliches Reisebüro 5,12 Mio Franken Umsatz generiert, 9 % mehr als im schwachen Jahr 2011. Wie zufrieden sind Sie mit der Steigerung?
Walter Kunz: Wir sind mit dem Umsatzzuwachs zufrieden. Es geht wieder in die richtige Richtung.
Die Nettorendite hat sich von 1,0 auf 1,2 % verbessert. Welchen Zielwert haben Sie hier im Visier?
Die Nettorendite ist nach wie vor nicht befriedigend. Ein Minimalziel von 2% müsste eigentlich kurzfristig wieder zu erreichen sein.
Viele Reisebüros sind in den letzten Jahren den Herausforderungen wie Online-Konkurrenz, sinkende Loyalität der Kunden, Wirtschaftskrise, Reiseangst etc. zum Opfer gefallen. Wie präsentiert sich der Reisebüro-Markt heute?
Betreffend Loyalität muss ich Ihnen widersprechen. Die Kunden kehren wieder vermehrt ins Reisebüro zurück, während der Online-Markt stagniert. Allerdings hat in den letzten 10 Jahren unbestritten eine Konsolidierung im Markt stattgefunden und viele Reisebüros sind verschwunden. Trotzdem haben wir in der Schweiz aber nach wie vor die höchste Reisebürodichte pro Einwohner.
Wie zuversichtlich zeigen sich die Reisebüros für die unmittelbare Zukunft?
Durchaus positiv, auch wenn wir immer wieder mit äusseren, nicht beeinflussbaren Faktoren leben.
Welche Reisen und Destinationen liegen besonders im Trend?
Für die bevorstehende Wintersaison sind sicherlich wieder die klassischen Badeferiendestinationen in der Karibik, die Malediven und Reisen in ferne Länder wie z.B. Asien beliebt in denen Rundreisen jeglicher Art – ob begleitet oder individuell – mit einem Strandaufenthalt kombiniert werden können.
Ägypten ist für die Reisebüros gerade für Herbst und Winter eine wichtige Destination. Lässt sich abschätzen, welche Folgen die Situation in Ägypten haben wird?
Der Ausfall von Ägypten in den Herbstferien schmerzt definitiv. Weil Ägypten ein Land mit so vielen Facetten ist, dürfte der bevorstehende Winter nicht leicht zu kompensieren sein. Wir hoffen für und mit der Bevölkerung, dass die Reisewarnung des EDA aufgehoben wird, damit möglichst schnell wieder Ruhe einkehrt und die Touristen zurückkehren.
«Wenn jemand jetzt Angst hat an eine bestimmte Destination zu reisen, obwohl es dort absolut ruhig ist, dann ist er gut beraten eine andere Destination zu wählen.»
Sie haben die externen Faktoren angesprochen: Kriegerische Auseinandersetzungen, Terrorismus, Naturkatastrophen etc. belasten die Reisebranche und mit ihr die Reisebüros. Wie lassen sich dadurch entstehende Nachfrageschwankungen zumindest teilweise kompensieren?
Die Reisebranche lebt seit Jahren mit solchen externen Faktoren und muss sich flexibel zeigen. Die Nachfrageschwankungen in einer Destination werden meist durch andere Reiseziele kompensiert. Die Kanarischen Inseln, das Festland in Spanien, die Türkei und Griechenland haben beispielsweise jetzt den Grossteil der Ägypten Buchungen aufgefangen.
Die Reisenden erachten Unruhen und Terror mit Abstand als grösste Risiken, obwohl bisher nur wenige tatsächlich davon betroffen waren. Wie können Reisebüros in ihren Beratungen diese Diskrepanz aufzeigen?
Individuelles Empfinden der Kunden ist nicht zu hinterfragen. Wenn jemand jetzt Angst hat an eine bestimmte Destination zu reisen, obwohl es dort absolut ruhig ist, dann ist er gut beraten eine andere Destination zu wählen.
Die Qualität der Beratung ist das wichtigste Kriterium für die Wahl eines Reisebüros. Welches sind die weiteren wichtigen Faktoren?
Die Beratung ist vor der Reise. Die Leistung des Reisebüros bietet aber weit mehr. Sie haben jederzeit eine Anlaufstelle und Kontaktperson, während und auch nach der Reise.
«Ich glaube, dass bei vielen Ferienreisen die Beratung und der persönliche Kontakt wieder vermehrt in den Vordergrund rücken werden.»
Die Reisebüros verzeichnen einen stabilen Marktanteil von 17 %, Internetbuchungen stagnieren erstmals auf hohem Niveau, was doch eher überrascht. Wo sehen Sie die Gründe?
Der 17% Reisebüroanteil bezieht sich auf den stationären Vertrieb, selbstverständlich haben auch wir von Internetbuchungen profitiert. Aber jeder wachsende Markt kommt irgendwann mal an seine Grenzen. So gesehen bin ich nicht überrascht und glaube, dass bei vielen Ferienreisen die Beratung und der persönliche Kontakt wieder vermehrt in den Vordergrund rücken werden.
Es gibt grosse Differenzen im Buchungsverhalten von Jung und Alt. Eine grosse Mehrheit der Jugendlichen bucht online, während viele Senioren lieber ins Reisebüro gehen, auch, weil viele von ihnen gar keinen Internetzugang haben. Dies dürfte aber je länger je weniger der Fall sein. Könnte also die demographische Entwicklung zu einem weiteren Anstieg des Online-Segments auf Kosten der Reisebüros führen?
Die grosse Differenz im Buchungsverhalten zwischen Jung und Alt ist zu relativieren. Es ist lediglich so, dass heute eine einfach zu buchende Reise wie beispielsweise ein Städteflug an eine vertraute Destination eher übers Internet gebucht wird als eine Fernreise. Da ältere Leute meist über ein grösseres Budget verfügen, buchen sie natürlich auch die komplexeren Reisen.
Eine grosse Rolle spielen Internet, mobile Kommunikation und Social Media nicht nur bei Reisebuchungen, sondern auch bei der Informationsbeschaffung, Preisvergleichen, Empfehlungen etc. Wie müssen Reisebüros auf diese Herausforderungen reagieren?
Wir müssen genau diese Plattformen selber für uns auch nützen. Heute ist der Konsument viel besser orientiert. Aber den Überblick über all die Angebote, Hotspots und Trends hat das Reisebüro und kann diese mit Rat und Tat für ein geringes Beratungshonorar weitergeben. Ein kleiner Betrag, der sich lohnt – für die schönsten Tage im Jahr!
Herr Kunz, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Walter Kunz (Jg 1961)
- 1999 – heute Schweizerischer Reisebüro-Verband, Zürich Geschäftsführer
- 1998 1 Jahr ITV (Imholz-TUI-Vögele) Reisen AG, Zürich Leiter Produktion Städte- und Kulturreisen
- 1996 – 1997 2 Jahre Imholz Reisen AG, Zürich Ressortleiter Spezialreisen (Mitglied der Geschäftsleitung)
- 1995 – 1996 7 Monate Airtour Suisse SA / CIS Club Intersport, Ostermundigen Vorsitzender der Geschäftsleitung
- 1989 – 1995 6 Jahre Imholz Reisen AG, Zürich Profitcenter-Leiter, Abteilung Städtereisen und Badeferien / Rundreisen Ägypten
- 1985 – 1989 4 Jahre Imholz Reisen AG, Zürich Area Manager, Abteilung Planung / Einkauf Städte- und Rundreisen
- 1982 – 1985 3 Jahre Kuoni Reisen AG, Baden Reiseberater, Schalterverkauf
- 1980 – 1982 2 Jahre Kuoni Reisen AG, Zürich (Filialen Wiedikon und Bahnhofplatz) Reiseberater, Schalterverkauf Europa
- 1977 – 1980 3 Jahre Reisebüro Traveller AG, Schlieren Kaufmännische Lehre