Walter Oberhänsli, CEO Zur Rose Group, im Interview

Walter Oberhänsli, CEO Zur Rose Group, im Interview
Walter Oberhänsli, CEO Zur Rose Group. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Oberhänsli, Zur Rose hat im vergangenen Jahr die Milliardengrenze beim Umsatz nur knapp verpasst. Besonders in Deutschland konnte Zur Rose mit einem Plus von 18% stark zulegen. Welches waren die Erfolgsfaktoren?

Walter Oberhänsli: Wir konnten ein Jahr nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in unserem Geschäft mit rezeptpflichtigen Medikamenten wieder deutlich zulegen, nachdem die regulatorische Wettbewerbsbremse als Folge des Urteils weggefallen war. Auch im Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten sind wir deutlich über dem Markt gewachsen.

In der Schweiz betrug das Plus 6,3%. Wie erklären Sie das ungleich höhere Wachstum von über 11% im 4. Quartal?

Mitte 2017 haben wir die Bereinigung nicht ausreichend profitabler Umsätze im Bereich Specialty Care abgeschlossen, womit die Neuausrichtung dieses Geschäfts greifen konnte. Dieser Effekt hat sich im Umsatz des vierten Quartals weiter akzentuiert. Des Weiteren ist die neue Shop-in-Shop-Apotheke in Bern erfolgreich angelaufen.

«Das Deutschland-Geschäft ist ein wichtiger Wachstumstreiber innerhalb der Zur Rose-Gruppe. 2017 haben wir knapp die Hälfte des Umsatzes in Deutschland erwirtschaftet.»
Walter Oberhänsli, CEO Zur Rose Group

Zur Rose hat stark in das Wachstum in Deutschland investiert. Wie unterscheiden sich der deutsche und der Schweizer Markt?

Die beiden Märkte unterscheiden sich insbesondere regulatorisch. Während es innerhalb Deutschland im rezeptpflichtigen Segment ein Festpreissystem gibt und Rabatte aufgrund des erwähnten Urteils nur aus dem EU-Ausland erlaubt sind, haben wir in der Schweiz ein Höchstpreissystem. Hingegen hinkt die Schweiz im E-Commerce-Bereich dem übrigen Europa hinterher. Hierzulande ist der Versand rezeptfreier Arzneimittel bekanntlich verunmöglicht worden, wodurch der Konsument in seiner Wahlfreiheit massiv beschnitten wird. Das Deutschland-Geschäft ist ein wichtiger Wachstumstreiber innerhalb der Zur Rose-Gruppe. 2017 haben wir knapp die Hälfte des Umsatzes in Deutschland erwirtschaftet.

In welchen Medikamenten-Bereichen verzeichnen Sie die höchsten Wachstumsraten?

In den vergangenen drei Geschäftsjahren wuchs das preissensitive Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten in Deutschland am deutlichsten. Doch auch im Bereich der rezeptpflichtigen Arzneimittel greift die Ende 2016 eingeleitete Wachstumsstrategie. Dieses Geschäft weist aufgrund des höheren Warenkorbs, der höheren Bestellhäufigkeit und der stärkeren Kundenbindung ein attraktiveres finanzielles Profil auf als der Versand rezeptfreier Medikamente.

Zur Rose hat im vergangenen Jahr die Eurapon Pharmahandel GmbH in Bremen und die Versandapotheke Vitalsana B.V. in den Niederlanden übernommen. Wie sehen die weiteren Schritte der Wachstumsstrategie und der damit einhergehenden Internationalisierung aus?

Wir verfolgen weiterhin das Ziel, an der Marktkonsolidierung aktiv teilzunehmen. Mit Eurapon und Vitalsana ist uns das bereits geglückt. Dies stimmt uns sehr zuversichtlich, die weitere Marktkonsolidierung erfolgreich zu nutzen. Wir möchten unsere führende Stellung im Arzneimittelversand in Europa weiter ausbauen und durch Innovation im Gesundheitswesen überzeugen.

«Wir sehen eine Anzahl von gegen 25 Shop-in-Shop-Apotheken als plausibel, vornehmlich in Gegenden ohne ärztliche Medikamentenabgabe.»

In der Schweiz bauen Sie das Shop-in-Shop-Konzept mit der Migros aus. Welche Bilanz ziehen Sie ein halbes Jahr nach Eröffnung der ersten Apotheke in einer Migros-Filiale in Bern?

Die Shop-in-Shop-Konzept mit unserem attraktiven Preismodell wird von den Kunden sehr gut angenommen, daher ist unser Fazit klar: Wir machen weiter und bauen weitere Standorte.

Standorte in Basel und Zürich stehen als nächstes an. Wie sehen die weiteren Ausbaupläne aus? Wie viele Filialen sind vorstellbar und welche Rolle spielen dabei die Standorte?

Es ist nicht unser Ziel, eine Apothekenkette zu errichten. Wir sehen eine Anzahl von gegen 25 Shop-in-Shop-Apotheken als plausibel, vornehmlich in Gegenden ohne ärztliche Medikamentenabgabe.

Zumindest auf den ersten Blick ist dieses Shop-in-Shop-Konzepts für ein Unternehmen, das im Online-Handels gross geworden ist, ungewöhnlich. Welche Strategie steckt dahinter?

Die stationäre Präsenz erhöht die Visibilität und die Bekanntheit der Marke Zur Rose. Aber hinter dem Konzept steckt ja letztlich mehr. Wir verbinden verschiedene Absatzkanäle – Stichwort „Omni-Channel“ – und ermöglichen damit ein kanalübergreifendes Einkaufen. Gleichzeitig profitieren die Kunden kanalunabhängig von sehr attraktiven Preisen. Unsere rezeptpflichtigen Medikamente sind durchschnittlich 12 Prozent, die rezeptfreien 10 bis 35 Prozent günstiger als in anderen Apotheken.

Stationäre Apotheken werden immer mehr als Gesundheitscoach und Dienstleister gesehen und nicht als reine Medikamentenverkäufer. Wie gehen Sie mit dieser Herausforderung um?

Die Menschen sind – den digitalen Möglichkeiten sei Dank – im Gegensatz vor noch 50 Jahren viel besser informiert und sensibilisiert. Es genügt nicht, ein Medikament einfach von A nach B zu versenden. Der Kunde erwartet zusätzliche Dienstleistungen. Neue digitale Services schaffen einen echten Mehrwert, wie zum Beispiel unsere DocMorris-App, mit der jeder Kunde seine gesamte Medikation jederzeit abrufen und Wechselwirkungsprüfungen durchführen kann, oder das elektronische Rezept, das Zur Rose bereits 2001 eingeführt hat, um nur zwei Beispiele zu nennen. Auf der anderen Seite stehen wir vor der Herausforderung des zunehmenden Kostendrucks im Gesundheitswesen. Mit unserem Geschäftsmodell leisten wir Beiträge für eine hochwertige Gesundheitsversorgung und verringern die Kostenbelastung für das System und die Versicherten.

Im vergangenen Herbst hat Zur Rose zusammen mit dem Krankenversicherer KPT ein neues Grundversicherungsmodell lanciert. Dabei erhalten Versicherte 20% Prämienrabatt, wenn sie zuerst ein telemedizinisches Beratungszentrum kontaktieren und rezeptpflichtige Medikamente ausschliesslich beim behandelnden Arzt oder eben bei Zur Rose beziehen. Was erwarten Sie sich von diesem Angebot?

Das Modell stösst auf Interesse bei den Kunden, denn es ist ein Angebot im Sinne des Prämienzahlers. Der Kunde profitiert von der Prämienreduktion und spart auch bei den Medikamentenkosten. Zur Rose verfügt über effiziente Prozesse. Diese Kostenvorteile geben wir weiter. Eine klassische Win-Win-Situation.

Herr Oberhänsli, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
1958, Schweizer, lic. iur., Rechtsanwalt

Von 1996 bis 2011 Präsident des Verwaltungsrats, seit 2005 Delegierter des Verwaltungsrats und Vorsitzender der Gruppenleitung (CEO). Bis Ende 2004 selbstständiger Rechtsanwalt in Kreuzlingen (TG). Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Zürich.

Zum Unternehmen:
Die Schweizer Zur Rose-Gruppe ist mit ihren Marken Zur Rose und DocMorris Europas grösste Versandapotheke und eine der führenden Ärztegrossistinnen in der Schweiz. Mit ihrem Geschäftsmodell trägt sie zu einer sicheren und qualitativ hochwertigen pharmazeutischen Versorgung bei. Sie zeichnet sich zudem aus durch die Entwicklung von innovativen Dienstleistungen im Bereich Arzneimittelmanagement, um die Wirksamkeit des Medikationsprozesses zu erhöhen. Dieses Schaffen von Mehrwerten, die ausgeprägte Patientenorientierung sowie der Anspruch einer kostengünstigen Medikamentenversorgung machen die Unternehmensgruppe zu einem wichtigen strategischen Partner für Leistungserbringer, Kostenträger und Industrie.

Der operative Sitz der Zur Rose-Gruppe befindet sich in Frauenfeld, von wo aus auch der Schweizer Markt bedient wird. Die Kunden in Deutschland und Österreich werden hauptsächlich von Heerlen (NL) aus beliefert. Im Weiteren hält die Gruppe eine Mehrheitsbeteiligung an BlueCare in Winterthur, dem marktführenden Anbieter von vernetzenden Systemen im Schweizer Gesundheitswesen. Die Zur Rose-Gruppe beschäftigt an den verschiedenen Standorten über 1000 Mitarbeitende und erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2017 einen Umsatz von 983 Millionen Franken.

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