Yves Schneuwly, Geschäftsführer Coople Schweiz, im Interview

Yves Schneuwly

Yves Schneuwly, Geschäftsführer Coople Schweiz. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Schneuwly, Coople ist in der Schweiz führend bei der Vermittlung von kurzfristig einsetzbaren, temporären Arbeitskräften. Wie hat sich das Geschäft mit den sogenannten Flexworkern durch die Coronakrise verändert?

Yves Schneuwly: Alles in allem kann man sagen, dass sich der Trend hin zu flexiblem Personal weiter verstärkt. Schon vor Covid-19 befanden wir uns im sogenannten «Business 4.0», welches durch Hyperschwankungen geprägt ist. Covid-19 hat diese Hyperschwankungen noch stärker akzentuiert und darüber hinaus mit einem sehr kurzen Planungshorizont gepaart. Unternehmen müssen dieser Situation mit einem erhöhten Level an Flexibilität begegnen, insbesondere auf der Personaldimension. Über die letzten Monate – insbesondere während dem Lockdown und in den ersten Wochen der Wiedereröffnung – wurde deutlich, welch tragende Rolle Flexworker in unserer Wirtschaft spielen und wie entscheidend ein flexibler Personalkörper für ein Unternehmen ist.

Während z.B. die Eventbranche am Boden liegt, boomt der Onlinehandel. In welchen Segmenten war die Nachfrage gerade bei der ersten Welle und dem Lockdown besonders hoch?

Sie sprechen es richtig an: der Onlinehandel erlebt gerade einen regelrechten Boom und die anstehenden Shopping-Events wie Black Friday und das Weihnachtsgeschäft werden die Online-Händler in den kommenden Wochen wohl vor ganz neue Herausforderungen stellen. Neben der stark gestiegenen Nachfrage nach Personal in der Logistik hat die Nachfrage auch im Food Delivery, im Kundendienst (z.B. bei Versicherungen) oder dem klassischen Detailhandel zugenommen. Letzterer hatte insbesondere mit dem Rollout der Schutzkonzepte alle Hände voll zu tun.
Erwähnenswert sind auch die “Sektorenverschiebungen” der Arbeitskräfte. So konnten wir als digitale Plattform etwa die Verschiebung von Mitarbeitenden aus der Gastronomie, Hotellerie oder der Event-Branche in die Landwirtschaft im Frühjahr dieses Jahrs massgeblich vereinfachen und unterstützen.

Zeigt sich dieser Tage ein ähnliches Bild wie im Frühling?

In der zweiten Welle zeichnen sich jetzt ähnliche Trends ab. Allerdings sind die Unternehmen deutlich besser vorbereitet und berücksichtigen die Planung des Personalkörpers in ihren Krisenszenarien. Aktuell sehen wir, dass insbesondere Covid-19 bedingte Fehlzeiten (Krankheit oder Quarantäne) viele Unternehmen vor grosse Herausforderungen stellen.

Unternehmen haben inzwischen erkannt, dass die zweite Welle ein Marathon wird. Entsprechend haben sie Vorkehrungen getroffen, um auf alle möglichen Planungsszenarien vorbereitet zu sein. Die richtige Planung kann in Krisen den entscheidenden Unterschied machen und die Flexibilisierung des Teams spielt dabei eine bedeutende Rolle.

Bezüglich Sektorenverschiebung sehen wir gerade jetzt eine Verschiebung von Personal in den Logistik-Bereich, etwa Personen aus dem Event-Bereich oder der Hotellerie.

«Unternehmen haben inzwischen erkannt, dass die zweite Welle ein Marathon wird. Entsprechend haben sie Vorkehrungen getroffen, um auf alle möglichen Planungsszenarien vorbereitet zu sein.»
Yves Schneuwly, Geschäftsführer Coople Schweiz

Die Möglichkeit der flexiblen Einsetzbarkeit ist meist auch dem Umstand geschuldet, dass es sich um nicht allzu komplexe Arbeitsbereiche handelt. Stimmt dieses Bild, oder gibt es auch Aufgaben in anspruchsvollen Bereichen mit Bedarf an hochqualifizierten Mitarbeitenden?

Das Bild stimmt meines Erachtens nicht. Entscheidend ist, was unter Komplexität verstanden wird. Metzger, Staplerfahrer, gelerntes Verkaufspersonal oder gelernte Gebäudereinigungsfachkräfte sind sehr anspruchsvolle und gefragte Profile.
Bei hochqualifizierten Profilen sehen wir in der Branche zum Beispiel, dass während Corona auch deutlich häufiger auf hochspezialisierte Freelancer zurückgegriffen wird. Der Hintergrund ist der gleiche: Das Unternehmen setzt auf die Flexibilität. Flexibilität zieht sich über alle Qualifikations-Levels.

Flexibilität ist bei Unternehmen wie auch Arbeitnehmenden gefragt. Wie weit voraus planen Unternehmen dieser Tage denn noch im Personalbereich?

Wir haben im September zusammen mit dem unabhängigen Marktforschungsinstitut «GIM Suisse» eine Umfrage durchgeführt. Dabei hat sich gezeigt, dass ungefähr die Hälfte aller befragten Unternehmen externe temporäre Mitarbeiter weniger als 7 Tage im Voraus planen. 33% der Befragten planen mit einer Vorlaufzeit von 1-4 Wochen. Der Rest plant mehr als 4 Wochen im Voraus.

«Bei unserem wahrscheinlich schnellsten Einsatz war der Arbeitnehmer weniger als 30 Minuten nachdem der Job geschaltet wurde bereits vor Ort.»

Wenn sich Unternehmen entscheiden, jemanden über Coople zu suchen: Gibt es einen Mittelwert, wie schnell die Position besetzt werden kann?

Als digitale Plattform mit einem sehr liquiden Marktplatz (viele Jobs/ Nachfrage, viele Arbeitnehmer/ Angebot) gelingt es uns, viele Einsätze innerhalb kürzester Zeit zu besetzen. Mit kurzer Vorlaufzeit klar zu kommen ist eine unserer USPs.

Mittelwerte sagen nicht viel aus, da die Bedürfnisse unserer Kunden sich stark unterscheiden. Um ein paar Beispiele zu nennen: Wir haben mehrere hundert Personen landesweit über ein Wochenende rekrutiert. Bei unserem wahrscheinlich schnellsten Einsatz war der Arbeitnehmer weniger als 30 Minuten nachdem der Job geschaltet wurde bereits vor Ort.

Die letzten Monate haben das Berufsleben vieler Menschen auf den Kopf gestellt. Glauben Sie, dass der Trend hin zum vermehrten Einsatz von flexiblen, temporären Arbeitskräften nachhaltig sein wird?

Ja, absolut. Die Zukunft ist flexibel. Durch die Digitalisierung hat sich Flexwork zudem von einer Notlösung zu einer etablierten, weil zeitgemässen Arbeitsform für Arbeitnehmer entwickelt. Flexworker sind keine zweitklassigen Mitarbeiter. Sie sind oft sehr ambitioniert und nutzen flexible Arbeit, um sich Möglichkeiten für den beruflichen Aufstieg zu schaffen. Dies ist besonders für Quereinsteiger relevant, da die Reputation auf unserer Plattform mit der Zeit wichtiger ist als der CV. Ehrgeiz wird belohnt und wir haben unzählige Beispiele von Cooplern, die durch flexible Arbeit ihre Ziele erreicht haben. Wir möchten, dass flexibles Arbeiten zu einem Erlebnis wird, das sich auszahlt – heute und in Zukunft sowie für Arbeitskräfte und Unternehmen gleichermassen.

Sind Arbeitssuchende auf Coople nur an temporären Engagements interessiert oder sehen viele Coople auch als Sprungbrett, resp. als Chance, längerfristig wieder im Arbeitsmarkt Fuss zu fassen?

Sowohl als auch. Wir sehen, dass es verschiedene Typen von flexiblen Arbeitskräften gibt. Unsere beiden grössten Segmente sind die «top-up temps» und die «ladder climbers» – wie wir sie nennen. Erstere suchen nach einem regelmässigen Einkommen, um die Deckung wesentlicher Kosten sicherzustellen und Lücken zu füllen, ohne sich zu überlasten. Die «ladder climbers» hingegen suchen nach Gelegenheiten zum Erwerb neuer Fähigkeiten und Erfahrungen, um in ihrem Arbeitsleben mehr Erfolg erzielen zu können. Sie suchen aktiv nach Wegen zurück in die Vollzeitbeschäftigung.

«Wir möchten, dass flexibles Arbeiten zu einem Erlebnis wird, das sich auszahlt – heute und in Zukunft sowie für Arbeitskräfte und Unternehmen gleichermassen.»

Wie hat die Coronakrise die Arbeit bei Coople selbst verändert?

Als erfolgreiches Schweizer Scale-Up sind wir an eine dynamische und hohe Pace gewohnt. Covid-19 hat uns nochmals gezeigt, wie wichtig es ist, als Unternehmen agil und flexibel zu bleiben. Natürlich halten wir uns an die Anweisungen des Bundes und stellen auch sicher, dass unsere Einsatzbetriebe Schutz-Massnahmen einhalten, um die Gesundheit unserer Coopler zu gewährleisten.

Wie viele Mitarbeitende beschäftigt Coople?

Coople beschäftigt aktuell rund 150 fest angestellte Mitarbeiter.

Und für das Engagement der eigenen Mitarbeitenden nutzen Sie natürlich die eigene Plattform…

Wir haben eine gute Balance aus Festangestellten Mitarbeitern, Freelancern und temporären Mitarbeitern. Letztere finden wir selbstverständlich auf unserer eigenen Plattform. Und nochmal zurück zu einer Ihrer vorherigen Fragen: Einige unserer festangestellten Mitarbeiter haben ursprünglich als Coopler bei uns angefangen. Besonders in unseren Produkt- und Marketingteams sind diese Mitarbeiter unersetzlich, da ihr Verständnis für unsere Kunden einmalig ist.

Neben der Schweiz bietet Coople seine Plattform auch in England an. Inwieweit beeinflussen die landesspezifischen Arbeitsgesetze die Expansion?

Wir schauen uns immer an, wie gross das Marktpotenzial in einem Markt ist und wie liberal das Arbeitsgesetz ist. England bietet in beiden Dimensionen sehr viel und ist, was die gesellschaftliche Akzeptanz von flexibler Arbeit betrifft, der Schweiz ein grosses Stück voraus.

Unsere automatisierte Abwicklung von Administration und Lohnbuchhaltung muss natürlich in jedem Land angepasst werden. Hier kommt uns zugute, dass die Komplexität der Schweizer Arbeitsgesetze deutlich höher ist als in fast jedem anderen Markt. Dies gibt uns direkt einen Startvorteil.

Herr Schneuwly, besten Dank für das Interview.

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