Zeno Staub, CEO Vontobel, im Interview

Vontobel-CEO Zeno Staub. (Foto: Vontobel)

von Sandra Willmeroth

Moneycab.com: Können Sie bereits abschätzen, welche Spuren die Corona-Krise in der Bilanz von Vontobel hinterlassen wird?

Zeno Staub: Bis zum weltweiten Ausbruch des Coronavirus und den Börsenturbulenzen sind wir erfolgreich in das neue Jahr gestartet. Sowohl mit Blick auf neues Geschäft mit unseren bestehenden und neuen Kunden wie auch auf die Entwicklung der Profitabilität waren wir sehr zufrieden. Der Ausbruch der Corona-Pandemie ausserhalb von Asien und auch der Ölpreisschock mit den darauffolgenden Börsenturbulenzen änderten das Bild natürlich. Die Marktkrise hinterlässt auch Spuren auf der Ertragsseite. Aber wir sind in Anbetracht der Umstände recht zufrieden. Die in den vergangenen Jahren konsequent vorangetriebene Diversifizierung des Investmentgeschäfts wirkt sich mildernd aus. Hinzu kommt, dass wir als Investmenthaus mehr als 80 Prozent unseres Geschäfts mit Beratungs- und Vermögensdienstleistungen erzielen und traditionell kein allgemeines Kreditgeschäft betreiben. Damit sind wir auch für ein wirtschaftliches Umfeld, das durch eine allgemeine Rezession geprägt ist, solide aufgestellt.

Wie haben sich Netto-Neugeld-Zufluss und die betreuten Kundenvermögen verändert seit Ausbruch der Krise? Von Januar bis 24. März gaben Sie einen Rückgang der verwalteten Vermögen um 14% auf 194 Milliarden an. Hat sich dieser Trend noch weiter akzentuiert?

Die Börsenturbulenzen trüben auch den insgesamt positiven Netto-Neugeld Trend. Ungeachtet dessen lag der Nettozufluss per 24. März 2020 annualisiert über dem Zielband in Höhe von 4-6 Prozent. Und trotz der allgemeinen Zurückhaltung gewinnen wir auch in Zeiten von Corona neue Kunden und auch Nettoneugeld. In Zeiten, in denen die Märkte nicht nur einen Trend kennen, kommen aktiv gemanagte Anlageprodukte noch stärker in den Fokus der Investoren. Aktives Anlagemanagement ist es, wofür Vontobel mit seinen weltweit rund 300 Investmentexperten steht und wir wollen wir die Chancen, die sich aus einer Krise ergeben, nutzen.

«Sollte eine Systemkrise dank der ausgiebigen Hilfe der weltweiten Zentralbanken und Regierungen ausbleiben, was zu erwarten ist, rechnen wir mit einer Fortsetzung der Erholung an den Finanzmärkten.»
Zeno Staub, CEO Vontobel

Rechnen Sie mit einer zügigen Erholung an den Kapitalmärkten sobald ein Abflachen der weltweiten Pandemie absehbar ist? Oder wird es länger dauern, bis die Kursverluste wieder ausgeglichen sind?

Sollte eine Systemkrise dank der ausgiebigen Hilfe der weltweiten Zentralbanken und Regierungen ausbleiben, was zu erwarten ist, rechnen wir mit einer Fortsetzung der Erholung an den Finanzmärkten. Zwar werden in den nächsten Wochen viele Unternehmen teilweise massive Verluste hinnehmen müssen, doch die Kapitalmärkte blicken voraus, nicht zurück. Sollten die «Shutdowns» der Wirtschaft nach und nach gelockert werden und neue Einschränkungen ausbleiben oder wenig restriktiv ausfallen, dürften auch die Gewinne wieder steigen. Gleichzeitig sorgen die Notenbanken für immer mehr Liquidität, welche auch ihren Weg in die Kapitalmärkte finden sollte. Sofern es zu keiner grossen zweiten Ansteckungswelle im Laufe des Jahres kommt, wird sich das Augenmerk meiner Meinung nach allmählich wieder auf andere Themen als Corona richten. Es stehen US-Präsidentschaftswahlen an, der Handelskonflikt zwischen China und den USA ist noch lange nicht beigelegt und die Brexit-Verhandlungen müssen weitergeführt werden.

Was wird mittelfristiger schwieriger zu verkraften sein: Die Rezession in den USA oder der Ölpreisschock?

Eine Rezession in den USA, die mittelfristig anhalten würde, wäre für die Weltwirtschaft sehr schwer zu verkraften. Aber grundsätzlich bedingen sich Rezession und Ölpreis gegenseitig. Eine US-Rezession mit stark sinkender Nachfrage nach Energie drückt die Energie- und damit die Ölpreise weiter nach unten. Gleichzeitig erhöht der tiefe Ölpreis die Gefahr von Kreditausfällen in den USA und auch sonst auf der Welt, da gewisse Ölfirmen aufgrund der tiefen Preisen ihre Ausgaben nicht mehr decken können. Anderseits sind aber tiefe Energiepreise gut für den Konsum, da die Haushalte weniger für die Energienutzung ausgeben müssen. Das gilt leider nur, wenn die Konsumenten auch konsumieren und reisen dürfen – was sie aktuell wegen den Restriktionen nicht können. Werden diese wieder gelockert, sollte ein tiefer Ölpreis auch Gewinner generieren und so die wirtschaftlichen Effekte wieder ausbalancieren können.

Vontobel hat sich in den letzten Monaten mit dem Rückzug aus dem Kapitalmarktgeschäft neu erfunden. Ist die interne Reorganisation abgeschlossen?

Zum Jahreswechsel hatten wir die neue Aufstellung umgesetzt. Und die Viruskrise hat gezeigt, dass wir sie auch schon leben. Denn es ging uns nicht darum, ein Organigramm umzubauen, sondern wir wollen mit der Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, wie wir uns organisieren, in allem was wir tun, den Kunden in den Mittelpunkt stellen. Wenn man das möchte, darf man nicht in Produktsilos denken und arbeiten, weil der Kunde heute vermehrt auch nicht mehr in Produktkategorien denkt, sondern eine Lösung für sein aktuelles Anliegen sucht. Und dies möglichst schnell und unkompliziert, so wie er es von den Apps auf seinem Smartphone kennt. Daher investieren wir auch in neue Technologien und in Menschen.

«Die Corona-Krise hat keinen Strich durch die Rechnung gemacht, sondern vielmehr die Richtigkeit unserer Strategie bestätigt.»

Vontobel will sich auf die Beratung konzentrieren, hiess es. Da dürfte Ihnen Corona nochmals einen unerwarteten Strich durch die Rechnung gemacht haben.

Die Corona-Krise hat keinen Strich durch die Rechnung gemacht, sondern vielmehr die Richtigkeit unserer Strategie bestätigt. Als Investmenthaus, das mehr als 80 Prozent seines Geschäfts mit Beratungs- und Vermögensdienstleistungen macht und keine Unternehmensfinanzierungen anbietet, sein Wealth Managementgeschäft nicht durch ein aggressives Kreditgeschäft ausweitet, sind wir für das wirtschaftliche Umfeld solide aufgestellt. Wichtiger ist aber, dass das Virus keine systemische, sondern eine anlassbezogene Krise hervorgerufen hat. An den Themen, die unsere Kunden bewegen – niedrige Zinsen, Rentenlücke, geopolitische Fragen – hat sich nichts geändert. Der Anlagebedarf ist nicht kleiner, die Welt ist nicht einfacher geworden – im Gegenteil.

Wie digital sind Ihre Services aufgestellt?

Wir haben in den vergangenen Jahren gezielt in unsere technologische Infrastruktur investiert. Unsere Systeme sind nicht nur stabil – wie die Schwarzen Wochen im März zeigten – sie dienen auch als Basis für unsere digitalen Kundenapplikationen. Wir werden in Zukunft gezielt unser digitales Kundenerlebnis aber auch unser Plattformen wie Deritrade oder auch Cosmofunding weiter ausbauen. Gleiches gilt für unsere digitalen Services für externe Asset Manager, die unsere Kunden sind. Wir werden weitere Erfahrungen mit unserer digitalen Vermögensverwaltung Volt sammeln. Raiffeisen wird basierend auf unserer Technologie im Sommer dieses Jahres ein eigenes digitales Angebot auf den Markt bringen. Und wir werden Technologie verstärkt einsetzen, um noch enger mit unseren Kunden zu kommunizieren.

«Die Coronakrise zeigt, dass die Kunden es sehr schätzen, wenn ihr Investmentberater auch in schwierigen Märkten für sie da ist und relevante Informationen zur Lage an den Märkten zur Verfügung stellt.»

Wie digital affin ist Ihre Kundschaft?

Die Coronakrise zeigt, dass die Kunden es sehr schätzen, wenn ihr Investmentberater auch in schwierigen Märkten für sie da ist und relevante Informationen zur Lage an den Märkten zur Verfügung stellt. Wir haben hier verschiedene neue digitale Kommunikationsformate in den vergangenen Wochen ausprobiert, die von unseren Kunden sehr gut aufgenommen wurden. Hier werden wir weitermachen. Aber Technologie hilft uns ebenfalls, neue Kunden in Zeiten von Social Distancing zu gewinnen. So haben wir in den vergangenen Wochen traditionelle Wealth Management Kundenkonten auch digital eröffnet. Im Übrigen zeigen Umfragen, dass digitale Affinität nichts mit dem Alter oder dem Portemonnaie zu tun hat. Das bestätigt auch unsere praktische Erfahrung.

Wie hat Vontobel als Unternehmen auf die Krise reagiert? Kürzlich war zu lesen, dass Sie ihre Mitarbeitenden möglichst schnell wieder aus dem Homeoffice holen möchten…

Die Gesundheit unserer Mitarbeiter, deren Familien sowie von Kunden und Geschäftspartnern steht an erster Stelle. Aber so, wie das öffentliche Leben schrittweise in die Normalität zurückkehrt, so werden auch die Unternehmen unter Beachtung der Empfehlungen des BAG in einen normaleren Berufsalltag zurückkehren. Deshalb ermöglichen wir unseren Mitarbeitern, soweit dies möglich ist, wieder an ihren Arbeitsplatz, zu ihren Kolleginnen und Kollegen zurückkehren zu können. Wir haben in den vergangenen Wochen aber auch eine Vielzahl von wichtigen Erfahrungen gesammelt, wie effizient wir mit Technologie in Teams fernab des normalen Arbeitsumfeldes arbeiten können. Diese Erfahrungen nehmen wir mit in das New Normal, denn wir sind uns sicher, dass das Virus unser Verhalten auch über die aktuelle Pandemie hinaus verändern wird.

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