AdNovum: Fintech – Technologie als kritischer Erfolgsfaktor

AdNovum: Fintech – Technologie als kritischer Erfolgsfaktor
AdNovum-CTO Tom Sprenger. (Foto: AdNovum)

AdNovum-CTO Tom Sprenger ist Mitautor des Artikels. (Foto: AdNovum)

Zürich – Fintech, Financial Technology, hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt. Startups fordern mit innovativen, oft auch disruptiven Dienstleistungen und Produkten die etablierten Player im Finanzbereich heraus. Diese versuchen ihrerseits, mit Innovationen ihre Geschäftsmodelle zu retten. Welche Rolle spielen dabei die eingesetzten Technologien? Welche Strategien verfolgen die Anbieter diesbezüglich?

Begünstigt durch sinkende Technologiekosten und die zunehmende digitale Mündigkeit der Konsumenten haben Startups im Bereich Financial Technology eine grosse Vielfalt von innovativen Angeboten auf den Markt gebracht. Zunehmend treten auch etablierte Finanzdienstleister mit eigenen Fintech-Angeboten auf. Entsprechend den mit Finanzen verbundenen Bedürfnissen umfasst Fintech ein weit gestecktes Feld von Dienstleistungen und Produkten. Die Aktivität ist nicht nur international hoch, auch in der Schweiz ist ein dynamisches Fintech-Ökosystem mit über 100 Fintech-Unternehmen (1) entstanden.

Technologie als Enabler
Ein entscheidender Enabler für die neuen Business-Modelle ist die Technologie. Dies gilt für die Fintech-Startups, aber auch für Fintech-Projekte etablierter Finanzdienstleister, die die IT damit vermehrt wieder als erfolgskritisches Element einsetzen. Welche technologischen Strategien verfolgen Fintech-Anbieter und auf welchen Technologien bauen sie ihre Businesscases auf?

Als Enabler für Fintech-Angebote lassen sich die folgenden sechs grundlegenden Technologien identifizieren:

  • Kryptografie dient als Basis für die Blockchain-Technologie, mit der sich beispielsweise kryptografische Währungen wie Bitcoin und verteilte Echtzeit-Transaktionssysteme realisieren lassen. Anstatt auf eine zentrale Stelle wird das Vertrauen auf einen verteilten, quasi demokratischen Prozess gesetzt. Die Technologie besticht durch hohe Geschwindigkeit bei hoher Sicherheit und geringen Kosten.
  • Mobilitäts-Technologie ist auf Enduser-Seite durch Tablets, Smartphones und Smartwatches präsent, aber auch für Händler in Form spezifischer Hardware wie Kartenlesegeräte ergänzt durch die installierten Apps. Mobilität ermöglicht die persönliche, benutzerfreundliche, rasche (instant-on), zeit- und ortsunabhängige Nutzung von Angeboten. Typische Anwendungen sind Mobile Payment, Mobile Point-of-Sale (Z.B. Square, iZettle) und Mobile Banking.
  • Mit Big Data Analytics kann man Finanzdaten, aber z.B. auch das Benutzerverhalten analysieren. Als Mehrwert lassen sich so  Entscheidungshilfen, Simulationen, Prognosen und Optimierungsvorschläge erstellen, z.B. für eine Bankberatung durch den Robo-Advisor. Oft lassen sich so Personalkosten reduzieren. Big Data Analytics wird z.B. von Dataminr (Data Mining, für Fintech nutzbar) und 8 Now! (autom. Vermögensallokation) angewendet.
  • Mit der Social-Platform-Technologie lassen sich Einzelpersonen und Gruppen im Grossen vernetzen. Dies ermöglicht P2P- und Crowdsourcing Anwendungen. Der Nutzen besteht im  Zusammenbringen verschiedener Parteien sowie in Skaleneffekten (Social Scaling), aber auch in der Risikoverteilung. Zudem lassen sich so vernetzte Informationen gewinnen, die Plattformen können auch eine Quelle für Big Data sein. Beispiele von Anwendern sind: Advanon (Rechnungsfinanzierung), Lending Club (Darlehen), Crowdhouse (Immobilien), Ayondo und wikifolio (Social-Trading-Plattformen).
  • Automation erlaubt die schnelle und günstige Abwicklung formaler Prozesse bis hin zu automatisierten Analysen und Empfehlungen (Bsp. Robo-Advisor). Dies ermöglicht Angebote im Bereich margenschwache Volumengeschäfte verbunden mit Selfservice. Beispiele sind Foundbase (Investment), Crowdhouse (Immobilien) und TawiPay (Geldtransfer-Optimierung).
  • Dank Direct-Channel-Technologie können Anbieter direkt in Kontakt mit Endkunden treten und den Zwischenhandel umgehen. Sie können so Zeit und Kosten sparen, mit Endkunden Information austauschen und ihnen gegebenenfalls auch Selfservice anbieten. Beispiele sind Mobile-Payment-Lösungen wie Muume, Twint oder Paymit und Geld-Transfer-Anbieter wie TransferWise und Monetas.

Schweiz und international: ähnliches Bild
Welche dieser Technologien sind nun im Fintech-Markt wie verbreitet? Wir haben zwei Sets von erfolgreichen Fintech-Unternehmen untersucht, für die internationale Betrachtung die Fintech Unicorn List von Finovate mit 33 über 1 Mia. USD bewerteten Unternehmen (Mai 2015) (2), für die Schweiz die 10 ausgewählten Teilnehmer des Swiss FinTech Pitch (3).

Anzahl eingesetzter Enabler-Technologien bei den Unternehmen der Finovate Unicorn List (Bild: AdNovum)
Anzahl eingesetzter Enabler-Technologien bei den Unternehmen der Finovate Unicorn List (Bild: AdNovum)

Die Fintech-Anbieter bauen ihre Business-Cases oft auf mehrere dieser Technologien auf, meist auf eine Kombination von zwei oder drei davon. Dies zeigt sich bei der Unicorn List ebenso wie bei den Teilnehmern des Swiss FinTech Pitch.

Neue Businessmodelle, bewährte Enabler
Als aktuell bedeutendste Enabler-Technologien bei den Unicorns erweisen sich Automation und Direct Channel, sie sind doppelt so oft häufig zentrale Enabler wie Social-Platform-Technologien. Dies überrascht an sich nicht, denn beide bieten ein hohes Potenzial zur Kostensenkung. Big Data Analytics und Mobilität sind nur etwa ein Drittel so oft relevant wie die Favoriten. Von den Unternehmen mit Kryptologie-Businesscase findet sich noch keines in der Unicorn List. Dies eventuell deshalb, weil es dazu hoch spezialisiertes Wissen braucht und aktuell das Risiko vom Markt noch als zu hoch eingestuft wird. Die Auswertung für die Teilnehmer des Swiss FinTech Pitch zeigt eine ähnliche Verteilung. Die Fintech-Unternehmen gelangen zwar mit innovativen, z.T. disruptiven Businesscases auf den Markt, stützen diese aber mehrheitlich auf bewährte Technologien ab. Dies gilt zumindest für die betrachteten Samples der erfolgreichsten Fintech-Unternehmen.

Verteilung der eingesetzten Enabler-Technologie bei den Unternehmen der Finovate Unicorn List. (Bild: AdNovum)
Verteilung der eingesetzten Enabler-Technologie bei den Unternehmen der Finovate Unicorn List. (Bild: AdNovum)

Die Rolle der IT
Die innovativen, oft disruptiven Fintech-Business-Modelle werden durch den Einsatz von IT erst möglich, denn diese liefert neben Commodities wie Connectivity, Security, Computing Power und Storage auch die Enabler-Technologien für die Business-Cases. Dies macht Fintech für die IT interessant, kann sie doch hier ihre Erfahrung mit bewährten Technologien und ihr Spezialwissen in neueren Gebieten wie der Blockchain-Technologie einbringen.

(AdNovum – Tom Sprenger, Martin Nokes/mc)

(1) Swisscom eForesight Fintech, April 2015
(2) FinTech Unicorn List, Mai 2015
(3) Swiss FinTech Pitch, August 2015

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