San Francisco – Wenn das Hauptprodukt eines Konzerns bereits zwei Quartale in Folge deutlich schwächelt, könnte man als Firmenchef schon nervös werden. Nach den Absatz-Rückgängen beim iPhone liess Apple-Boss Tim Cook aber keine Sorgen erkennen. Sichtbar gut gelaunt und locker präsentierte der Konzernchef am Mittwoch in San Francisco mit dem iPhone 7 die neue Generation des Apple-Smartphones und eine Neuauflage der Apple Watch.
Über die Abschaffung der Buchse für Klinkenstecker beim neuen iPhone regte sich auf dem iPhone-Event im Bill Graham Civic Auditorium niemand mehr auf. Nachdem vermutlich Apple selbst schon vor Monaten dafür gesorgt hatte, dass dieses potenzielle Aufregerthema an die Öffentlichkeit kam, dominierten am Mittwoch die Gespräche über die Alternativen, die Apple zum betagten Klinkenstecker bietet.
«Raum für Neues schaffen»
Wer einen Kopfhörer mit Kabel anschliessen möchte, kann dafür zum einen die «Lightning»-Buchse nehmen, an der das iPhone auch aufgeladen wird. Entsprechende neue «Earbuds» liefert Apple mit. Ausserdem liegt in der Schachtel ein Adapter für alte Klinkenstecker-Kopfhörer, so dass die Vorwürfe des Fachportals «The Verge» ins Leere laufen werden, die Abschaffung der Klinkenbuchse sei «kundenfeindlich und dämlich». Der Marketingchef von Apple, Phil Schiller, sagte, nur Apple habe in der Branche den Mut, auf veraltete, aber immer noch weit verbreitete Technik zu verzichten, um Raum für Neues zu schaffen.
179 Franken für den besseren Sound
Als eine innovative Alternative zu den herkömmlichen Kabel-Kopfhörern positioniert Apple nun seine «AirPods». Das sind filigrane Drahtlos-Kopfhörer, die so einfach wie nie mit dem iPhone und anderen Apple-Geräten gekoppelt werden können und bei einem ersten Check durch einen ordentlichen Sound überzeugten. Allerdings werden dafür noch einmal 179 Franken fällig – zusätzlich zu der Summe, die man für das neue iPhone auf den Tisch legen muss. Die Preise für das ab 16. September erhältlich iPhone 7 beginnen bei 759 Franken für das günstigste iPhone 7 mit 32 Gigabyte Speicher und enden bei stolzen 1119 Franken für das iPhone 7 Plus mit üppigen 256 Gigabyte.
Weitwinkel und Teleobjektiv
Neue Wege beschreitet Apple auch bei der Positionierung des Smartphones als Kamera. Verfügten früher nur die teueren Plus-Modelle über einen optischen Bildstabilisator, spendiert Apple diese nützliche Funktion nun auch der kleineren Version. Das grössere iPhone 7 Plus hat auf der Rückseite gleich zwei Linsen: Eine Weitwinkel und eine Teleobjektiv. Beim Auslösen nehmen beide Kamera gleichzeitig Bilder auf, aus denen die iPhone-Software ausgeklügelt optimierte Fotos zusammenbaut. So sollen damit auch Porträtfotos mit unscharfem Hintergrund gelingen, die man bislang nur mit Spiegelreflex-Kameras zustande bringen konnte.
Chance auf wieder höhere Margen?
Die Analysten von Citi Research sahen gleich die Chance auf wieder höhere Margen dank teurerem Plus-Modell und «AirPods». Thomas Husson von der Analysefirma Forrester zeigte sich überzeugt, dass die Neuerungen ausreichen werden, um Apples Position in der Spitzengruppe des Marktes zu verteidigen. Analyst Paul Erickson vom Marktforscher IHS schränkte zugleich ein, dass Apple mit den neuen Produkten eher bei Technologien nachziehe, die Wettbewerber schon am Markt hätten. Zugleich sieht er einen Versuch, den jüngsten Rückgang der iPhone-Erlöse durch Geschäft mit Zubehör wie Ohrhörer abzufedern.
Endlich wasserfest (fast)
Zu den Features, bei denen Apple nicht der Vorreiter ist, sondern zur Konkurrenz aufschliesst, gehört der Staub- und Wasserschutz nach der Norm IP67. Damit kann das iPhone auch mal ins gefüllte Spülbecken fallen, ohne dass es darunter leidet. Das hat man in Werbespots von Konkurrenten wie Sony , HTC oder Samsung schon vor Monaten gesehen. Ähnlich wie Produkte der Konkurrenz sollte das neue iPhone aber nicht zum Schwimmen oder gar Tauchen in die Badehose gesteckt werden. So weit reicht der Schutz dann doch nicht.
Robuster zeigt sich dagegen die «Zweite Edition» der Apple Watch, die tatsächlich beim Schwimmen im Pool oder im See getragen werden kann. Ausserdem baut Apple in seine Smartwatch nun einen GPS-Empfänger ein. Davon profitieren vor allem Sportler, die zum Joggen oder Wandern nicht mehr unbedingt des iPhone mitnehmen müssen – und trotzdem später eine genaue Aufzeichnung der gelaufenen Strecke erhalten. Als Frontalangriff auf Fitbit, den derzeitigen Marktführer bei den tragbaren Fitness-Geräten, muss man die Kooperation zwischen Nike und Apple werten. Nike bringt drei Sondermodell der Apple Watch heraus, die mit einer Trainings- und Motivierungs-App ausgeliefert werden.
Luxus-Segment bei Uhren wohl nicht mehr im Visier
Von den Träumen, mit der Apple Watch im Luxussegment der Uhren-Industrie Fuss zu fassen, hat sich der Konzern allerdings wohl verabschiedet. Zumindest wurde die bisherige «Apple Watch Edition», die aus bis zu 18’000 Franken teuren Golduhren bestand, in San Francisco mit keinem Wort erwähnt und verschwand von der Website. Aber auch ohne einen durchschlagenden Erfolg am oberen Ende des Angebots schlägt sich Apple im Uhrenmarkt beachtlich und hat 2015 nach Angaben von Apple-Chef Cook die Marken Fossil, Omega, Cartier, Citizen, Seiko, Patek Philippe, Longines, Tissot und Casio beim Umsatz abgehängt. Nur Rolex musste sich die Apple Watch geschlagen geben.
Pokémon Go auf der Apple Watch und Super Mario auf dem iPhone
Beobachter gehen aber davon aus, dass der Smartwatch-Markt insgesamt nicht so stark wachsen wird, dass Apple die Abhängigkeit vom iPhone dramatisch verringern könnte. Ausserdem agiert Apple nicht alleine. So haben zur Elektronikmesse IFA Samsung und andere Wettbewerber runderneuerte Smartwatch-Modelle auf den Markt gebracht.
Auf ein Feature müssen aber Samsung und Co. verzichten, denn nur Apple ist es gelungen, auf den Hype um den Sommer-Hit «Pokémon Go» aufzuspringen. Das Spiel wird zunächst exklusiv auf der Apple Watch verfügbar sein. Und auch Nintendo hat sich für den Sprung auf Smartphones mit «Super Mario Run» zunächst einmal das iPhone als Plattform ausgesucht. (awp/mc/pg)