Berlin – Reisende – ob Pendler oder Touristen, ob Nutzer des Nah- oder Fernverkehrs – alle erwarten nahtlose und multimodale Transportangebote. Aber wie stehen die Betreiber des öffentlichen Personenverkehrs dazu? Das BearingPoint Institut, die Forschungseinrichtung der Unternehmensberatung BearingPoint, befragte 59 Verkehrsbetreiber sowie Vertreter von IT- bzw. Internetfirmen in diesem Sektor aus neun europäischen Ländern (inklusive der Schweiz) sowie in Japan und den USA zu ihrer Sicht auf intermodale Mobilitätsplattformen. Obwohl eine deutliche Mehrheit die Unausweichlichkeit von multimodalen, durchgehenden Reiseketten bestätigt, bemängelt der gleiche Prozentsatz (85%) eine Reihe von Hürden, die dem noch entgegenstehen.
Der neue BearingPoint Institute Report untersucht sowohl diese Hindernisse als auch die Möglichkeiten, die sich aus dem Aufbau von Mobilitätsplattformen ergeben. Dabei gehen die Autoren der Frage nach, warum derzeit noch keine flächendeckenden, intermodalen Mobilitätsplattformen existieren. Gleichzeitig zeigen sie Wege zur Überwindung der bestehenden Hürden auf.
Hindernisse eines Transport-Ökosystems
Auf Grundlage der Umfrageergebnisse und den ausführlichen Interviews mit acht Entscheidern ergaben sich drei Haupthindernisse. Erstens: Geschäftsmodelle sind unklar und noch nicht ausgereift. Eine unsichere Kapitalrendite (ROI) hält Entscheider davon ab, notwendige Ressourcen in eine umfassende Mobilitätsplattform zu investieren. Da es noch kein multifunktionales Musterbeispiel gibt, bestätigen Experten die Schwierigkeit, die Konsequenzen eines Plattform-Projekts richtig einzuschätzen.
Zweites Haupthindernis sind technische und steuerungsspezifische Hürden: Datensicherheit, -integration und -management. Es besteht ein grosses Problem, die physische Transportinfrastruktur mit einer digitalen Infrastruktur zu kombinieren, um Prozesse wie den Fahrkartenkauf, Zahlungsverkehr und Validierungsdienste sicher zu ermöglichen. Die Komplexität und der Umfang dieser Herausforderungen übersteigt bis heute die Fähigkeiten der Verkehrsdienstleister beziehungsweise Behörden. Ein Beispiel ist die Problematik des Echtzeit-Datenmanagements.
Drittes Haupthindernis ist die schwach ausgeprägte Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Interessengruppen. Die übliche Wettbewerbsdynamik spielt wenig überraschend ebenfalls eine Rolle: 55 Prozent der Umfrageteilnehmer sind der Meinung, dass intramodale Rivalität die traditionellen öffentlichen Personenverkehrsbetriebe davon abhält, zu kooperieren und gemeinsam gegen disruptive Mobilitätsanbieter vorzugehen. Da aber Kooperationen die Basis für den Betrieb von Plattformen sind, haben die bestehenden Widerstände die Entwicklung der multimodalen Mobilität bisher verlangsamt.
Aber selbst unabhängig vom Wettbewerb untereinander hat jede Interessensgruppe ihre Gründe, zu zögern. Verkehrsunternehmen werden beispielsweise an ihrer Servicequalität gemessen, von daher sind sie vorsichtig, ihre Dienste im Verbund mit externen Anbietern anzubieten. Zudem lehnen sie die Vorstellung entschieden ab, zu einem blossen „Lohnkutscher“ herabgestuft zu werden. Bei der Deutschen Bahn beispielweise sieht man diesen Trend als Gefahr aber zugleich auch als Chance. So hat der Konzern mit Qixxit ein eigenes Mobilitätsportal aufgebaut, um die verkehrsverbund- und verkehrsmittelübergreifende Reiseplanung für den Fahrgast zu verbessern. Hier sind auch konkurrierende Mobilitätsanbieter vertreten – man hält aber die Option, den direkten Kundenzugang zu sichern.
Was sollten Betreiber tun?
Die Studie untersucht vorrangig, wie die Hemmnisse des kollektiven Handelns überwunden werden können, da die Kluft zwischen den verschiedenen Stakeholdern in der Transportbranche als Hauptproblem gesehen wird. Tatsächlich ist den Entscheidern die Vielzahl an Möglichkeiten, die sich aus Kooperationen ergeben, nicht entgangen.
Basierend auf der Studie, schlägt BearingPoint eine Reihe von Massnahmen vor, darunter:
- Die Plattform-Technologie ist verfügbar und hat sich in anderen Branchen bewährt. Folglich sollte auch weiterhin in Plattformen investiert werden, denn die Kundennachfrage ist da.
- Die übliche Vorgehensweise “Entwerfen – Bauen – Betreiben” ist nicht der ideale Ansatz. Der Einstieg in das Plattform-Geschäft erfordert ein agiles Modell bestehend aus Testen und Lernen. Dafür gibt es zwei Gründe: 1. Eine schnelle Rückmeldung aus dem Markt, für welche Dienstleistungen die Kunden zu bezahlen bereit sind. 2. Die progressive Überwindung der Kluft zwischen „alten“ Verkehrs-Ingenieuren und den „neuen“ Digital Natives (Millenials). Dies bedeutet zugleich, dass man auf den kulturellen Wandel vorbereitet und diesen auch ernst nehmen muss.
- Das Geschäftsmodell von Plattformen basiert auf Volumen und Marktdominanz, der Erstanbieter hat von daher einen offensichtlichen Vorteil. Zu langes Abwarten kann also zum Verlust von Marktanteilen führen.
„Die Studie zeigt, dass sich die verschiedenen Interessensgruppen einigen müssen, wenn sie die Vorteile digitaler Plattformen nutzen wollen. Schliesslich können sie nur so ganzheitliche und vernetzte Services anbieten. Es liegt an den nationalen und internationalen Behörden, den Verkehrsbetreibern und IT- bzw. Internetfirmen, die Lücke zwischen dem was sie erreichen wollen und der Nutzung digitaler Plattformen durch engere Zusammenarbeit und gesteigerte Innovation zu schliessen,“ kommentiert Kai Wächter, Leiter Public Services bei BearingPoint in Deutschland. (BearingPoint/mc)
Über BearingPoint
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