Cognizant: Das müssen Banken bei der Automatisierung von Zahlungsstreitigkeiten berücksichtigen

Thomas Gassenbauer

Thomas Gassenbauer, Country Manager Switzerland, Board of Directors, Head of Banking & Insurance Central Europe bei Cognizant. (Foto: zvg)

Banken sollten ihre eigene Risikotoleranz und das Kundenerlebnis berücksichtigen, bevor sie ihre Streitbeilegungsprozesse digitalisieren.

von Thomas Gassenbauer, Head of Banking & Insurance Central Europe sowie Country Manager Switzerland, Board of Directors bei Cognizant

Laut einer aktuellen Studie werden in diesem Jahr weltweit schätzungsweise 4,4 Milliarden Verbraucher digitale Geldbörsen für Einkäufe nutzen. Und das ist erst der Anfang: Bis 2027 sollen laut Nilson 891,2 Milliarden Transaktionen über Netzwerk-Zahlungskarten abgewickelt werden, was einem Anstieg von 42 Prozent gegenüber 2022 entspricht.

Kontaktlose Zahlungen sind mittlerweile ein fester Bestandteil unseres Alltags. Der Grossteil dieser Transaktionen verläuft reibungslos, schnell, bequem und sicher. Doch der rasante Anstieg der Transaktionen birgt auch Herausforderungen, da mit dem steigenden Volumen auch das Konfliktpotenzial zunimmt. Zum Beispiel können Karteninhaber Transaktionen auf ihren Konten als unberechtigt melden. Diese Streitigkeiten sind nicht unerheblich, denn Schätzungen zufolge beliefen sich die weltweiten Verluste im elektronischen Handel durch Betrug bei Online-Zahlungen im letzten Jahr auf über 41 Milliarden US-Dollar.

Herausforderungen für Bank und Kunden
Für Kunden ist es stressig, einen Rechtsstreit einzuleiten. Sie müssen ihre Kontoauszüge analysieren, Informationen zur Online-Widerspruchseinlegung finden und ihre Bank entweder persönlich, online oder telefonisch kontaktieren. Darüber hinaus können mehrere langwierige Gespräche mit dem Kartenaussteller erforderlich sein, bis die Bank alle erforderlichen Informationen zur Bearbeitung der Streitigkeit hat.

Gleichzeitig stellen die mit der Streitbeilegung verbundenen Kosten und Komplexität für Banken, die ihre Rentabilität verbessern und Kunden binden wollen, eine grosse Herausforderung dar. Insbesondere die jüngste Covid-19-Pandemie hat gezeigt, dass Banken einen erheblichen Bedarf an operativer Flexibilität haben. Aufgrund von Lockdown-Massnahmen mussten zahlreiche Verbraucher beispielsweise Reisen stornieren und entsprechende Rückerstattungen beantragen. Die Banken waren jedoch nicht in der Lage, den Ansturm von Anfragen reibungslos zu bewältigen.

Fehlender Fokus auf Customer Experience
Der Kundenservice hat für Banken schon lange Priorität. Dennoch ist der Prozess zur Beanstandung von Transaktionen, insbesondere über digitale Kanäle, immer noch zeitaufwändig und komplex. Die aktuellen Bemühungen konzentrieren sich zu stark auf interne Prozesse, ohne die Auswirkungen auf das Kundenerlebnis (Customer Experience, CX) und das Risiko angemessen zu berücksichtigen.

Um dem steigenden Streitvolumen besser gerecht zu werden, setzen Banken zunehmend auf Digitalisierung und Automatisierung. Dadurch können sie die anfallenden Kosten reduzieren und die Effizienz verbessern. Darüber hinaus ermöglicht die Automatisierung eine schnellere Streitbeilegung und eine verbesserte Kundenerfahrung. Kunden können ihre Beanstandungen unmittelbar über ihre Online-Banking-Plattform einreichen, anstatt auf aufwendige manuelle Prozesse angewiesen zu sein.

Dennoch müssen Banken bei der Implementierung automatisierter digitaler Streitbeilegungsprozesse einige wichtige Faktoren berücksichtigen. Erstens sollten sie ihre individuelle Risikotoleranz bewerten und sicherstellen, dass automatisierte Systeme angemessene Schutzmechanismen haben, um Betrug zu erkennen und zu verhindern. Zweitens sollte das Kundenerlebnis im Mittelpunkt stehen. Automatisierung darf nicht zu einem Entfremdungsgefühl führen. Kunden sollten immer die Möglichkeit haben, bei Bedarf mit einem menschlichen Mitarbeiter in Kontakt zu treten. Schliesslich ist die Kundenzufriedenheit ein entscheidender Faktor für die Kundenbindung und den Erfolg einer Bank.

Schlüsselbereiche für die erfolgreiche Implementierung digitaler Streitverfahren
Im Folgenden finden sich drei Schlüsselbereiche, auf die sich die Banken konzentrieren sollten, um eine erfolgreiche Implementierung digitaler Streitverfahren zu gewährleisten:

1.Auswirkungen der Automatisierung auf Kundenerfahrung und Betrieb verstehen
Um eine hervorragende Kundenzufriedenheit bei automatisierten Streitfällen zu gewährleisten, sollten Banken mehrere Faktoren berücksichtigen: Erstens sollten sie ihren Kunden eine Omnichannel-Erfahrung ermöglichen. Kunden sollten die Möglichkeit haben, einen Konflikt online (einschließlich mobiler Endgeräte) und per Telefon zu bearbeiten. Alle Kanäle sollten eine einheitliche Benutzererfahrung bieten und miteinander kommunizieren. Das bedeutet: Es muss für den Kunden möglich sein, einen Disput in einem Kanal zu beginnen und diesen über einem anderen Kanal fortzusetzen.
Darüber hinaus ist es von entscheidender Bedeutung, dass Finanzinstitute bei der Entwicklung ihres digitalen Streitbeilegungsverfahrens die Erfahrungen der sogenannten Agents berücksichtigen. Die Agent Experience umfasst:

Und nicht zuletzt benötigen Banken einen umfassenden Change Management-Plan. Oftmals unterschätzen Finanzinstitute den Umfang, der an Change Management notwendig ist, um eine digitale Disputlösung effektiv einzuführen. Obwohl solche Systeme die Arbeit der Agents vereinfachen, müssen sie sich darüber im Klaren sein, dass sie die Kontrolle an ein System abgeben, das ihre Handlungen steuert. Um eine reibungslose Einführung zu gewährleisten, ist es daher wichtig, einen umfassenden Plan für das Change Management zu entwickeln, der auch Schulungen und Messgrössen umfasst:

2.Technische Überlegung für eine integrierte Dispute Management-Strategie
Die folgenden technologischen Überlegungen ermöglichen eine reibungslosere Implementierung:

3.Anpassung an Risiken, Compliance und Kontrollen
Bei der Einrichtung eines digitalen Streitbeilegungsverfahrens müssen die Banken im Vorfeld ihre Risikobereitschaft abstimmen, da sich diese auf die Anwendungsfälle für die Automatisierung und den Gesamtnutzen auswirkt. Dies kann erreicht werden, indem die Risikoparameter mit bestimmten Betrugs- oder Betriebsverlustzielen abgeglichen werden und dann die Leistung anhand von Schwellenwerten überwacht wird.

Wenn der gewünschte Schwellenwert überschritten wird, muss die Bank wissen, wie sie die Anwendungsfälle für die Digitalisierung drosseln kann, um die Risikobeschränkungen einzuhalten.
Die Risikobereitschaft einer Bank wirkt sich auf zwei Bereiche aus:

Die Banken haben aufgrund der sich ändernden Kundenbedürfnisse mit einem zunehmenden Streitvolumen zu kämpfen. Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung müssen sie nicht nur die beste Customer Journey entwickeln, sondern auch sicherstellen, dass die richtigen Leitplanken implementiert werden, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften zu gewährleisten und unnötige Kostensteigerungen bei der Bearbeitung von Streitfällen zu vermeiden, die den Vorteilen der Automatisierung und Digitalisierung entgegenwirken. Dieser digitale Wandel wird es den Banken nicht nur ermöglichen, die Kosten für die Bearbeitung von Streitfällen zu senken, sondern auch das Vertrauen der Kunden zu erhalten. (Cognizant/mc)

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