Telekom-Chef René Obermann.
Bonn – Die Deutsche Telekom trennt sich mit dem Verkauf der Mobilfunksparte in den USA von einem Drittel ihres Geschäfts – doch die Börse feiert den Schnitt als Befreiungsschlag. Einst Ertragsgarant geriet die US-Sparte gegen die Konkurrenz ins Hintertreffen und geht nun für rund 28 Milliarden Euro an den US-Telekomkonzern AT&T .
An der Börse sorgten die Neuigkeiten für ein Kursfeuerwerk: Die Telekom-Aktie zog am Montagmittag um 12,15 Prozent auf 10,75 Euro an und setzte sich mit grossem Abstand an die Spitze des Dax. «Wir haben die beste Lösung für unser Unternehmen, unsere Kunden und unsere Aktionäre gefunden», sagte Telekom-Chef Rene Obermann. An der Börse wurde dies ähnlich gesehen. «Der Verkauf löst wohl das wichtigste Problem bei der Telekom, und zudem wird T-Mobile USA zu einem sehr attraktiven Preis abgegeben», sagte ein Börsianer.
Analysten reagieren positiv auf Verkauf
Mehrere Analysten reagierten am Morgen positiv. So stufte Laura Janssens von der UBS die Telekom-Aktie in Reaktion auf den überraschenden Schritt von von «Sell» auf «Neutral» hoch und setzte das Kursziel von 8,40 auf 10,00 Euro. Analyst Hugh McCaffrey von Goldman Sachs sprach in einer ersten Reaktion davon, dass der Verkauf der Aktie bis zu 16 Prozent Kurspotenzial nach oben gebe. Die Commerzbank hält sogar einen Kurs von 13,00 Euro für möglich. Zwar sehe es so aus, als gebe es bei der Zustimmung zu dem Verkauf noch ein Restrisiko, aber insgesamt hätten die Chancen auf einen erfolgreichen Verkauf nie besser gestanden, schrieb Analystin Heike Pauls.
«Mit Abstand die attraktivste Möglichkeit»
Der Telekom-Vorstand zeigte sich begeistert von dem Verkauf. «Dies war mit Abstand die attraktivste Möglichkeit», sagte Finanzchef Tim Höttges. «Die Erwartungen an einen Verkaufspreis waren erheblich geringer.» Im Schnitt sei T-Mobile USA mit 17,5 Milliarden Euro bewertet worden. Nun erhalte die Telekom von AT&T 28 Milliarden Euro. «Wir verkaufen ein Viertel des Unternehmens und bekommen 70 Prozent des Unternehmenswertes der Telekom», sagte Höttges.
Telekom will sich ohne Brüche neu erfinden
Die Telekom versucht nun, sich ohne grosse Brüche neu zu erfinden. Grosse Zukäufe sind mit den neuen Milliarden nicht geplant. Die Bonner bauen Schulden ab. «Wir konzentrieren uns auf den organischen Umbau des Geschäfts», sagt Höttges. Dabei setzt er auf Dienstleistungen über das Internet, neue Geschäftsfelder wie das vernetzte Auto sowie intelligente Energienetze. «Die Telekom muss mehr werden als nur Netzbetreiber.»
T-Mobile USA hinter Konkurrenz zurückgefallen
Die Telekom hatte ihren US-Mobilfunker zuletzt auf den Prüfstand gestellt. Die Nummer vier im US-amerikanischen Mobilfunk-Markt verlor Kunden und fiel hinter die Konkurrenz zurück. Viele Nutzer beschwerten sich über unzureichende Netzabdeckung und wanderten zu den grösseren Anbietern ab. Die Telekom hatte sich zuletzt alle Möglichkeiten für die Tochter mit rund 34 Millionen Kunden offen gelassen: Eine Partnerschaft, einen Börsengang, einen teilweisen oder kompletten Verkauf der Tochter oder einer Netzkooperation. Vor einem Monat hatte Obermann bei der Bilanzpressekonferenz der Telekom gesagt, er wolle lieber eine Minderheitsbeteiligung an der Nummer eins, als 100 Prozent an Nummer drei oder vier – und das hat er jetzt wahr gemacht.
US-Geschäft sollte Hoffnungsträger sein
Wie das Schwesterunternehmen Deutsche Post hatte sich die Telekom nach der Privatisierung auf die Suche nach einem zukunftsträchtigen zweiten Standbein neben dem schrumpfenden Monopolgeschäft gemacht. Sie stieg in den USA ein – wenn auch nicht so gross, wie von vielen gehofft. 2001 hatte die Telekom die Mobilfunkbetreiber Voicestream und Powertel, nicht die grössere Sprint, gekauft und sie später in T-Mobile USA umbenannt. Der Einstieg zahlte sich zunächst aus, T-Mobile USA war über mehrere Jahre eine Ertragsperle der Bonner. Doch vor einigen Jahren drehte sich der Wind: Kunden begannen sich über die lückenhafte Netzabdeckung und das Fehlen des heissbegehrten iPhones von Apple in der Handypalette zu beklagen und wechselten in Scharen zu den Platzhirschen AT&T und Verizon Wireless. Bis Januar dieses Jahres hatte AT&T das US-Monopol auf das iPhone, seitdem verkauft es auch Verizon Wireless. T-Mobile USA blieb aussen vor. Dies machte das Geschäft noch schwieriger und die Kunden liefen davon.
Aussichtslosen Kampf verhindert
Die Deutschen zeigten sich zuversichtlich, die Kehrtwende zu schaffen und schickten mit Philipp Humm einen ihrer besten Krisenmanager in die USA. In den ersten Wochen griff die Herausforderer-Strategie jedoch nicht. Obermann zeigte sich unzufrieden und kündigte an, er werde die Lage ändern. Mit dem Verkauf verhindert er nun einen kostspieligen und von vielen als aussichtslos bezeichneten Kampf. Er entschied sich für ein schnelles Ende – und liess ihn sich noch mit viel Geld versüssen. Und davon haben seine Aktionäre auch etwas. (awp/mc/upd/ps)