Interview von Norbert Bernhard, Private – Das Geld Magazin
Herr Murer, inwiefern hat die «digitale Disruption» in der Wirtschaft auch schon die Immobilienbranche erfasst?
Adrian Murer: Die Digitalisierung erschüttert etablierte und bisher erfolgreiche Wertschöpfungsketten, auch in der Immobilienbranche. Wir sind von der Digitalisierung deshalb ebenfalls direkt betroffen. Die digitalen Umwälzungen tangieren viele Bereiche und stellen bisherige Abläufe und Prozesse in Frage. Unsere Branche als Ganzes ist in Bezug auf die Digitalisierung aber noch nicht ganz so weit wie gewisse andere Sektoren.
«Die Digitalisierung erschüttert etablierte und bisher erfolgreiche Wertschöpfungsketten, auch in der Immobilienbranche. Wir sind von der Digitalisierung deshalb ebenfalls direkt betroffen.» Adrian Murer, CIO PSP Swiss Property
Allerdings müssen wir uns vor Augen halten, dass für uns nicht nur die Veränderungen in der Immobilienbranche selbst wichtig sind, sondern auch die Veränderungen bei den Unternehmen, die bei uns Geschäftsräume mieten. Diese Unternehmen werden in Zukunft anders interagieren und produzieren als heute. Das bedeutet, dass sich auch die Anforderungen an die Arbeitsräume, sprich an unsere Produkte, ändern werden. Das Aufkommen von Co-Working-Spaces ist ein typisches Beispiel für diese Entwicklung. Wie jeden Wandel sehen wir aber auch die von Ihnen erwähnte «digitale Disruption» nicht als Gefahr, sondern als Chance, neue Wege zu gehen und unser Geschäftsmodell laufend zu optimieren.
Wie gehen Sie auf strategischer Ebene mit der Digitalisierung um?
Wir haben eine Digitalisierungsstrategie formuliert, die auf einer sorgfältigen Stakeholder-Analyse basiert. Mit dieser Analyse haben wir die wesentlichen Bedürfnisse der relevanten Stakeholder – Mieter, Mitarbeiter, Investoren und Öffentlichkeit – im Hinblick auf die Digitalisierung identifiziert. Aufbauend auf dieser Analyse integrieren wir laufend die neusten Erkenntnisse und Veränderungen, die sich aus der fortschreitenden Digitalisierung ergeben. Wichtig ist dabei, dass wir die Digitalisierung nicht nur abstrakt in unserer Unternehmensstrategie verankern, sondern auch konkret umsetzen. Unser Ziel ist klar: Wir wollen uns als Leader in der Digitalisierung positionieren und mit konkreten Projekten den grösstmöglichen Mehrwert für unsere Stakeholder schaffen. Im Fokus stehen dabei die Kundenbindung und die digitale Interaktion der Mieter mit ihrem Mietobjekt und mit uns als Vermieter.
Aber Achtung: Wir wollen keine digitalen Pioniere sein. Wir verfolgen – wie bei unseren Immobilieninvestitionen – auch in diesem Bereich einen konservativen und vorsichtigen Weg.
Kann man Ihre Digitalisierungs-Bestrebungen in Zahlen fassen?
Ich kann Ihnen keine konkrete Zahl nennen, wir investieren aber jedes Jahr einen sehr namhaften Betrag direkt in digitale Projekte.
Gibt es bestimmte Trends, die Sie in Sachen Digitalisierung in Ihrer Branche beobachten?
Generell kann man die Digitalisierungstrends in Gebäude-bezogene (Building Life Cycle) und Mieter-bezogene (Tenant Life Cycle) Prozesse gliedern. Dabei unterscheiden sich die Entwicklungen und Veränderungen je nach Akteur – Eigentümer, Bewirtschafter, Vermittler usw. Man kann aber sagen, dass die Architektur- und Baubranche Pioniere in der Digitalisierung sind. So bestimmt das sogenannte Building Information Modelling (BIM) immer stärker den Entwurfs- und Bauprozess. BIM kann zu besseren Produkten, Beschleunigungen, Vereinfachungen und Kostenreduktionen führen. Im Zusammenhang mit BIM sind auch Virtual Reality und Simulationen zu erwähnen, die je länger je mehr in die Entwurfsund Bauprozesse, aber auch in unsere Vermietungsprozesse, eindringen.
«Building Information Modelling (BIM) kann zu besseren Produkten, Beschleunigungen, Vereinfachungen und Kostenreduktionen führen.»
Dadurch werden Gebäude bereits in den frühesten Entwicklungsphasen umfassend «begeh- und erlebbar»; ebenfalls können verschiedene Varianten von Mieterausbauten besser visualisiert und durchgespielt werden. Dazu kommt die fortschreitende Automatisierung in vielen Bereichen, der Einsatz von Robotern und Drohnen, 3D-Druck und das Internet of Things. Bei letzterem werden im Immobiliengeschäft Gegenstände mit Sensoren oder künstlicher Intelligenz ausgestattet und vernetzt. Dies ermöglicht eine Optimierung der Prozesse zur vorbeugenden Wartung, ein selbständiges Bestellen von Verbrauchsmaterialien und vieles mehr.
Weitere Digitalisierungsbereiche, die allerdings den Rahmen dieses Interviews sprengen würden, sind etwa Prozess- und Daten-Management, Digital Twins, Smart Use oder Supply-Chain- Optimierungen.
Trotzdem nur kurz: Was sind Digital Twins und Smart Use?
Digital Twins sind digitale Abbilder von Gebäuden, das heisst digitale Gebäudemodelle. Durch die frühzeitige dreidimensionale Modellierung am Computer können Simulationen durchgeführt, Fehler erkannt und darauf aufbauend Optimierungen vorgenommen werden. Das heisst, zuerst wird digital «gebaut» und erst wenn alles stimmt, wird das Projekt realisiert. Der Digital Twin kann somit bei der Projektentwicklung helfen. Mittels eines Digital Twins können aber auch bestehende Gebäude digital erfasst werden. Dies ermöglicht die Durchführung von Simulationen, um mögliche Optimierungsmassnahmen durchzuspielen und umzusetzen – beispielsweise für Betriebsabläufe oder energetische Massnahmen.
«Ich bin überzeugt, dass gerade unsere Objekte, die sich grösstenteils an städtischen Toplagen befinden, durch die Digitalisierung sogar noch an Standortattraktivität gewinnen werden.»
Ein Digital Twin unterstützt uns somit insbesondere bei einer effizienten Bewirtschaftung. Wir sind da schon ziemlich weit und momentan daran, weitere Daten, wie diejenigen der vorhandenen Anlagen, digital zu erfassen. Bei Smart Use geht es unter anderem um Grundrissoptimierungen mittels intelligenter Analysen, Mieter-Informations-Systeme und intelligente Park- und Mobilitäts-Konzepte.
Sind einzelne Immobilienklassen stärker von der Digitalisierung betroffen als andere?
Nein, die digitale Innovation betrifft alle Immobilienklassen: Büro, Retail, Gewerbe und Wohnen. Mobile Arbeitnehmer und Konsumenten werden in Zukunft anders arbeiten, einkaufen und leben. Daher werden sich auch ihre Bedürfnisse und Ansprüche an ihre Wohn- und Arbeitsumgebung ändern. Für uns ist in diesem Zusammenhang aufgrund unserer Portfoliostrategie und -struktur vor allem der Arbeitsbereich mit neuen Bürotechnologien relevant – Stichworte Mobilität, Zusammenarbeit und Vernetzung. Der Wandel trifft aber nicht alle Akteure der Immobilienbranche gleichzeitig und in demselben Ausmass.
Beispielsweise für die Bewirtschaftung oder das Facility Management kann die Digitalisierung durchaus disruptiv sein. Aber auch der Liegenschaftenhandel ist unmittelbar betroffen. Denken Sie an das elektronische Grundbuch und den elektronischen Schuldbrief. In Zukunft kann zudem die Blockchain-Technologie Due-Diligence-Prozesse und Transaktionen ganz wesentlich beeinflussen, was vor allem auch die Intermediäre betreffen wird.
Generell kann man sagen, dass sich Dienstleistungen, Prozesse, Produkte und auch die Standortattraktivität einzelner Objekte verändern werden.
In welchem Zeitrahmen sehen Sie die wesentlichsten Auswirkungen der Digitalisierung?
Das weiss ehrlich gesagt heute noch niemand, zumal auch noch Veränderungen auf uns zukommen werden, die noch gar nicht absehbar sind.
Muss man eigentlich bei jedem Trend immer vorn dabei sein?
Nein, im Gegenteil. Es ist kaum möglich, einen kurzfristigen Hype von einem nachhaltigen Trend zu unterscheiden. Deshalb macht es keinen Sinn, immer und überall zu den ersten zu gehören. Umgekehrt wollen wir aber natürlich auch nichts verpassen. Wer eine wesentliche Entwicklung verschläft, wird es schwer haben. Unser Ansatz ist es, jeweils die neusten – aber, ganz wichtig, bereits erprobten und bewährten – Technologien einzusetzen. Im Übrigen verfolgen wir die Entwicklungen aufmerksam.
Wie entscheiden Sie, welche digitalen Projekte Sie umsetzen?
Nebst den Stakeholder-Analysen beobachten wir laufend die Entwicklungen und das Potenzial auf dem Markt. Zusammen mit unseren spezialisierten externen Partnern diskutieren wir Chancen und Risiken für unser Unternehmen. Wir überprüfen unsere Prozesse und Organisation auf ihre digitale Tauglichkeit und richten sie entsprechend aus. Wir setzen aber nicht einfach digitale Projekte um, um «dabei» zu sein. Unsere Projekte müssen ein klares Ziel haben und Mehrwert generieren. Bei der Entscheidung, welche Initiativen wir tatsächlich umsetzen, spielt letztlich auch die Skalierbarkeit für unser Unternehmen eine wesentliche Rolle. Vor dem Hintergrund des bestmöglichen Kundennutzens haben wir in diesem Zusammenhang die sogenannte «Customer Journey» im Detail analysiert.
«Wir sind und bleiben eine Immobiliengesellschaft. Unsere Kernkompetenz ist das Management von Geschäftsimmobilien. Auch wenn wir die Digitalisierung nutzen, wo immer es Sinn macht, werden wir nicht zu einem Software-Entwickler oder -Dienstleister mutieren.»
Darunter verstehen wir den Weg des Kunden vom ersten Interesse für ein Objekt über seine Zeit als Mieter bis zum Zeitpunkt, an dem sich seine Wünsche und Bedürfnisse ändern und er sich nach einem neuen Objekt umsieht. Wenn dieser Zeitpunkt gekommen ist, soll er so mit unseren Dienstleistungen und Produkten zufrieden sein, dass wir ihn als Mieter behalten können. Digitale Projekte werden unsere Mieter und uns auf dieser «Reise» begleiten und unterstützen.
Welche Digitalisierungsprojekte verfolgen Sie zurzeit?
Eines unserer zentralen Vorzeigeprojekte, das wir bereits implementiert haben, ist die PSP Insight App. Digitalisierungsprojekte auf ganz unterschiedlichen Entwicklungsstufen durchziehen aber fast alle unsere Geschäftsprozesse, vom Marketing und der Vermietung über das Mietermanagement, Buchhaltung und Controlling, Personalwesen und interne digitale Zusammenarbeit bis zu Berichterstattung, Investor Relations und Corporate Communications.
Zurzeit implementieren wir beispielsweise ein App zur effizienteren Kommunikation mit unseren Mietern, entwickeln ein digitales Tool für die Vermarktung und befassen uns, wie erwähnt, mit den Themen Digital Twin sowie «Empathische Gebäude». Bei letzteren ermöglicht uns ein intelligentes Energie- und Alarm-Management-System mit der Extraktion von Daten aus den Gebäudeleitsystemen das Monitoring der einzelnen Objekte von einer zentralen Leitstelle aus. Bei Unregelmässigkeiten – beispielsweise einem erhöhten Wasserverbrauch – können wir unverzüglich reagieren.
Eines möchte ich abschliessend aber noch betonen: Wir sind und bleiben eine Immobiliengesellschaft. Unsere Kernkompetenz ist das Management von Geschäftsimmobilien. Auch wenn wir die Digitalisierung nutzen, wo immer es Sinn macht, werden wir nicht zu einem Software-Entwickler oder -Dienstleister mutieren. Dazu arbeiten wir mit externen Partnern zusammen. Die können das besser. Für uns als Eigentümer bleibt das physische Asset an einer bestimmten Lage der entscheidende Erfolgsfaktor. Daran ändert auch die Digitalisierung nichts.
Ich bin überzeugt, dass gerade unsere Objekte, die sich grösstenteils an städtischen Toplagen befinden, durch die Digitalisierung sogar noch an Standortattraktivität gewinnen werden.
Die PSP Insight App
Eine innovative App ermöglicht eine 360o-Sicht über Vermietungs- und Vermarktungsaktivitäten. In Zusammenarbeit mit Open Web Technology hat PSP Swiss Property eine Cloud-basierte, hybride App für iPads und Microsoft Surface Books entwickelt. Die App bietet den Mitarbeitenden einen Überblick und Detailinformationen zu Mietanfragen und Kundenbedürfnissen. Auch die jeweiligen Fälligkeiten der Mietverhältnisse werden abgebildet. Die Wünsche und Erwartungen der Interessenten werden mit den Liegenschaften abgeglichen und gematcht – immer mit dem Ziel, für jeden individuellen Kunden die optimale Lösung zu finden. Die App wird zum zentralen Hub für Liegenschafts-, Vermietungs- und Vermarktungsinformationen auf der einen Seite und Kundendaten auf der anderen. Sie ist voll in die Systemarchitektur des Unternehmens integriert, ermöglicht einfaches, mobiles Arbeiten und begleitet die Mitarbeitenden bei allen Vermietungs- und Vermarktungsaktivitäten.
PSP Swiss Property
gehört zu den führenden Immobiliengesellschaften der Schweiz. Das Unternehmen besitzt ein Immobilienportfolio im Wert von rund 7.3 Mrd. Schweizer Franken. Dabei handelt es sich grösstenteils um Büro- und Geschäftshäuser an erstklassigen Lagen in den wichtigsten Wirtschaftszentren des Landes. Die PSP Swiss Property AG (die Holdinggesellschaft) ist eine Publikumsgesellschaft, deren Aktien seit März 2000 an der Schweizer Börse SIX Swiss Exchange gehandelt werden. PSP Swiss Property
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