EY: Über zwei Drittel der Arbeitnehmenden in Europa befürchten Stellenabbau wegen KI
Zürich – Künstliche Intelligenz hat die Wirtschaft im Sturm erobert und ist auf dem Vormarsch – aber inwieweit bestimmt diese neue Technologie bereits den Arbeitsalltag von Unternehmen und Mitarbeitenden in Europa und wie bereit sind diese für den KI-Umwandlungsprozess? Obwohl einige Arbeitnehmende bereit sind, mit KI zu experimentieren, sind andere noch zurückhaltend: Fast drei Viertel aller Befragten (73%) haben bereits praktische Erfahrungen mit der neuen Technologie gemacht. Die meisten von ihnen nutzen KI jedoch im Privatleben (38%), weitaus weniger Befragte geben an, KI im Beruf zu nutzen (12%). Die übrigen Befragten (23%) haben in beiden Bereichen Erfahrung mit KI.
Mit Blick auf die Länder ist der Anteil derjenigen Mitarbeitenden, die KI bereits praktisch anwenden in Spanien (84%) am höchsten, gefolgt von der Schweiz (82%) und Italien (77%). Am anderen Ende der Skala rangieren die Niederlande (66%), Deutschland (67%) und Österreich (69%). Über alle befragten Länder hinweg haben Männer (75%) häufiger Erfahrung mit KI-Anwendungen als Frauen (70%). Unterschiede gibt es auch zwischen den Hierarchiestufen: Mehr als 84% der Führungskräfte geben an, KI-Anwendungen zu nutzen oder genutzt zu haben, während es bei den nicht leitenden Angestellten nur 67% der Befragten sind.
Dies sind die Ergebnisse des ersten EY European AI Barometer, für welches 4’741 Arbeitnehmer in neun europäischen Ländern befragt wurden. Zu diesen Ländern gehören neben der Schweiz auch Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Spanien, die Niederlande, Belgien und Portugal.
Verlust von Arbeitsplätzen wegen KI – Sorge in der Schweiz am geringsten
Auf die Frage, ob der Einsatz von KI zum Verlust von Arbeitsplätzen führen wird, gehen die Ansichten der Befragten in den europäischen Ländern auseinander. Insgesamt geben etwas mehr als zwei von drei Befragten (68%) an, zu erwarten, dass mit zunehmender Etablierung von KI-Systemen und zunehmenden Anwendungsmöglichkeiten weniger Mitarbeitende benötigt werden
In der Schweiz (57%), Deutschland (59%) und den Niederlanden (64%) ist die Sorge um den Verlust von Arbeitsplätzen durch KI vergleichsweise gering. Besonders hoch ist dieser Anteil in Portugal (80%), Spanien (78%), Italien (76%) und Belgien (74%). Adrian Ott, Chief AI Officer bei EY in der Schweiz sagt: «Als Land mit einer grossen Dichte an gut qualifizierten Arbeitskräften und einer tieferen Anzahl von Routine-Arbeiten wird die Verwendung von KI tendenziell eher als Chance anstatt als eine Bedrohung wahrgenommen.»
Ein allgemeiner Konsens herrscht unter den Befragten in den neun analysierten Ländern in Sachen Einfluss von KI auf die eigene Arbeit: Mehr als jeder Zweite (53%) gibt an, dass KI-Anwendungen die eigene Arbeit beeinflussen werden — oder dies bereits tun. In Italien und der Schweiz (jeweils 59%) sind es fast sechs von zehn. Auch in den Niederlanden (57%) sowie in Österreich und Deutschland (56%) ist der Anteil überdurchschnittlich hoch. Unterdurchschnittlich ist er dagegen in Frankreich (47%), Belgien (48%) sowie in Spanien und Portugal (je 49%).
Die meisten Befragten erwarten, dass KI Teile ihrer Arbeit übernehmen wird (65%), wobei einige davon ausgehen, dass sie in naher Zukunft einen Teil ihrer Arbeitslast an die KI abgeben werden (14%).
Eine interessante Dichotomie zeigt sich jedoch darin, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Befragten es für unwahrscheinlich hält, dass KI Teile ihrer Arbeit übernimmt (35%). Und von denen, die damit rechnen, einen Teil ihrer Arbeitslast abzugeben, sieht die überwiegende Mehrheit dies nicht in absehbarer Zeit geschehen. Adrian Ott sagt: «Nicht in allen Bereichen sind die Auswirkungen von KI heute schon greifbar. Regulatorische Komplexität und erste Misserfolge beim Einsatz von KI können dazu führen, dass man gegenüber der Technologie eher misstrauisch ist. Wichtig ist es, dass Firmen und Arbeitnehmer sich auf den Umgang mit den neuen Technologien einstellen und kommende KI-Entwicklungen eng beobachten, damit sie nicht plötzlich von den Fortschritten überrollt werden.»
Mitarbeitende mit KI-Schulungen unzufrieden
Den Umfrageergebnissen zufolge sind nicht genügend Befragte mit dem Niveau der KI-Schulungen zufrieden, die sie am Arbeitsplatz erhalten. Die Schweiz ist bei den Weiterbildungsangeboten führend: 36% der befragten Mitarbeitenden sagen, dass ihr Unternehmer genügend Schulungen anbietet. In anderen Ländern müssen die Arbeitgeber offenbar noch viel besser werden, vor allem in Portugal, wo nur 14% der Arbeitnehmenden mit dem aktuellen Niveau der KI-Schulungen zufrieden sind, die sie erhalten. Die meisten Mitarbeitenden wünschen sich Live-Schulungen und Workshops (43%), gefolgt von Online-Kursen (38%).
In vielen Fällen ergreifen die Mitarbeiter die Initiative und nutzen Möglichkeiten zum Selbststudium, sei es privat, beruflich oder in einer Kombination aus beidem. Die selbständige Fortbildung im Bereich KI ist in der Schweiz (60%), Italien (54%) und Spanien (54%) am weitesten verbreitet. Beschäftigte in Deutschland bilden sich am seltensten selbst weiter (37%). Roger Spichiger, AI Leader Financial Services bei EY in der Schweiz, sagt: «Die Tatsache, dass sich viele der Befragten privat weiterbilden, zeigt die aktuelle Einschätzung der Wichtigkeit von KI-Kompetenzen für den zukünftigen Arbeitsmarkt. Gleichzeitig sollten die Firmen diesen Umstand als Chance sehen, sich mit entsprechenden Investitionen in Schulungsprogramme als attraktive Arbeitgeber zu positionieren.»
KI hilft Unternehmen bereits, Kosten zu sparen und Gewinne zu steigern
Trotz der Herausforderungen sind die Vorteile des Einsatzes von KI bereits offensichtlich, vor allem gemessen an den Kosteneinsparungen: Europaweit gibt fast die Hälfte der Manager (45%) an, dass sie durch den Einsatz von KI Kosten einsparen oder ihren Gewinn steigern konnten – oder beides. Gemessen an diesen beiden Kriterien war der KI-Einsatz bisher in der Schweiz am erfolgreichsten, wo 81% der Manager positive Erfahrungen mit der Technologie gemacht haben. Auch in Spanien (60%) und Italien (58%) liegt der Anteil der zuversichtlichen Manager über dem Durchschnitt. Dagegen sind die Befragten in Österreich, den Niederlanden und Deutschland (jeweils 34%) weniger beeindruckt.
Haben Investitionen in KI für Unternehmen oberste Priorität? In ganz Europa sagen fast vier von zehn Befragten (38%) «Ja». Am häufigsten sind sich die Arbeitnehmer in der Schweiz (57%), Spanien (54%), Italien (48%) und Frankreich (46%) der Meinung, dass KI im kommenden Jahr eine Top-Investitionspriorität sein wird. Die Befragten in Österreich (22%) und Deutschland (25%) sind deutlich seltener dieser Meinung.
Adrian Ott sagt: «Im Gesamtkontext der Schweizer Zahlen kann man die Aussage wagen, dass man in der Schweiz das Potential von KI ernst nimmt und man als innovatives Hochpreis-Land mit starker Exportorientierung nicht den Globalen Anschluss verpassen möchte. Dabei steht nicht die Angst über den Verlust des eigenen Arbeitsplatzes in Vordergrund, sondern die Innovationskraft und Möglichkeiten welche sich in naher Zukunft durch die KI Technologien ergeben.»
Was sind die zukünftigen Möglichkeiten der KI? Rund 82% der Befragten aus den Sektoren Finanzdienstleistungen sowie Technologie, Medien und Telekommunikation sind optimistisch, was die Entwicklungsmöglichkeiten der Technologie angeht. Eine deutliche Mehrheit der Befragten aus den Bereichen Energie (80%), fortschrittliche Fertigung und Mobilität (77%), Landwirtschaft (73%) und Versicherungen (72%) teilt ebenfalls diese Meinung. (EY/mc/ps)