Geharnischte Kritik an Plänen für Telefon- und Computer-Überwachung

Internet-Überwachung

Bern – Die Verordnungen zur Überwachung von Telefonen und Computern ernten Kritik. Die Telekom und die IT-Branche kritisieren unverhältnismässige Überwachung und fehlende Rechtssicherheit. Die Staatsanwälte wiederum stören sich an höheren Gebühren für Überwachungen.

Die geplante Erhöhung um zunächst 70% wäre für die Kantone eine grosse finanzielle Zusatzlast, sagt Beat Oppliger, Leitender Oberstaatsanwalt des Kantons Zürich und Vorstandsmitglied der Schweizerischen Staatsanwälte-Konferenz (SSK). Auch die Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten (KKPKS) kritisiert die Gebühren.

Die SSK äussert rechtsstaatliche und sicherheitspolitische Bedenken. Zu befürchten sei, dass nur noch der Bund und finanzstarke Kantone organisierte Kriminalität aktiv verfolgen könnten. In den meisten Fällen sei es nicht möglich, die Kosten für die Überwachung von den Beschuldigten einzubringen.

Kantone für Pauschalen
Einer «anteilsmässigen Mitfinanzierung» der höheren Kosten verschlössen sich die Kantone nicht, sagt Oppliger. Um aufwendige Rechnungsstellungen zu umgehen, schlägt die SSK pauschale Entschädigungen für die Überwachung vor. Die Gebührenverordnung solle überarbeitet und statt 2018 erst 2019 in Kraft gesetzt werden.

Der beim angesiedelte Dienst für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Dienst ÜPF) sieht nicht viel Spielraum für ein Entgegenkommen. Die Kosten stiegen, und das Parlament habe bei der Beratung der BÜPF-Vorlage die Anbieter von Fernmeldediensten vom Bezahlen ausgenommen, sagt Sprecher Nils Güggi gegenüber der Nachrichtenagentur sda.

Vorerst dürften die Gebühren deshalb mehr oder weniger wie geplant eingeführt werden. Eine spätere Anpassung sei aber möglich. Für Pauschalen, wie sie den Kantonen vorschweben, bräuchte es allerdings eventuell eine Gesetzesänderung. Güggi gibt auch zu bedenken, dass manche sagen, Pauschalen könnten zu mehr Überwachung führen.

«Geradezu realitätsfremd
Geharnischte Kritik an der Vorlage kommt von der IT- und Telekombranche, beispielsweise an der Identifikationspflicht bei Vertragsabschlüssen mit Kommunikationsdiensten. Swisscom, Sunrise, Salt und upc befürchten grosse Einschränkungen beim Vertrieb, wenn beim Vertragsabschluss ein Ausweis vorgelegt werden muss.

Erfasst werden müssen laut Verordnungsentwurf Name, Vorname, Geburtsdatum, Adresse, Art des vorgelegten Ausweises mit Ausweisnummer und falls bekannt der Beruf. Das sei «geradezu realitätsfremd», macht die Branche geltend – Nutzer und Vertragspartner seien nicht zwingend identisch.

Der IT-Branchenverband Swico nennt als Beispiele Wohngemeinschaften, die sich einen Internet-Anschluss teilen, WiFi-Angebote an Grossanlässen und Open-WLAN-Angebote für Gäste von Restaurants oder Hotels. Der Dienst ÜPF wendet ein, dass nur professionelle Internetanbieter die Vorschrift erfüllen müssten.

Private, die ihr WLAN für Gäste öffneten, seien ausgenommen. Inwieweit dies auch für Cafés oder Restaurants mit Gratis-WLAN gilt, dürfte laut Sprecher Güggi nach der Vernehmlassung in der Verordnung präzisiert werden. Kriterien könnten die Zahl der Sitzplätze in einem Café oder Restaurant sein.

Es gebe im Übrigen benutzerfreundliche Lösungen für die Identifikation, sagte Güggi. Beispiele seien die bei der SBB erforderliche Registrierung via Handynummer oder – in einem Hotel – eine Anmeldung mit der Zimmernummer.

«Beliebig erweiterbar»
Zumindest was den Abschluss von Handyabos angeht, wendet ÜPF-Sprecher Güggi ein, dass man schon heute davon ausgehe, dass bei jedem Abo-Abschluss die Kunden identifiziert würden – für Prepaid-Handys sei diese Pflicht nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA eingeführt worden.

Die Telekom-Unternehmen stören sich generell daran, dass die zulässigen Überwachungsmassnahmen und die Pflichten der Anbieter im Verordnungspaket nicht abschliessend aufgezählt werden. «Sie sind durch die Behörden beliebig erweiterbar geregelt, was erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich bringt», monieren sie.

Die Telekomfirmen kritisieren zudem ihre künftige Auskunftspflicht. Bei ihnen solle zum Beispiel abgefragt werden können, über welche Konten Kunden ihre Rechnungen bezahlten. Auch Daten, die den Fernmeldegeheimnis unterstünden, müssten analysiert und die Ergebnisse als «einfache Auskunft» vorgelegt werden.

Der Dachverband ICTSwitzerland haut in dieselbe Kerbe, und er befürchtet, dass die Bestimmungen Innovationen bremsen könnten. Bei jedem neuen Produkt müsse zum Beispiel vorab sichergestellt werden, dass die Überwachung einwandfrei gewährleistet sei.

Enrtlastung für kleinere Firmen
SuisseDigital, der Verband der Kommunikationsnetze, ist immerhin erfreut darüber, dass Fernmeldedienstanbieter mit einem Umsatz von unter 100 Millionen Franken im Jahr «in stark reduziertem Mass» von den Vorschriften betroffen sind.

Der Dienst ÜPF spricht von über 1000 Firmen, die keine aktiven Überwachungen durchführen müssen und die damit je von Investitionen im fünf- bis sechsstelligen Bereich verschont würden. Diese Überwachungen würde – auf Ersuchen von Strafverfolgern – der Dienst ÜPF übernehmen. Er benötigt dafür allerdings 13 zusätzliche Stellen.

asut, der Verband der Telekommunikation, bemängelt, dass die Verordnung zum BÜPF in verschiedenen Punkten nicht vereinbar sei mit der Digitalisierung der Wirtschaft und Verwaltung, aber auch nicht mit dem Privatleben. Auch zur Strategie des Bundesrates zur Digitalisierung sieht er Widersprüche. (awp/mc/ps)

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