Google kauft Motorola-Mobilfunksparte

Larry Page

Google-CEO Larry Page.

New York – Der Internet-Konzern Google verteidigt mit der grössten Investition der Unternehmensgeschichte seine Mobilfunk-Strategie: Für 12,5 Milliarden Dollar übernimmt Google die Mobilfunksparte von Motorola. Mit dem Mega-Deal würden alle Mobilfunkpatente von Motorola bei Google landen. Und da Motorola vor knapp 30 Jahren das erste kommerziell verfügbare Mobiltelefon auf den Markt gebracht hat, dürfte allein dieses Portfolio Milliarden wert sein.

Der Motorola-Coup heizte sofort die Fantasien der Finanzmärkte an und trieb die Aktien von weiteren möglichen Übernahme-Kandidaten wie Nokia und Research In Motion (RIM) (Blackberry) in die Höhe. Google-Chef Larry Page und Andy Rubin, der Leiter der Android-Entwicklung bei Google, waren zuletzt in die Defensive geraten, obwohl sich in den vergangenen Monaten immer mehr Käufer für ein Smartphone oder Tablet-Computer mit dem Google-System entschieden hatten. Wettbewerber wie Apple und Microsoft verklagten Unternehmen, die das Google-System einsetzen, weil Android gegen ihre Patente verstosse. Ausserdem muss sich Google mit der Klage des Software-Unternehmens Oracle auseinandersetzen, weil Android angeblich Patente um die Software-Umgebung Java verletzt.

Späteinsteiger
Als Späteinsteiger in den Mobilfunkmarkt verfügt Google bislang nur über einige wenige einschlägige Patente. Daher sah sich Larry Page nun zu einem Befreiungsschlag gezwungen – zumal sein Unternehmen zuvor bei der Versteigerung der Patente des gescheiterten kanadischen Mobilfunkausrüsters Nortel nicht zum Zuge gekommen war und einem von Apple und Microsoft organisiertem Konsortium den Vorzug lassen musste.

Bei Google weht nun ein anderer Wind
Google-Gründer Page zeigt nun, dass er nicht lange fackelt, wenn es ein Problem gibt: Anstelle wie von Marktbeobachtern vermutet um Motorola-Patente zu feilschen, kauft er sich gleich den ganzen Handy-Hersteller. Viereinhalb Monate nach Pages Rückkehr an die Konzernspitze ist damit endgültig klar, dass bei dem Suchmaschinen-Riesen jetzt ein anderer Wind weht. Mit Motorola wechselt eine Patent-Schatztruhe den Besitzer. «Wir haben 17’000 erteilte Patente und 7000 Patentanträge, betonte Sanjay Jha, CEO von Motorola Mobility, bei der Vorstellung der jüngsten Finanzzahlen seines Unternehmens.

Munition für Abwehrschlacht
Ursprünglich wollte Jha diese Patente nutzen, um sich von den Android-Handys anderer Hersteller wie Samsung und HTC abzusetzen. Nun sollen die Motorola-Patente die Munitionskammer von Google in der Abwehrschlacht aller Android-Partner füllen. Kurzfristig wird sich aber nur wenig ändern: «Zunächst wird es vermutlich keine Auswirkung auf die Patentklagen von Apple und Microsoft geben, da der Abschluss der Transaktion dauert und Google auch theoretisch noch überboten werden könnte», sagte Patenexperte Florian Müller der Nachrichtenagentur dpa.

Android-Partner bei Laune halten
Selbst wenn der Patent-Schutzwall für Android funktioniert, könnte er Google aber auch neue Probleme bringen. Um andere wichtige Android-Partner wie HTC oder Samsung bei Laune zu halten, müsste Google auch künftig der Versuchung widerstehen, Teile des geistigen Eigentums von Motorola für sich allein zu behalten. Sonst könnten die bisherigen Android-Hersteller mit fliegenden Fahnen in das Lager von Microsoft überlaufen. Google verbreitete denn auch umgehend Zitate der Chefs von HTC, Samsung und LG, die den Motorola-Deal als Zeichen für Googles Verbundenheit mit Android begrüssen. Bislang stellen HTC, Samsung oder LG sowohl Android-Smartphones als auch Geräte mit dem Microsoft-System Windows Phone her. Eine Schlüsselrolle fällt in der Microsoft-Strategie aber Nokia zu, dem weltgrössten Handy-Hersteller, der seine Zukunft im Smartphone-Markt an Windows Phone gekoppelt hat.

Google geht den «Apple-Weg»
Der aktuelle Vergleich des Gewichts im Smartphone-Markt könnte klarer nicht sein: Die Analysten von Gartner kamen auf 43,4 Prozent für Android und lediglich 1,6 Prozent für mobile Windows-Betriebssysteme. Googles Motorola-Deal belebte sofort die alte Spekulation, Microsoft könnte Nokia kaufen. Denn mit der Einbindung des Handy-Herstellers geht Google gewissermassen den «Apple-Weg», mit dem Steve Jobs sein iPhone zum Hit gemacht hat: Alles aus einer Hand, die volle Kontrolle über Software- und Gerätedesign. Bei ersten «Android-Flaggschiffen» konnte Google noch darauf verweisen, dass viele Köche am Werk waren. Jetzt steht der Verwirklichung der puren Android-Vision nichts mehr im Weg. (awp/mc/upd/ps)

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