Google-Mitbegründer Sergey Brin.
San Francisco – Mit einem eigenen kleinen Tablet-Computer rüstet sich Google für den Wettbewerb gegen Amazon und Apple. Der Internet-Riese stellte am Mittwoch den iPad-Konkurrenten Nexus 7 vor, der mit einem Einstiegspreis von 200 Dollar auf den Massenmarkt zielt. Das Tablet wird von Google gegen das iPad von Apple, aber vor allem auch gegen den Kindle Fire von Amazon positioniert. Star der Entwicklerkonferenz Google I/O in San Francisco war am Mittwoch (Ortszeit) allerdings nicht die neue Hardware, sondern Sergej Brin. Unter dem Jubel der rund 6000 Entwickler liess der Google-Mitbegründer eine atemberaubende Demonstration der Video-Brille «Google Glass» aufführen.
Von der Bühne des Moscone-Centers aus steuerte Brin ein Team von Extremsportlern, die aus einem Luftschiff über San Francisco absprangen, mit ihren Fallschirmen auf dem Dach des Veranstaltungsortes landeten und sich dann an der Glasfront des Konferenzzentrums abseilten, um schliesslich auf die Bühne zu kommen. Die gesamte Aktion wurde aus der Perspektive der Sportler live über die Brille «Google Glass» in die Halle übertragen. Das Konzept einer Virtual-Reality-Brille, bei der Informationen aus dem Internet mit dem Live-Bild der Brillen-Kamera kombiniert werden, soll im kommenden Jahr mit einem erstem «Explorer»-Paket für Anwendungs-Entwickler in den USA vorangetrieben werden.
Bald alle mit «Google Glass» auf der Nase?
Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa räumte Brin ein, dass die futuristische Brille derzeit für viele Menschen noch komisch aussehe. «Es wird in ein paar Jahren aber einen Punkt geben, wo es merkwürdiger aussehen wird, wenn Leute im Gehen die ganze Zeit auf den Bildschirm ihres Smartphone herunterschauen.» Bei dem Projekt gehe es vor allem darum, eine einfach zu bedienende Technologie zu entwickeln, die dem Menschen nicht im Wege stehe. Dafür gehe Google bei der Entwicklung der Technologie auch ein Risiko ein. Brin stellte in Aussicht, «Google Glass» werde vermutlich ein Jahr nach dem Explorer-Bundle zu einem deutlich niedrigeren Preis als das Entwickler-Paket (1500 Dollar) öffentlich verfügbar sein.
Nexus 7 in Teilen der Welt ab Mitte Juli verfügbar
Deutlich früher können Google-Kunden den neuen Tablet-Computer in Händen halten: In den USA, Kanada, Australien und Grossbritannien soll das Nexus 7 Mitte Juli verfügbar sein. In Deutschland wird man einige Monate länger auf das vom taiwanesischen Hersteller Asus produzierte Gerät warten müssen. Das kompakte Vorzeigegerät im Sieben-Zoll-Format ist auf die Möglichkeiten von Android abgestimmt und bindet die Software-Plattform Google Play eng ein. Diese wird zu einer Medienzentrale und bietet künftig neben Anwendungen auch Filme, TV-Sendungen und Magazine an – auch wenn viele dieser Angebote in Deutschland noch nicht verfügbar sind.
Neue Android-Version
Die neue Android-Version 4.1 – Codename: Jelly Bean – wartet mit etlichen neuen Funktionen auf. Die überarbeitete Spracherkennung ist vollständig auf dem Gerät installiert und funktioniert somit ohne Internetverbindung. Das Siri-Pendant ist zunächst lediglich in Englisch verfügbar, weitere Sprachversionen sollen bald folgen.
Weitere Neuerungen: Über die Nahfunk-Technologie NFC sollen Nutzer Kontakte, Fotos und Videos mit einer simplen Geste austauschen können. Die Verbindung mit Bluetooth-Geräten wie Kopfhörern oder Headsets wird wesentlich vereinfacht. Zudem überarbeitet Google die Benutzeroberfläche. Die Auslieferung des Systems für Smartphones und Tablet-Computer soll Mitte Juli beginnen. Bis Nutzer die Software auf ihrem Gerät haben, vergeht erfahrungsgemäss aber einige Zeit – falls der Gerätehersteller überhaupt ein Update anbietet.
Täglich 1 Mio neuer Android-Geräte aktiviert
Mit neuen Zahlen unterstrich Google die Bedeutung von Android. Jeden Tag werden eine Million Geräte mit dem System aktiviert. Mittlerweile ist die Marke von 400 Millionen Android-Smartphones und -Tablets überschritten. Auf der Software-Plattform Google Play sind 600’000 Applikationen und Spiele verfügbar. Seit dem Start verzeichnete Google mehr als 20 Milliarden Installationen.
Der Internet-Riese investiert ausserdem weiter in sein Soziales Netzwerk Google+, das vor einem Jahr gestartet wurde. Neue Apps für mobile Geräte sollen für eine bessere Nutzererfahrung auf Smartphones und Tablet-Computern sorgen – etwa indem sie Fotos und Videos deutlich mehr Platz einräumen. Google-Manager Vic Gundotra betonte, Google+ sei auf einem guten Weg: Derzeit habe das Online-Netzwerk 150 Millionen aktive Nutzer und wachse weiter schnell.
Zur Google I/O haben sich mehr als 6000 Programmierer und Internet-Experten in San Francisco versammelt. Ein wesentlicher Bestandteil der Konferenz sind die technischen Sitzungen, in denen das Unternehmen zeigt, welche Themen ihm besonders wichtig sind: Neben Android beispielsweise das mobile Betriebssystem Chrome, das Soziale Netzwerk Google+, der Kartendienst Maps, ausserdem der Bezahldienst Wallet und die Daten-Synchronisierung Drive. Auch der Web-Standard HTML5 und YouTube spielen eine wichtige Rolle.
Sergej Brin: Larry Page nicht ernsthaft erkrankt
Google -Mitbegründer Sergej Brin hat Spekulationen um eine ernsthafte Erkrankung von Google-Chef Larry Page zurückgewiesen. «Larry hat nur die Stimme verloren», sagte Brin vor Journalisten am Rande der Entwicklerkonferenz Google I/O am Mittwoch in San Francisco. Woran Page genau erkrankt ist, sagte Brin allerdings nicht. «Ich bin kein Arzt» betonte er. Das Handicap mache Page als Chef von Google derzeit besonders effizient. «Manchmal ist es gut, wenn man nicht viel reden muss, sondern sich auf durchdachte und wohl formulierte Texte konzentrieren kann.»
Google hatte den Auftritt von Page vor Aktionären und auf der aktuell stattfindenden Entwicklerkonferenz mit dem Hinweis abgesagt, Page habe kürzlich seine Stimme verloren. Da das Unternehmen keine weiteren Details zum Gesundheitszustand des 39 Jahre alten Konzernchefs nannte, schossen Spekulationen und Vergleiche mit der Erkrankung des ehemaligen Apple-Chefs Steve Jobs ins Kraut. Bei Jobs war 2003 erstmals eine Krebserkrankung festgestellt worden, ohne dass die Öffentlichkeit umfassend über den Gesundheitszustand informiert wurde. Im Oktober 2011 erlag Jobs seinem Krebsleiden. (awp/mc/upd/ps)