Zürich – Die Einführung von ChatGPT als erste frei zugängliche Anwendung auf Basis generativer künstlicher Intelligenz hat eine neue Ära eingeläutet – es ist ein „Sputnik-Moment“ mit globalen Auswirkungen auf Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Die schnelle Verbreitung von generativer KI hat bereits in weniger als 2 Jahren zahlreiche Einsatzmöglichkeiten eröffnet, wirft jedoch auch Fragen hinsichtlich der Ergebnisqualität, der Nutzung von Trainingsdaten und der Einhaltung ethischer Normen auf.
In diesem Zusammenhang besteht internationaler Konsens darüber, dass regulatorische Rahmenbedingungen und globale Vereinbarungen notwendig sind, um die Vorteile dieser neuen Basistechnologie mit einem verantwortungsvollen Umgang in Einklang zu bringen. Die EU etwa hat mit dem „AI Act“ das weltweit erste umfassende KI-Gesetz verabschiedet, das den rechtlichen Rahmen und die Anforderungen für KI-Systeme festlegt.
Die Schweiz widmet sich diesem Thema mit ihrem Engagement im Europarat und dem Auftrag des Bundesrats an das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) zur Erarbeitung einer Übersicht zu möglichen Regulierungsansätzen. Als erfolgreicher Wirtschafts-, Finanz- und Forschungsstandort sowie als Gastland vieler internationaler Organisationen ist die Schweiz gut positioniert, um in dieser neuen Ära eine global relevante Rolle für die Entwicklung und das Erproben von KI einzunehmen.
Hierfür hat die Innovate Switzerland Community einen ganzheitlichen Vorschlag für die Gestaltung der digitalen Schweiz von morgen erarbeitet. Basierend auf Analysen und Berichten von Experten aus öffentlichen und privaten Organisationen wurden zwei zentrale Eckpunkte für eine Schweizer KI-Regulierung identifiziert:
- Bestehende Gesetze nutzen und gezielt ergänzen: Die Schweiz verfügt bereits über eine solide rechtliche Basis, die als Grundlage für den Einsatz von KI weitgehend ausreichend ist. Es ist jedoch wichtig, die bestehenden Gesetze gezielt anzupassen und zu ergänzen, um den potenziellen Herausforderungen der neuen Basistechnologie gerecht zu werden. Dabei sollten horizontale KI-Regulierungen vermieden werden.
- Technologieneutralität und prinzipienbasierte Regulierung bewahren: Die Schweizer Regulierung sollte technologieneutral bleiben und sich auf allgemeine Grundsätze und Ziele konzentrieren, anstatt spezifische Regeln für einzelne Anwendungsfälle festzulegen. Dies gewährleistet Flexibilität und ermöglicht eine effektive Regulierung auch für zukünftige Technologiegenerationen.
Aus Wissenschaft und Industrie erhalten die Vorschläge von Innovate Switzerland Unterstützung:
«Das Positionspapier von Innovate Switzerland bringt die wesentlichen Fragen auf den Punkt und spricht sich zu Recht für einen eigenständigen, technologieneutralen Schweizer Ansatz aus, der im Wesentlichen auf einer Anwendung und punktuellen Anpassung des Schweizer Rechts beruht», sagt der Inhaber des Lehrstuhls für Informations- und Kommunikationsrecht an der Universität Zürich Prof. Dr. Florent Thouvenin. Und Matthias Brändle, Leiter Datenstrategie & Analytics Nearshore, die Mobiliar, hält fest: «Im lesenswerten Positionspapier von Innovate Switzerland gefällt mir insbesondere die prägnante Synthese unterschiedlicher Aspekte im Sinne einer pragmatischen und konsistenten KI-Regulierung.»
Die Innovate Switzerland Community hat ausgehend von den grundlegenden Überlegungen acht Prioritäten für den Gesetzgeber, die Wissenschaft und die Gesellschaft identifiziert, um einen sicheren und vertrauenswürdigen Rahmen für die Arbeit an und mit KI zu schaffen:
- Pragmatische Anpassung der nationalen Regulierung unter Berücksichtigung internationaler Entwicklungen: Die Schweiz sollte ihre Gesetze entlang der Risikodimensionen von KI überprüfen und gegebenenfalls anpassen, um Missbrauch zu verhindern und Innovationen zu fördern.
- Schaffung von Wissen und Entscheidungsfähigkeit: Es ist entscheidend, dass Entscheidungsträger und die breite Öffentlichkeit über fundierte Kenntnisse im Bereich KI verfügen, um die richtigen Rahmenbedingungen für den Einsatz von KI zu schaffen.
- Vertrauensvoller Schutz kritischer Infrastrukturen: Die Schweiz muss – international abgestimmt – Sicherheitsvorkehrungen für den Einsatz von KI in kritischen Infrastrukturen festlegen und umsetzen, um deren Widerstandsfähigkeit zu gewährleisten.
- Ausrichtung der Governance von Organisationen auf Transparenz und Verantwortung: Organisationen sollten Selbstverpflichtungen entlang der gesamten Technologiearchitektur beim Einsatz von KI entwickeln und umsetzen.
- Definition von Standards für Evaluation und Zertifizierung von KI: Es ist wichtig, technische und wissenschaftliche Grundlagen für die Bewertung und Zertifizierung von KI-Systemen und -Diensten zu schaffen.
- Ermöglichung von realen Testumgebungen und Förderung von Public-Private-Partnerships: Unternehmen und die öffentliche Hand sollten neue KI-Anwendungen in praxisrelevanten Testumgebungen prüfen und validieren können.
- Nutzung von Exzellenz für vertrauenswürdige Daten: Die Schweiz sollte sich als Handelsplatz von qualitätsgeprüften Datensätzen positionieren, um hochwertige KI-Systeme zu ermöglichen.
- Förderung von ESG-kompatibler KI: KI-Bewertungen sollten ökologische und soziale Dimensionen berücksichtigen, um die Entwicklung von KI-Anwendungen zu unterstützen, die im Einklang mit den ESG-Kriterien stehen.
Die Innovate Switzerland Community ruft alle Akteure in der Schweiz dazu auf, gemeinsam Verantwortung für die Weiterentwicklung des Landes als innovationsfreundlicher und rechtssicherer Standort im Zeitalter der künstlichen Intelligenz zu übernehmen und die digitale Schweiz von morgen aktiv mitzugestalten. (Innovate Switzerland/mc/ps)
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