Redmond – Mega-Übernahme in der Spielebranche: Populäre Games wie «Call of Duty» und «Candy Crush» sollen künftig von Microsoft kommen. Der Software-Riese hinter der Spielekonsole Xbox will dafür den Spieleanbieter Activision Blizzard für fast 70 Milliarden Dollar kaufen.
Microsoft ist bereit, für Activision Blizzard einen heftigen Aufpreis zu zahlen: Das Gebot von 95 Dollar je Aktie liegt gut 45 Prozent über dem Schlusskurs von 65,39 Dollar am vorherigen US-Handelstag am Freitag. Die Spielefirma werde damit insgesamt mit 68,7 Milliarden Dollar (60,4 Mrd Euro) bewertet, wie Microsoft am Dienstag mitteilte.
Was passiert mit Bobby Kotick?
Der umstrittene Chef von Activision Blizzard, Bobby Kotick, werde weiter an der Spitze der Spielefirma bleiben, hiess es in der offiziellen Mitteilung. Das «Wall Street Journal» berichtete allerdings wenige Stunden später unter Berufung auf informierte Personen, er solle gehen, wenn die Übernahme abgeschlossen ist.
Kotick war in den vergangenen Monaten nach Vorwürfen von sexueller Belästigung und Diskriminierung bei dem Unternehmen in die Kritik geraten. Unter anderem wurde ihm vorgehalten, nicht entschieden genug gegen Fehlverhalten von Managern eingeschritten zu sein.
Klage wegen sexistischer Unternehmenskultur
Activision Blizzard war im Sommer vom US-Bundesstaat Kalifornien verklagt worden. Der Konzern habe eine sexistische Unternehmenskultur gefördert, bei der Frauen systematisch benachteiligt würden, kritisierte die für die Einhaltung fairer Arbeitsbedingungen in dem Bundesstaat zuständige Behörde DFEH. Die Firma wies dies zunächst weit von sich, beauftragte dann aber doch eine Anwaltsfirma mit der Aufklärung der Vorwürfe.
In der Branche wurde auch immer wieder die Frage aufgeworfen, ob ein Neuanfang bei Activision Blizzard mit Kotick an der Spitze überhaupt möglich sei. Er hielt sich jedoch mit Rückhalt seines Verwaltungsrates fest im Chefsessel. Nach Abschluss der Übernahme soll Activision Blizzard Microsofts Spiele-Chef Phil Spencer unterstellt werden, kündigten die Unternehmen an.
Skepsis bei Anlegern
Microsoft rechnet mit einem Abschluss des Deals bis Ende seines nächsten Geschäftsjahres, das bis Mitte 2023 läuft. Vorher muss unter anderem noch die Zustimmung der Wettbewerbshüter eingeholt werden. Der Kurs der Activision-Aktie stieg im US-Handel am Dienstag zeitweise auf fast 87 Dollar und lag zuletzt bei gut 82 Dollar, noch deutlich entfernt von den gebotenen 95 Dollar – was eine gewisse Skepsis der Anleger zeigt.
400 Millionen Gamer monatlich
Microsoft, das bereits Spielestudios mit bekannten Titeln wie «Doom» und «Minecraft» unter seinem Dach hat, würde seine Marktposition mit Activision Blizzard deutlich stärken. Games der Firma locken monatlich knapp 400 Millionen Spieler an. Rund 245 Millionen davon entfallen auf den vor einigen Jahren übernommenen «Candy Crush»-Anbieter King.
Wandel in der Spielebranche
Die Spielebranche befindet sich aktuell in einem grossen Wandel. Zum einen verlagert sich mehr Geschäft von Konsolen und PCs auf Smartphones. Dort sind die Games meist zwar kostenlos zu spielen – viele Nutzer geben aber Geld für zusätzliche Inhalte oder Hilfen aus. Diese kleinen Beträge addieren sich angesichts der Grösse des Smartphone-Marktes zu beträchtlichen Summen.
Zum anderen gehört Microsoft zu den Plattform-Anbietern, die versuchen, Spiele-Streaming im Markt zu etablieren. Die Spiele laufen dabei eigentlich nicht auf den Geräten der Nutzer, sondern auf Servern im Netz. Das Modell bietet die Aussicht auf fortlaufende Abo-Einnahmen statt des einmaligen Verkaufs einer Konsole. Allerdings sind schnelle und reaktionsfreudige Internet-Verbindungen eine Grundvoraussetzung für das Modell, das bisher noch ein Nischenangebot ist.
Microsofts Geschäft mit der Xbox-Konsole wurde zuletzt – wie auch beim Konkurrenten Sony mit seiner Playstation – stark von den globalen Engpässen bei Chips und anderen Bauteilen gebremst. Xbox- und Playstation-Geräte der neuesten Generation sind mehr als ein Jahr nach der Markteinführung nach wie vor schwer zu bekommen.
Activision Blizzard profitierte wie auch andere Branchenplayer zeitweise von der Corona-Pandemie, in der Menschen mehr Zeit mit Videospielen und Smartphone-Games verbringen. Zuletzt verbuchte die Firma im Ende September abgeschlossenen Quartal ein leichtes Umsatzplus auf gut zwei Milliarden Dollar. Der Gewinn legte im Jahresvergleich um rund sechs Prozent auf 639 Millionen Dollar zu. (awp/mc/pg)