Musk droht mit Ausstieg aus Twitter-Deal wegen Bot-Kontroverse
San Francisco – Tech-Milliardär Elon Musk verstärkt seine Bemühungen, sich den Weg für einen Ausstieg aus dem Deal zur Übernahme von Twitter offenzuhalten. In einem am Montag veröffentlichten Brief seiner Anwälte an Twitters Chefjuristin Vijaya Gadde heisst es, das Unternehmen weigere sich, ihm Daten für eigene Recherchen zur Zahl von Spam- und Fake-Accounts zu liefern. Dies sei ein Verstoss gegen die Übernahme-Vereinbarung. Deswegen behalte er sich vor, aus dem Deal auszusteigen.
Musk versucht bereits seit Mitte Mai, angeblich falsche Schätzungen von Twitter zur Zahl der Spam- und Fake-Accounts zum Thema zu machen. So erklärte er den Übernahmedeal deswegen bereits für ausgesetzt. Aus Sicht von Twitter kann Musk allerdings die Vereinbarung nicht einseitig auf Eis legen.
Auch am Montag betonte das Unternehmen in einer Stellungnahme unter anderem im «Wall Street Journal», es sei weiterhin entschlossen, die Übernahme zu den vereinbarten Konditionen durchzusetzen. Die Frage, ob Musk mit seinen Vorwürfen einen ausreichenden Grund für einen Ausstieg aus dem Deal hat, könnte am Ende vor Gericht entschieden werden.
Aktie erneut unter Druck
Musk bot den Twitter-Anteilseignern 54,20 Dollar pro Aktie. Der Kurs des Online-Dienstes geriet bereits nach seinen Äusserungen in den vergangenen Wochen unter Druck und sank am Montag nach der Ausstiegsdrohung um 1,49 Prozent auf 39,56 Dollar. In einer ersten Reaktion war das Minus mit über sechs Prozent noch deutlich höher ausgefallen.
Twitter selbst schätzt, dass Fake-Accounts weniger als fünf Prozent der Nutzerbasis ausmachen. Das Unternehmen spricht von 229 Millionen täglichen Nutzern, die der Dienst mit seiner Werbung erreichen kann. Die von Twitter identifizierten Fake-Accounts sind dabei bereits abgezogen.
Twitter-Chef Parag Agrawal betonte auch, dass der Dienst jeden Tag mehr als eine halbe Million Spam-Accounts blockiere – meist bevor Nutzer sie zu sehen bekämen. Schätzungen zur Zahl der Fake-Accounts von ausserhalb der Firma seien nicht seriös zu machen, warnte er.
Umstrittene Auskunftspflicht
Musks Anwälte schrieben in ihrem am Montag veröffentlichten Brief, Twitter sei laut den Bedingungen des Übernahmedeals aber dazu verpflichtet, Daten und Informationen zu liefern, die Musk mit Bezug zur Transaktion einfordere. Anders als von Twitter dargestellt, gelte diese Auskunftspflicht nicht nur für stark eingeschränkte Zwecke, argumentierten sie.
Rückendeckung bekam Musk vom Generalstaatsanwalt des Bundesstaates Texas, Ken Paxton, der eine Untersuchung zu Twitters Angaben über die Zahl der Fake-Accounts bekanntgab. Das Unternehmen ist nun binnen drei Wochen aufgefordert, Informationen dazu zu liefern. Der Republikaner Paxton liegt schon länger im Clinch mit Twitter und anderen Online-Plattformen. Er wirft ihnen vor, konservative Ansichten zu unterdrücken.
Ein von Paxton vorangetriebenes texanisches Gesetz verbot den Online-Diensten, gegen jegliche Meinungsäusserungen von Nutzern vorzugehen. Ein Nebeneffekt davon wäre, dass die Plattformen zum Beispiel auch Hassrede nicht entfernen können. Das Gesetz wurde vom Obersten Gericht der USA ausgesetzt.
Musk verlegte die Zentrale des von ihm geführten Elektroauto-Herstellers Tesla von Kalifornien nach Texas und kündigte jüngst an, bei Wahlen künftig für die Republikaner zu stimmen. (awp/mc/ps)