Nationalfonds: Cybermobbing wird überschätzt

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(Foto: strixcode - Fotolia.com)

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Bern – Cybermobbing gilt als eine der grössten Gefahren, der Jugendliche in der digitalen Welt ausgesetzt sind. Die Bedeutung des Phänomens wird in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings überschätzt. Zu diesem Schluss kommen zwei vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützte Studien.  

Cybermobbing, also das wiederholte aggressive Verhalten gegen einzelne wehrlose Personen mit digitalen Mitteln, kann reale Konsequenzen haben. Unlängst fanden drastische Einzelfälle in den Medien ein grosses Echo: Opfer waren durch Anfeindungen auf Facebook bis zum Selbstmord getrieben worden.

Dreimal weniger häufig
Nicht verwunderlich also, dass Cybermobbing oft als eine der grössten Gefahren genannt wird, der Jugendliche in der digitalen Welt ausgesetzt sind. Die Bedeutung des Phänomens wird in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings überschätzt. Zu diesem Schluss kommen Psychologinnen und Psychologen der Pädagogischen Hochschule Thurgau sowie der Universitäten Zürich und Bern. Sie haben rund 950 Jugendliche im Alter von 13 und 14 Jahren aus den Kantonen Tessin, Wallis und Thurgau mehrmals befragt. Cybermobbing – darunter fallen Email- und SMS-Nachrichten sowie die Kommunikation in Chats und auf Plattformen wie Facebook – ist demnach etwa dreimal weniger häufig als Mobbing in der realen Welt.

«Die Ansicht, dass alle Jugendlichen dank der neuen Möglichkeiten gedankenlos drauflosmobben, ist weit von der Realität entfernt», sagt Sonja Perren von der Pädagogischen Hochschule Thurgau. Die Forschenden sehen Cybermobbing eher als Verlängerung herkömmlichen Mobbings in die neuen Kommunikationsräume hinein denn als eigenständiges Phänomen. Im Cyberspace werden häufig diejenigen Jugendlichen als «Mobber» auffällig, die ohnehin zu aggressivem und antisozialem Verhalten neigen. Eine Rolle spielt erwartungsgemäss auch die Zeit, die Jugendliche im Internet verbringen. Faktoren wie das Geschlecht oder die Empathiefähigkeit sind dagegen vernachlässigbar.

Massive Attacken sind selten
Die Jugendlichen wurden nicht nur zu ihren Erfahrungen mit Cybermobbing – als Täter wie als Opfer – befragt, sondern auch dazu, als wie belastend sie verschiedene Formen von Mobbing einschätzen. Auch hier zeigt sich, dass Cybermobbing keine neue Dimension hat, was die wahrgenommenen negativen Auswirkungen angeht. Für die Jugendlichen rangiert zwar das anonyme und öffentliche Mobbing in der digitalen Sphäre als schlimmstes Szenario, doch als fast ebenso schlimm wird das herkömmliche Mobbing empfunden, wenn es ebenso öffentlich und anonym erfolgt.

Das Medium per se wird also nicht als angsteinflössend wahrgenommen, sondern höchstens sein Potential, anonyme und weite Kreise ziehende Angriffe zuzulassen. «Cybermobbing kann schlimmer sein als gewöhnliches Mobbing, falls es anonym geschieht und viele Leute erreicht, insbesondere wenn eine Attacke ausser Kontrolle gerät. Doch massive Attacken kommen fast nie vor», sagt Perren.

Klassische Prävention
Nach Ansicht der Forschenden braucht es keine spezielle Prävention gegen Cybermobbing. Die klassische Antimobbingprävention, die potentielle Fälle früh aufdeckt sowie Sozialkompetenzen und moralische Werte vermittelt, greife auch in der digitalen Sphäre. «Medienkompetenz gehört zweifellos auch dazu, doch kann diese falsche Akzente setzen, wenn sie möglichen Opfern die Schuld zuschiebt, weil diese unbedacht Bilder gepostet hätten – das kann die negativen Auswirkungen von Mobbing verschlimmern», meint Perren. Cybermobbing werde am besten in die klassische Prävention eingebunden, indem Schüler, Lehrpersonen und Eltern auf ihre Mitverantwortung aufmerksam gemacht würden. Nicht nur Mobber und ihre Mitläufer seien für das Mobbing verantwortlich, sondern auch alle, die es geschehen liessen. (SNF/mc/pg)

Schweizerischer Nationalfonds

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