Neues EY-Thesenpapier zur «Künstlichen Intelligenz»: Vertrauen wird entscheidender Erfolgsfaktor für Mensch, KI und die Wirtschaft

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Adrian Ott, Chief Artificial Intelligence Officer bei EY Schweiz (l.) und Madan Sathe, Head Data Analytics and AI für Financial Services bei EY Schweiz. (Foto: zvg)

Zürich – Wird der Mensch durch Künstliche Intelligenz bei der Arbeit ersetzt werden? Was muss getan werden, um dem Missbrauch von KI vorzubeugen und werden sich Menschen und Maschinen bald gegenseitig vertrauen und sich sogar ineinander verlieben? EY blickt mit dem neu eingeführten Thesenpapier in die Zukunft der Künstlichen Intelligenz und gibt zu drei Thesen erste Antworten.

These 1: Mehrheit der Jobs wird nicht verschwinden – KI wird neue Arbeitsfelder erschliessen.

Die Auswirkungen der technologischen Entwicklung auf die Beschäftigung werden mittelfristig einen positiven Nettoeffekt ausweisen. Künstliche Intelligenz, Big-Data-Analytics, und Automatisierung werden voraussichtlich die grössten Impulsgeber für das Beschäftigungswachstum sein. Branchen wie der Gesundheits-, Bildungs-, und öffentlicher Sektor werden profitieren. So erlaubt generative KI bei der Diagnostik und Auswertung von medizinischen Daten schon heute grosse Qualitäts- und Effizienzsteigerungen. In administrativ aufwendigen Sektoren kann durch die Automatisierung der Arbeitsprozesse eine grosse Effizienzsteigerung erreicht werden.

Rund zwei Drittel von 1200 international durch EY befragten CEOs sind der Meinung, dass von KI betroffene Stellen durch neue ersetzt werden. Von in einem WEF-Report weltweit untersuchten 673 Millionen Arbeitsplätzen werden netto lediglich 2% (rund 14 Millionen) der KI zum Opfer fallen.

In reicheren Ländern, wie der Schweiz, hat KI negativere Auswirkungen auf Arbeitsplätze als in ärmeren Ländern. Hierzulande sind 5,5% der Arbeitsplätze gefährdet gegenüber 0,4% in ärmeren Ländern. Der Grund liegt in der Automatisierung durch generative KI, welche sich stärker auf Bürojobs auswirken wird.

Entscheidend wird sein, dass Menschen sich neue Skills im Umgang mit KI aneignen. Dabei spielen Bildung, Umschulungen und generell die Anpassung der Unternehmenskultur eine entscheidende Rolle. In einer KI-freundlichen Kultur werden Unternehmen die KI-affine Belegschaft fördern, den Enthusiasmus der Mitarbeitenden unterstützen und Innovationen belohnen.

These 2: Ethische und rechtlich sichere Nutzung ist nicht gewährleistet

Alle müssen mit anpacken – Gesellschaft, Politik und Unternehmen. Der Druck, in einem sehr hohen Tempo neue Regelwerke zu erarbeiten und bestehende anzupassen, steigt stark. Für die Regulierung gilt es, die Balance zu finden zwischen Innovationsförderung, Konsumentenschutz und der Vermeidung unbeabsichtigter Konsequenzen. Gleichzeitig sind Unternehmen gefordert, durch zusätzliche Massnahmen im Bereich Recht, Datenschutz und Compliance eine ethische und sichere Nutzung der KI zu gewährleisten. Es wird ein Wettlauf entstehen zwischen technologischer Innovation und Entwicklung auf der einen Seite und staatlicher Regulierung auf der anderen Seite. Der Tempo-Verursacher KI könnte gleichzeitig die Lösung sein. Adrian Ott, Partner und Chief Artificial Intelligence Officer bei EY Schweiz sagt: «Regulierungen werden von den Unternehmen oft als Innovations-Bremser angesehen. Falls sie jedoch richtig verstanden und durch ein modernes Risikomanagement umgesetzt werden, können Regulierungsmechanismen der Planungssicherheit von Unternehmen dienen, um ihre AI Strategie gezielt voranzutreiben.» Dabei spielt neben Schweizer Regelungen auch die EU eine wichtige Rolle.

Schweiz massgebend von EU-Gesetz betroffen
Der AI-Act der Europäischen Union, dessen Vernehmlassungsvorlage bis Ende 2023 entsteht und voraussichtlich 2026 in Kraft tritt, wird auch Auswirkungen auf die Schweiz haben. Die Verordnung wird anwendbar sein, wenn ein KI-System innerhalb der EU eingesetzt oder dessen Output in der EU verwendet wird. Dies trifft zum Beispiel zu, wenn Schweizer Unternehmen ihre Systeme anderen Unternehmen, öffentlichen Stellen oder Personen innerhalb der EU zugänglich machen, oder, wenn eine in der Schweiz von einem KI-basierten System getroffene Prognose, Empfehlung oder Entscheidung innerhalb der EU verwendet wird. Der Schweizer Gesetzgeber – hier im konkreten Fall das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) – prüft eine eigene Regulierung. Die Analyse soll die Basis schaffen, damit der Bundesrat 2025 einen konkreten Auftrag für eine Regulierungsvorlage KI erteilen und die Zuständigkeiten regeln kann. Die Analyse wird auf bestehendem Schweizer Recht aufbauen und mögliche Regulierungsansätze für die Schweiz aufzeigen, die mit der KI-Verordnung der EU und der KI-Konvention des Europarats kompatibel sind. Beide internationalen Regelwerke sind für die Schweiz relevant.

Für Unternehmen hat das alles jetzt schon konkrete und weitreichende Auswirkungen. Madan Sathe, Partner und Head Data Analytics and AI für Financial Services bei EY Schweiz erklärt dazu: «Regeln sind wichtig, doch es braucht mehr: Risiko Management und Compliance müssen bereits jetzt auf die individuelle KI-Firmensituation angepasst werden. Der Datenschutz und Sicherheit wird im Zentrum des wirtschaftlichen Handelns stehen.» KI wird entscheidend sein beim Datenmanagement und wird auf oberster Führungsebene geregelt werden müssen. Dabei ist es wichtig, eine daten- und KI-gesteuerte Denkweise und Unternehmenskultur zu fördern und vor allem zu leben.

These 3: Künstliche Intelligenz wird unsere Entscheidungen im Sozialleben massgeblich verändern, vermehrt steuern und mitprägen. KI wird unser Lebenspartner werden.

Filme wie «Her», in dem sich Menschen in KI verlieben, könnten bald schon Realität sein, mit Auswirkungen bis in die Arbeitswelt. Es wird immer mehr Menschen geben, die eine emotionale Verbindung zu einer KI oder einem Chatbot entwickeln, die als Teil von virtuellen Assistenten oder Unterhaltungsanwendungen entwickelt wurden. In einem noch umstrittenen Bereich der Technologie kann man sich heute schon über «Large Language Models» den perfekten digitalen Chat-Partner zusammenstellen, welcher eine intime Beziehung nach den Wünschen des Erstellers simuliert.

KI wird bereits heute in Dating-Plattformen und -Apps verwendet, um Benutzerprofile zu analysieren und Empfehlungen für potenzielle Partner zu geben. Diese Empfehlungen basieren oft auf Algorithmen, die persönliche Präferenzen auswerten und mit maschinellem Lernen versuchen, einen geeigneten Partner zu finden.

Diese Entwicklungen haben auch Einfluss auf die Arbeitswelt: Algorithmen und Erkenntnisse aus zwischenmenschlichen Anwendungen lassen sich für individualisierte Customer-Relationship-Modelle ableiten. Kunden hinterlassen bei jeder Interaktion mit Unternehmen ihre digitalen Fussabdrücke. Dies bietet Gelegenheiten für Unternehmen, diese Kundendaten zu nutzen, um mit künstlicher Intelligenz, Prozesse im Customer Relationship Management (CRM) zu optimieren, Kunden genauer zu verstehen und Umsatzpotentiale zu realisieren. Dabei spielen auch Emotionen eine wichtige Rolle. (EY/mc/ps)

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