Luzern – Das schwierige Marktumfeld im E-Commerce beschäftigt Schweizer Onlinehändler, wie die Onlinehändlerbefragung 2023 der Hochschule Luzern und der Schweizerischen Post zeigt. Auf der Suche nach Wachstumschancen stellen digitale Marktplätze wie Galaxus und Co. wichtige Vertriebskanäle dar. Das Potenzial von Künstlicher Intelligenz oder gezielten Kundenbindungsmassnahmen wird hingegen erst wenig genutzt.
Im Schweizer Onlinehandel setzte 2022 erstmals eine Konsolidierung ein. Auch mit Blick auf die erste Jahreshälfte 2023 wird deutlich: Die Zeiten zweistelliger Wachstumsrate scheinen für das Gros der Schweizer Onlinehändler vorbei zu sein, zumindest vorübergehend. Diese Entwicklung schlägt sich auf das aktuelle Stimmungsbild der Branche nieder, wie die diesjährige Onlinehändlerbefragung der Hochschule Luzern (HSLU) im Auftrag der Schweizerischen Post zeigt.
Befragt zu den drei wichtigsten strategischen Themen werden am häufigsten Prozessoptimierung und -automatisierung (61 Prozent), Wachstum (60 Prozent) und Kostenreduktion (46 Prozent) genannt. «Das Marktumfeld im Onlinehandel ist aktuell herausfordernd. So ist es nicht erstaunlich, dass Effizienz und Kostenreduktion vielfach im Vordergrund stehen», sagt Thomas Wozniak, Studienleiter der HSLU. Dennoch wird die grosse Bedeutung des Onlinehandels nicht infrage gestellt: Die Relevanz des eigenen Onlineshops hat für zwei Drittel der insgesamt 217 befragten Onlinehändler nach der Corona-Pandemie zugenommen.
Marktplätze: gekommen, um zu bleiben
Digitale Marktplätze wie Digitec Galaxus bieten Händlern die Möglichkeit, ihre Produkte auf einer zusätzlichen Plattform mit grossem Käuferkreis anzubieten. Fast die Hälfte der Händler sind bereits auf solchen Marktplätzen aktiv, weitere 13 Prozent planen dies zumindest. Unter den Aktiven verkaufen sechs von zehn auf Digitec Galaxus, danach folgen Ricardo, Amazon und Tutti. Der stärkste Treiber für die Präsenz auf Marktplätzen sind Zusatzverkäufe (76 Prozent), gefolgt von mehr Reichweite (63 Prozent) und höherer Visibilität (60 Prozent). Gegen eine Marktplatzpräsenz sprechen mehrheitlich zu hohe Provisionskosten und der Schutz des eigenen Onlineshops.
Bei KI herrscht Zurückhaltung
Auch Künstliche Intelligenz (KI) birgt für Onlineshops grosses Potenzial. KI kann etwa dafür eingesetzt werden, Produktempfehlungen möglichst genau auf die Präferenzen und das Kaufverhalten von Kundinnen und Kunden abzustimmen. Viele Unternehmen halten sich bei deren Einsatz aber noch zurück. Rund die Hälfte der befragten Onlineshops verwendet keine KI-basierten Produktempfehlungen. 23 Prozent setzen auf einfache datenbasierte Empfehlungen, während ein knappes Viertel auf elaboriertere Methoden setzt, die eine höhere Relevanz versprechen.
Dass die Nutzung von Daten generell eine immer wichtigere Rolle spielt, wurde dennoch erkannt. Sechs von zehn Onlineshops erachten Datenkompetenz im Marketing als mindestens «wichtig». Allerdings gibt lediglich jeder zehnte Onlineshop an, bereits über sehr gute Fähigkeiten in diesem Bereich zu verfügen.
Die Kunst der Kundenbindung
Aufholbedarf besteht auch in den Bereichen Kundenbindung und Loyalitätsprogramme. Laut Co-Studienautor und E-Commerce-Experte Matthias Schu scheint dies ein Effekt der meist zweistelligen Online-Wachstumsraten der letzten Jahre zu sein. Es herrschte zu wenig Druck, Kundinnen und Kunden mit gezielten Massnahmen langfristig zu halten. «Dabei wären langfristige Kundenbeziehungen eigentlich günstiger als die stete Neukundenakquise», so Schu.
Rund drei Viertel der Onlinehändler setzen lediglich auf Produktvorschläge zur Kundenbindung, bei mehr als der Hälfte stehen immer noch Rabatte im Fokus. Aufwändigere Methoden der Kundenbindung und Interaktion – wie Community-Building, ein eigenes Loyalitätsprogramm oder regelmässige Kundenumfragen – werden nur von rund einem Viertel der Schweizer Onlinehändler eingesetzt.
Nachhaltigkeit: Status quo und Perspektiven
Die Frage, wie der Onlinehandel nachhaltiger gestaltet werden kann, bleibt ein Dauerbrenner. Sieben Prozent der Onlineshops bieten ihrer Kundschaft die Möglichkeit, durch den Kauf verursachte Treibhausgas-Emissionen zu kompensieren. Gut die Hälfte der Onlineshops setzt zudem Verpackungen aus Recycling-Material ein. Ebenfalls knapp die Hälfte optimiert die Grösse der Versandverpackung durch angepasste Schachtelgrössen.
Drei von zehn Onlineshops versenden in Originalverpackung und verzichten damit ganz auf die Umverpackung; Mehrwegverpackungen werden nur von knapp einem Viertel eingesetzt. Befragt zu den drei wichtigsten Nachhaltigkeitsthemen geben die Onlinehändler an, dass eine bessere Information der Kundschaft über Nachhaltigkeitsaspekte, ein nachhaltigeres Sortiment und die nachhaltigere Gestaltung von Transport und Logistik in den nächsten zwölf Monaten Priorität haben. (HSLU/mc)