Walldorf – Europas grösser Softwarehersteller SAP will im neuen Jahr beim Wachstum grosse Schritte nach vorn machen. Die Gewinne aus dem Tagesgeschäft müssen wegen hoher Investitionen aber erst einmal weiter zurückstehen. Das Dax -Schwergewicht geht aktuell für 2022 davon aus, dass das operative Ergebnis im besten Fall nur stabil bleibt, am unteren Ende der Prognosespanne aber gar um 5 Prozent sinken könnte. Allerdings nimmt sich SAP-Chef Christian Klein beim geplanten Wachstum der zum Zukunftsgeschäft erklärten Cloudsoftware auch überraschend viel vor. Im Schlussquartal des vergangenen Jahres gelang den Walldorfern hier ein Endspurt.
Trotz der aufgrund von Zinssorgen gedrückten Stimmung für Technologiewerte im Allgemeinen legte die SAP-Aktie am Freitag zum Handelsstart zu. Zuletzt fiel sie zwar zurück und notierte 0,2 Prozent im Minus, hielt sich damit aber besser als der Dax. Der sank um 0,6 Prozent.
Analyst Mohammed Moawalla von der US-Investmentbank Goldman Sachs wertete die vorläufigen Zahlen als positive Überraschung. Vor allem die Auftragslage bei der Cloudversion des Kernsoftwareprogramms S/4Hana habe im Schlussquartal bedeutend zugelegt. Die Umsatzziele für dieses Jahr fielen auch etwas besser aus als gedacht – Makel sind dem Experten zufolge hingegen die unerwartet schwachen Gewinnaussichten. SAP stecke wohl noch mehr Geld ins Wachstum als allgemein erwartet. Die Experten der Bank Stifel sprachen von einer wohl vorsichtigen Zielsetzung.
«Immer mehr Unternehmen entscheiden sich für die SAP, um sich neu aufzustellen, stabile Lieferketten aufzubauen und sich auf dem Weg in die Cloud zu nachhaltigen Unternehmen zu entwickeln», sagte SAP-Chef Klein zu den Resultaten vom späten Donnerstagabend. Der Manager will das Cloudgeschäft in den kommenden Jahren deutlich ankurbeln, um im Markt für Unternehmenssoftware von der Konkurrenz nicht abgehängt zu werden. Cloudsoftware im Abo zur Nutzung über das Netz gilt als Zukunft der Branche und ist in weiten Teilen heute schon Standard.
Umsatzplus bei Cloudsoftware von 23 bis 26 Prozent angepeilt
Klein peilt im neuen Jahr bei der Cloudsoftware ein währungsbereiniges Umsatzplus von 23 bis 26 Prozent an – ein deutlich schnelleres Wachstum als im vergangenen Jahr, als der Clouderlös um rund ein Sechstel auf 9,42 Milliarden Euro zulegte. SAP muss das Tempo hier auch anziehen, um wie von Klein avisiert 2025 mehr als 22 Milliarden Euro Umsatz mit den Programmen aus der Cloud zu erlösen. Viele Investoren sind skeptisch, ob das bis dahin gelingen kann. Insgesamt erwartet das Management, dass der gesamte Produktumsatz 2022 um 4 bis 6 Prozent wächst – das heisst im Umkehrschluss auch, dass der lukrative Lizenzverkauf von Software weiter zurückgehen dürfte.
Beim kalkulierten operativen Ergebnis geht es unter anderem deswegen auch spürbar gemächlicher zu. Analysten hatten mehr auf dem Zettel als die nun veranschlagten 7,8 bis 8,25 Milliarden Euro beim um Sondereffekte bereinigten Ergebnis vor Zinsen und Steuern zu konstanten Wechselkursen, wie auch JPMorgan-Expertin Stacy Pollard in einer Einschätzung schrieb.
Vergangenes Jahr schon war das operative Ergebnis um ein Prozent auf 8,23 Milliarden Euro geschrumpft, weil Wechselkurseffekte bremsten und der Konzern hohe Kosten für den stärkeren Schwenk in die Cloud in Kauf nimmt. Klein hatte bei den Ergebnissen für die Jahre 2021 und 2022 ohnehin magere Kost in Aussicht gestellt.
«Gewaltiger Erfolg» des «Rise»-Angebots
Weil die Konkurrenz der US-Techkonzerne Oracle und Salesforce SAP im Nacken sitzt und Marktanteile verloren gehen könnten, hatte Klein Anfang vergangenes Jahr mit «Rise» ein neues Produktbündel aus der Taufe gehoben, um die Kunden mit einfacheren Mitteln zu einem schnelleren Umstieg in die Cloud zu bewegen. Nun sprach er von einem «gewaltigen Erfolg» des Angebots.
Die Beschleunigung der Cloudgeschäfte erfordert Investitionen in Technik, Produkte und Werbung. Zudem sind die Cloudprodukte zunächst nicht so profitabel wie teure Softwarepakete im einmaligen Lizenzverkauf, sollen sich aber über die Laufzeit nach und nach rentieren – denn die Cloudsoftware wird entweder im Abo bezahlt oder über Nutzungsgebühren.
Der Gesamtumsatz von SAP stieg 2021 im Jahresvergleich um 2 Prozent auf 27,8 Milliarden Euro. Unter dem Strich kletterte auch der Nettogewinn 2021 um 2 Prozent auf 5,38 Milliarden Euro. Zwar musste SAP viel mehr Geld für die aktienbasierte Mitarbeitervergütung ausgeben: Rund 2,8 Milliarden Euro standen dafür diesmal zu Buche gegenüber knapp 1,1 Milliarden im Vorjahr – das lag vorwiegend am Börsengang der US-Marktforschungstochter Qualtrics und am gestiegenen Aktienkurs. Im Gegenzug profitierte SAP aber über die Risikokapitalbeteiligungsgesellschaft Sapphire Ventures von der guten Wertentwicklung ihrer Investitionen in Start-Ups.
SAP will nun in diesem Jahr Aktien im Wert von bis zu einer Milliarde Euro zurückkaufen. Die angekauften Papiere sollen für künftige Zuteilungen aus einem anteilsbasierten Vergütungsprogramm verwendet werden, wie es hiess. «Indem wir unsere anteilsbasierten Vergütungen für neue Zuteilungen ab 2022 vorwiegend durch Aktien statt Barzahlungen ausgleichen, möchten wir die Aktienkultur in unserer Belegschaft weiter stärken und sicherstellen, dass die Interessen unserer Mitarbeitenden eng an den Interessen unserer Aktionäre ausgerichtet sind», sagte Finanzchef Luka Mucic. (awp/mc/ps)