SBB, BLS und PostAuto testen App für automatische Reiseerfassung

SBB, BLS und PostAuto testen App für automatische Reiseerfassung
(Bild: SBB)

Bern – Auf der App einchecken, Bus und Zug fahren und erst am Ende der Reise bezahlen: Was in einigen Tarifverbünden schon klappt, soll nun in der ganzen Schweiz möglich werden. SBB, BLS und PostAuto testen in den kommenden Monaten eine entsprechende Ticket-App.

Das Prinzip, dass der Kunde oder die Kundin nur bezahlt, was er oder sie auch tatsächlich genutzt hat, ist etwa beim Stromverbrauch oder der Telekommunikation weit verbreitet. Künftig soll dieses «Pay-per-Use»-Modell in der Schweiz auch im öffentlichen Verkehr möglich sein – dank einer App.

Die drei Transportunternehmen SBB, BSL und PostAuto haben am Dienstag dazu ein schweizweites Pilotprojekt lanciert, das bis Ende September laufen soll. Basis des Versuchs ist die Handy-App «lezzgo», die bereits in einzelnen Verbünden im Einsatz ist. Für den Test wurde sie zu «lezzgoPlus» erweitert.

Die App erfasst die Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Reisende können somit am Ende des Tages nach dem Prinzip des «Post Price Ticketings» (PPT) bezahlen, wie Vertreter der drei Verkehrsunternehmen am Dienstag vor Medien in Bern erklärten.

Am Test können sich rund 200 Personen beteiligen. Interessierte können sich über die Website www.lezzgo.ch/plus anmelden. Die «lezzgoPlus»-App ist während der Testphase nur für iOS-Smartphones erhältlich.

Offenes System
Eine besondere Herausforderung für die Einführung dieses Bezahlmodells ist der Umstand, dass es sich beim öffentlichen Verkehr in der Schweiz um ein offenes System handelt. Anders als etwa in Grossbritannien gibt es an den hiesigen Bahnhöfen keine Kontrollschranken, die ein elektronisches «Check-in» und «Check-out» in den öffentlichen Verkehr technisch erleichtern würden.

An diesem offenen System will die Branche jedoch festhalten. «Wir wollen unter keinen Umständen irgendwelche Gates einführen», sagte Daniel Hofer von der BLS.

Technische Abhilfe schaffen aber die Smartphones, die inzwischen sehr viele Passagiere auf sich tragen. Mit der App checkt der Fahrgast zu Beginn einer Reise auf seinem Handy mit einem Klick ein. Ab diesem Zeitpunkt wird via GPS und Mobilfunk-Netz die Strecke erfasst, die er mit dem ÖV zurücklegt.

Nach Ende der Reise loggt sich der Passagier aus, und die App berechnet die Kosten seiner Reise. Die App berücksichtigt dabei, ob der ÖV-Kunde in der ersten oder in der zweiten Klasse reist und ob er Anspruch auf eine Vergünstigung hat, etwa weil er ein Halbtax-Abonnement besitzt. Diese Informationen können hinterlegt werden.

Laut Christof Zogg, Leiter Digital Business der SBB, wäre die Schweiz mit der Einführung eines schweizweiten, virtuelles Gates zum ein- und auschecken eine Pionierin. «Das ist eine neue Technologie, die es in keinem anderen Land gibt.»

Einheitliche Preisabrechnung
Während des Pilotversuchs soll nun der von SBB, BLS und PostAuto gemeinsam erarbeitete PPT-Standard getestet werden. Dieser garantiert den Nutzerinnen und Nutzern eine einheitliche Kontrolle der elektronischen Fahrberechtigung sowie eine einheitliche Preisberechnung.

Fernziel ist, dass sich der getestete Standard von BLS, SBB und PostAuto branchenweit durchsetzt, und dass dieses Bezahlmodell bei Fahrten in der gesamten Schweiz funktioniert – also auch über verschiedene Tarifverbundsregionen hinweg.

«Wir bauen ein gemeinsames Fundament, auf dem jeder Verkehrsverbund aufbauen kann», sagte Zogg. Auf dieser Basis könne später jedes Transportunternehmen eine eigene App entwickeln.

Knacknuss Datenschutz
Der Konsumentenschutz äusserte sich am Dienstag kritisch. Er könne ein solches Ticket-System nur gutheissen, wenn dem Datenschutz das notwendige Gewicht beigemessen werde. Denn für eine solche App müsse das Bewegungsprofil der Reisenden erfasst und für die Rechnungsstellung und allfällige Reklamationen auch eine Zeitlang gespeichert werden.

Es sei «befremdlich», dass in der Medienmitteilung der SBB, BLS und PostAuto der Datenschutz keine Erwähnung finde, teilte der Konsumentenschutz mit. Er fordere, dass diese Daten nicht weiterverwendet oder weitergegeben werden.

Bei der Einführung des Swisspass sei die Intervention des Eidg. Datenschutzbeauftragten nötig geworden, damit die SBB die Kontrolldaten des SwissPass wieder löschte, rief die Organisation in Erinnerung. «Ein solches Vorgehen darf sich bei einer Ticket-App keinesfalls wiederholen.»

Zogg formulierte es beim Mediengespräch in Bern etwas positiver. Die Technologie müsse noch verbessert werden, stellte er fest. Die Herausforderung bestehe darin, herauszufinden, wie die Genauigkeit der Streckenerfassung optimiert werden könne und gleichzeitig der Akku-Verbrauch und der Daten-Verbrauch schlank gehalten werden könne.

Die Antwort auf diese Frage könne nur der Wettbewerb bringen. «Das Rennen ist eröffnet». (awp/mc/ps)

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