Erneut landesweite Störung im Swisscom-Netz – Bakom untersucht
Bern – Bei Wartungsarbeiten hat die Swisscom in der Nacht zum Mittwoch grosse Teile ihres Netzes lahm gelegt. Betroffen waren erneut auch die Notrufe. Nach der zweiten grossen Panne innerhalb eines Monats will das Bakom die Ursachen nun selber untersuchen.
Von 22.33 Uhr am Dienstagabend bis 00.10 Uhr am Mittwochmorgen ging für viele Swisscom-Kunden gar nichts mehr: Keine 4G-Mobiltelefonie, kein mobiles Internet, aber auch keine Festnetzverbindung und kein Internet zu Hause.
Besitzer von 3G- und 2G-Handys im Glück
Wie Swisscom Stunden später bekannt gab, kam es in der Nacht bei geplanten Wartungsarbeiten für die Erweiterung der Netzkapazität zu «mehrfachem menschlichem Fehlverhalten». Dieses führte zu einer «grossen, schweizweiten Störung im Swisscom-Netz». Lediglich die 3G- und die 2G-Handys seien verschont geblieben.
Störungsanalyse und -behebung verzögert
Weil das Unternehmen selber vom Ausfall betroffen war, hätten die benötigten Spezialisten nur erschwert aufgeboten werden können und die Störungsanalyse und -behebung sei so noch verzögert worden. Erst als die Wartungsarbeiten gestoppt und rückgängig gemacht waren, stand das Netz kurz nach Mitternacht wieder zur Verfügung.
Auch die Notrufnummern 112, 117, 118, 144 und 147 waren während dieser Zeit zum Teil nicht erreichbar und einzelne Notrufweiterleitungen funktionierten nicht. Noch in der Nacht meldeten zahlreiche Polizeidienststellen, dass Hilferufe nur über spezielle Handynummern abgesetzt werden könnten. Auch Alertswiss, die Katastrophe-Alarm-App des Bundes, war offline.
Keine Kontaktmöglichkeit
Polizei, Feuerwehr und Sanität verfügen bei Notfällen über eigene Kommunikationskanäle wie Funknetze und Pager. Doch das Problem bei einem landesweiten Netzausfall des grössten Anbieters ist nicht die Kommunikation unter den Blaulichtorganisationen, sondern die Erreichbarkeit der Notrufstellen durch die Bevölkerung.
Die Feuerwehren zum Beispiel stünden «am Ende der Nahrungskette» und seien darauf angewiesen, dass die Information zu ihnen komme, sagte der Kommunikationsverantwortliche des Schweizerischen Feuerwehrverbandes (Swissfire), Philipp Siedentopf.
Auf dem Land bestehe im Brandfall wenigstens die Chance, dass die Leute Bekannte bei der Feuerwehr hätten, die sie im Notfall kontaktieren könnten. Doch in der Stadt gebe es bei einem Brandausbruch während einer Swisscom-Panne wohl keine andere Möglichkeit, als auf der Strasse jemanden mit einem anderen Netz zu suchen.
Untersuchung angekündigt
Entsprechend besorgt zeigte sich die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD). Es sei «für die Bevölkerung beunruhigend, wenn während gewisser Zeiten keine Notrufe möglich sind», sagte der Aargauer KKJPD-Präsident Urs Hofmann auf Anfrage.
Gemäss Fernmeldegesetz ist die Swisscom verpflichtet, den Zugang zu den Notrufdiensten zu gewährleisten. Bereits Mitte Januar hatten Störungen auf dem Swisscom-Netz die Notfallnummern in weiten Teilen der Schweiz lahmgelegt. Verantwortlich dafür war eine fehlerhafte wichtige elektronische Komponente gewesen.
Nach der zweiten Panne kündigte nun das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) «eine vertiefte Abklärung der Ursachen» an, wie es auf Anfrage mitteilte. Es verfüge zur Zeit aber noch nicht über einen detaillierten Fehlerbericht. Deshalb seien genaue Aussagen zum Fehler und zum Verlauf der Fehlerbehebung noch nicht möglich.
Sollte das Bakom Rechtsverletzungen feststellen, kann es gemäss Gesetz von der Swisscom Massnahmen verlangen, damit die Verletzung nicht wieder vorkommt, die Konzession durch Auflagen ergänzen und diese im schlimmsten Fall sogar einschränken, suspendieren, widerrufen oder entziehen.
Gespräche mit Swisscom
Die KKJPD werde die Vorfälle «im Rahmen der existierenden Gremien» für die Kommunikation der Sicherheitsorgane, aber auch «im direkten Kontakt mit der Swisscom ansprechen», sagte Hofmann weiter. Und das Telekomunternehmen selber will nach eigenen Angaben zusammen mit den Notruforganisationen auch alternative Erreichbarkeiten überprüfen – wie zum Beispiel über Mobiltelefone.
Auch Swissfire habe bei den verantwortlichen Stellen Bedürfnisse angemeldet und Gesprächsbereitschaft signalisiert, sagte Siedetopf. Er wisse, dass sich die entsprechenden Behörden mit dem Fall beschäftigten, und der Verband vertraue auf die Gespräche zwischen den Behörden und der Swisscom. (awp/mc/pg)