Swisscom legt Rekurs gegen 72-Mio-Busse im Pay-TV-Verfahren ein
Bern – Die Swisscom will die Millionen-Busse im Streit um Sportübertragungen nicht akzeptieren: Der «Blaue Riese» lege Beschwerde vor Bundesgericht ein, sagte ein Swisscom-Sprecher am Freitag auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte vor einem Monat die Busse in Höhe von 71,8 Millionen Franken bestätigt, welche die Eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko) im Jahre 2016 gegen die Swisscom im Streit um Sportrechte verhängt hatte. Nach Ansicht der Wettbewerbshüter hatte der Telekomkonzern zwischen 2006 und 2013 bei der Übertragung von Live-Fussball- und -Eishockeyspielen im Bezahl-TV ein Foul an seinen Konkurrenten begangen.
Die Swisscom und die Gesellschaften Cinetrade und Teleclub (heute Blue Entertainment) hätten ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht. Nach Ansicht der Weko war die Swisscom nicht nur bei Schweizer Eishockey- und Fussballspielen marktbeherrschend, sondern auch bei den Fussballspielen der deutschen Bundesliga, der italienischen Serie A, der spanischen Primera Division und dem spanischen Cup.
Damit habe sich die Swisscom in «unzulässiger Weise einen Vorteil im Wettbewerb unter den TV-Plattformen verschafft», befand die Weko damals. Einigen Konkurrenten habe die Swisscom jegliches Angebot für die Ausstrahlung von Live-Sport auf deren Plattform verweigert, anderen nur ein reduziertes Sportangebot gewährt.
Kunden der Konkurrenz zahlten mehr und bekamen weniger
Fussball- und Eishockeyfans, die damals das vollständige Sportangebot der Swisscom-Tochter Teleclub beziehen wollten, hätten daher Swisscom-TV wählen müssen. Für die TV-Konkurrenz sei dadurch ein Nachteil entstanden, den sie nicht selber habe wettmachen können.
Die Swisscom bot auf ihrem TV etwa die Übertragung sämtlicher Schweizer Eishockeyspiele an. Die Konkurrenz wie beispielsweise der Kabelnetzanbieter UPC Cablecom oder Sunrise, die später fusionierten, schauten in die Röhre. Auf ihren Netzen waren jeweils nur wenige Eishockeyspiele live zu sehen.
Zudem waren diese für die Kunden teurer. Überdies konnten nur Swisscom-Kunden Spiele einzeln mieten, ohne das ganze Teleclub-Basispaket beziehen zu müssen, wie die Weko bemängelte.
Swisscom findet ihr Verhalten rechtmässig
Die Swisscom hatte schon vor einem Monat angekündigt, einen Weiterzug des Urteils zu prüfen. In der Begründung für die Beschwerde ans Bundesgericht hält die Swisscom nun an ihrer Argumentation fest: Die Swisscom und die Cinetrade-Gruppe hätten sich beim Vermarkten von Sportinhalten in den Jahren 2006 bis 2013 rechtmässig verhalten, erklärte ein Konzernsprecher am Freitag.
Die hohen Investitionen von Swisscom und Cinetrade hätten ein minimal erweitertes Sportangebot bei der Verbreitung über die Swisscom TV-Plattform gerechtfertigt. Nur so hätten die Investitionen damals genügend geschützt werden können.
Zudem bestehe das Problem heute nicht mehr. Derzeit erhielten alle TV-Kunden den gesamten Sportinhalt von Swisscom und Sunrise UPC. Davon würden auch kleinere TV-Anbieter profitieren: Diese erhielten die Sportinhalte von den beiden grossen Telekomkonzernen.
Sunrise prüft immer noch Schadensersatzklage
Konkurrentin Sunrise UPC prüft immer noch eine Schadensersatzklage auf dem zivilrechtlichen Weg: «Wir analysieren die Lage», sagte eine Sprecherin auf Anfrage.
Ursprünglich hatte der Swisscom wegen der Sport-Übertragungen eine doppelt so hohe Busse gedroht. Das Weko-Sekretariat hatte eine Busse von 143 Millionen Franken beantragt. Swisscom habe überhaupt erst Wettbewerb in den TV-Plattformmarkt gebracht, hatte ein Weko-Direktor damals erklärt.
Auch UPC kassiert Weko-Busse
Pikant ist, dass die Weko wenige Jahre später UPC wegen desselben Vergehens zu einer Millionenbusse von 30 Millionen Franken verdonnerte, nachdem die Kabelnetzbetreiberin der Swisscom die exklusiven Fernsehrechte für Spiele der Schweizer Eishockeymeisterschaft für die Jahre 2017 bis 2022 abgejagt hatte.
UPC habe ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem sie der Swisscom bis Sommer 2020 jegliches Angebot für die Ausstrahlung von Live-Eishockey verweigert habe, befand die Weko vor zwei Jahren.
UPC hatte damals angekündigt, den Fall ans Bundesverwaltungsgericht weiterziehen zu wollen. Das Verfahren laufe noch, sagte eine Sunrise-UPC-Sprecherin. (awp/mc/pg)