Bern – Nach über 20 Jahren sinkender Preise steht am Schweizer Telekommarkt möglicherweise eine Zeitenwende bevor: Nach Sunrise sind Preiserhöhungen auch für den Platzhirsch Swisscom nicht mehr tabu. Die beiden Branchenführer begründen dies mit der gestiegenen Inflation.
Die Swisscom sei ebenfalls mit höheren Kosten konfrontiert, primär bei der Energie und den Löhnen, sagte Konzernchef Christoph Aeschlimann am Donnerstag in einer Telefonkonferenz für Journalisten: «Wir versuchen, die höheren Kosten mit Einsparungen zu kompensieren. Aber wir können Preiserhöhungen in Zukunft auch nicht ausschliessen.» Es sei allerdings noch kein Entscheid gefallen.
Preiserhöhungen frühestens im 2024
Die Swisscom hatte sich vor einigen Wochen mit einer Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) das Recht ausbedungen, einmal pro Jahr die Preise entsprechend der Inflation zu erhöhen, ohne dass die Kunden ihren Vertrag vorzeitig kündigen dürfen.
Als Startpunkt für die Messung der Teuerung gilt der Stand des Landesindexes der Konsumentenpreise (LIK) am 1. Juni 2023. Erst die ab diesem Zeitpunkt auflaufende Inflation könnte der «Blaue Riese» auf die Kunden überwälzen. Damit gebe es in diesem Jahr keine Preiserhöhungen mehr, sondern sie wären erst im nächsten Jahr eine Option, sagte der Konzernchef in einer Analystenkonferenz.
Die Änderung sei aber nur für die Minderheit der Kunden relevant, die Sonderangebote mit einer langen Mindestlaufzeit von beispielsweise einem oder zwei Jahren abgeschlossen hätten, erklärte Sprecher Sepp Huber. Die meisten Kunden hätten eine Kündigungsfrist von zwei Monaten und könnten bei Preiserhöhungen relativ schnell den Anbieter wechseln.
Konsumentenschützer hatten den Schritt der Swisscom heftig kritisiert. Auch Preisüberwacher Stefan Meierhans zeigte sich besorgt: Wenn beispielsweise die Swisscom die Preise erhöhen würde, so habe das eine selbstverstärkende Wirkung, hatte er den Tamedia-Zeitungen erklärt. Dann steige der LIK, in dem Telekompreise enthalten seien, so dass die Swisscom die Preise noch mehr erhöhen könne.
Sunrise schlägt als erster auf
Als erster Telekomkonzern hat allerdings Sunrise vor zwei Tagen Preiserhöhungen angekündigt. Dort steigen wegen der Inflation ab dem 1. Juli die Listenpreise für Abonnements um rund 4 Prozent.
Swisscom-Chef Aeschlimann zeigte sich nun über den Schritt des grössten Konkurrenten überrascht: «Wir haben das nicht zu diesem Zeitpunkt erwartet.»
Man werde in den nächsten Wochen und Monaten sehen, wie die Reaktion der Marktteilnehmer ausfalle. «Nach über 20 Jahren Preisreduktionen müssen wir schauen, ob das eine Trendwende ist oder ein einmaliges Ereignis. Das wird sich in den nächsten Monaten zeigen», sagte der Swisscom-Chef.
Unveränderte Aggressivität bei Aktionen
Allerdings seien die Listenpreise die eine Seite des Telekommarktes, die Sonderaktionen die andere. An der Aggressivität der Sonderangebote habe sich nichts geändert, so Aeschlimann. Teilweise gebe es Preisabschläge von 70 Prozent, die ein Leben lang gültig seien. «Solche grossen Discounts sind nicht nachhaltig», kritisierte der Swisscom-Chef. Sie würden das Preisbewusstsein der Kunden herunterdrücken.
Hier will Aeschlimann Gegensteuer geben. Um Kosten zu sparen, denke man unter anderem auch über das Zurückfahren von lebenslang gültigen Aktionsangeboten bei den Zweitmarken wie beispielsweise Wingo nach. Damit stellt sich allerdings die Frage, ob der Swisscom nicht die Kunden davonlaufen würden.
Im ersten Quartal dieses Jahres habe die Wechselbereitschaft bereits leicht zugenommen, sagte Aeschlimann. Grund dafür seien die aggressiven Sonderangebote am den Black-Friday- oder Cyber-Monday-Wochen im vergangenen November. Diese hätten einige Kunden zu einem Wechsel bewogen, der nach der Kündigungsfrist nun stattgefunden habe. Aber im historischen Vergleich seien die Wechselraten immer noch niedrig.
So hat die Swisscom einen soliden Start ins neue Jahr hingelegt. Der Umsatz sank in den ersten drei Monaten nur leicht um 0,3 Prozent auf 2,75 Milliarden Franken. Auch die Profitabilität blieb robust: Der Betriebsgewinn vor Abschreibungen und Amortisationen (EBITDA) nahm um 2,4 Prozent auf 1,16 Milliarden Franken zu.
Unter dem Strich sank dagegen der Reingewinn um 1,1 Prozent auf 442 Millionen Franken, was auf das schlechtere Finanzergebnis zurückzuführen ist. (awp/mc/ps)