Bern – Vor der Einführung der 5. Mobilfunkgeneration 5G holt die Swisscom aus dem bisherigen Handynetz nochmals mehr Speed heraus. Noch in diesem Jahr können Kunden an Standorten in elf grossen Schweizer Städten mit bis zu 800 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) surfen. Das Mobilfunknetz ist an diesen Standorten auf Geschwindigkeiten von bis zu 1 Gigabit pro Sekunde (Gbit/s) ausgelegt. Allerdings hinken hier die Smartphones vorerst noch hinterher: Die neuesten schaffen es auf ein Tempo von über 800 Mbit/s.
Erreicht werde der Temposchub durch Kombination von vier verschiedenen Frequenzen der 4. Mobilfunkgeneration 4G (oder LTE genannt), teilte die Swisscom am Mittwoch vor den Medien in Zürich mit. Konkret würden Standorte in den Städten Zürich, Bern, Genf, Basel und Lausanne mit den hohen Speedraten ausgerüstet. Zudem kommen Orte in Luzern, St. Gallen, Sitten, Chur und Freiburg in den Genuss der höheren Geschwindigkeit.
Bisheriges Höchsttempo bei 450 Mbit/s
Sunrise bietet heute bereits in den fünf grössten Städten bis zu 900 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) an. Bei der Swisscom lag das Höchsttempo bisher bei 450 Mbit/s. Dieses sei für etwa 15% der Bevölkerung nutzbar, sagte Swisscom-Technikchef Heinz Herren am Rande der Medienkonferenz im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. 40% der Bevölkerung bietet Swisscom eine Maximalgeschwindigkeit von 300 Mbit/s.
Auch wenn nur neuere Geräte die Spitzengeschwindigkeiten voll ausnutzen können, profitieren laut Swisscom dennoch alle Handynutzer von der höheren Kapazität: Sie surfen dadurch auch dann noch schnell, wenn viele Nutzer gleichzeitig online sind und das Netz beanspruchen.
50% für Filme und Videos
Mit den höheren Kapazitäten will die Swisscom ihren Kunden auch bereits einen Vorgeschmack auf die neue Mobilfunkgeneration 5G geben. Damit sollen künftig sogar über 20 Gbit/s übertragen werden können. Diese Mehrkapazitäten sind laut Swisscom nötig. Ein Treiber für das Wachstum des Datenvolumens seien etwa die Jungen. So verbrauchen unter 26-Jährige sieben Mal mehr Daten als andere Nutzer, wie Technikchef Herren sagte.
Besonders Videos und Filme, die unterwegs gestreamt oder heruntergeladen werden, sorgen für viel Verkehr auf der Datenautobahn: Die Hälfte der Netznutzung entfällt darauf. Vernetzte Geräte liessen zudem das mobile Datenwachstum in Zukunft noch rascher wachsen.
Reservierte Netzressourcen
Derzeit testet die Swisscom die neue Technologie. Sie plant, 5G 2020 auf den Markt zu bringen. Auch Sunrise und Salt wollen dann loslegen. «Bei 5G geht es um viel mehr als nur Geschwindigkeit», sagte Herren. So ermögliche 5G kürzere Reaktionszeiten und mehr Flexibilität. Insbesondere erlaubt es den Netzbetreibern, Netzressourcen für bestimmte Anwendungen zu reservieren.
So bräuchte es in Zukunft etwa keine separaten Netze mehr für die Blaulichtorganisationen. Stattdessen könnte mittels des sogenannten «Network Slicing» der Datenverkehr von Polizei, Ambulanz und Co. vom allgemeinen Datenstrom getrennt werden und somit Kapazität garantiert werden. Auch die Industrie oder Bezahlterminals könnten von solchen Kapazitäten profitieren.
Bis 5G tatsächlich grossflächig in der Schweiz Einzug hält, müssen allerdings noch einige Hürden überwunden werden. So braucht es einen internationalen Standard, der derzeit auch ausgearbeitet wird.
Höhere Strahlengrenzwerte angestrebt
Die Swisscom erhofft sich zudem mehr Spielraum bei den Strahlungen. Mit den heutigen Strahlengrenzwerten werde es sehr schwierig, 5G effizient in der Schweiz einzuführen, sagte Herren. Erst kürzlich hatte Salt-Chef Andreas Schönenberger in einem Interview für höhere Grenzwerte geworben. Heute liegen die Grenzwerte in der Schweiz deutlich tiefer als etwa in der EU.
Weiter will die Swisscom neue Frequenzen nutzen können, die das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) im nächsten Jahr vergeben wird. Frequenzen sollen zudem frei werden, indem die Technologie 2G wie vor zwei Jahren angekündigt per Ende 2020 abgeschaltet wird. (awp/mc/pg)