London – Der aktivistische Aktionär Petrus Advisers hat sich den Forderungen von Hindenburg Research an den Genfer Bankensoftware-Hersteller Temenos angeschlossen, den aktuellen Interims-Chef Andreas Andreades mit sofortiger Wirkung zu entlassen. Unter seiner Leitung habe sich ein Klima für kurzfristige Gewinne über längerfristigem Erfolg durchgesetzt, heisst es in einem Brief von Petrus Advisers an den Temenos-VR-Präsidenten Thibault de Tersant, der AWP vorliegt.
In dem mit dem Datum vom Freitag datierten Brief wird de Tersant aufgefordert, entweder sofort einen neuen CEO zu ernennen oder selber – bzw. der Finanzchef – die Rolle auf einer ad-interim-Basis zu übernehmen. Ausserdem solle er mit dem Temenos-Management den am Vortag präsentierten Vorwürfen von Hindenburg bis am Montag nachgehen. Temenos wird am Montagabend (nach Börsenschluss) die Q4-Zahlen präsentieren und am Tag darauf in London eine Investorenkonferenz durchführen.
Hindenburg: Anzeichen von manipulierten Gewinnen
Hindenburg Research sprach in dem am Vortag veröffentlichten Bericht davon, dass es Anzeichen von manipulierten Gewinnen in der Rechnungslegung von Temenos gebe. Der Investor stützte sich dabei nach eigenen Angaben auf Gespräche mit 25 ehemaligen Mitarbeitern der Gruppe. Mit Buchhaltungspraktiken habe etwa die Unzufriedenheit von Kunden mit Produkten und die Fluktuation verschleiert werden sollen.
Die Vorwürfe hatten am Donnerstag zu einem Kurssturz der Temenos-Aktie um fast 30 Prozent geführt, und auch heute verlor die Aktie 4,6 Prozent auf 60,62 Franken.
Vieles vom Hörensagen
Den Kritikpunkten von Hindenburg wollten sich Petrus Advisers jedoch nicht vollständig anschliessen. Vieles beruhe nur auf Hörensagen von ehemaligen Mitarbeitenden. Auch Petrus Advisers habe mit vielen von ihnen gesprochen, wobei viele davon «eindeutig auf Rache» aus seien. Auch habe man mit zahlreichen Temenos-Kunden, Partnern und Branchenexperten gesprochen.
Dabei sei man zum Schluss gekommen, dass der frühere VR-Präsident und jetzige Interim-CEO Andreades eine Kultur geschaffen habe, die kurzfristige Gewinne gegenüber langfristiger Wertschöpfung bevorzuge. Schlecht durchgeführte Fusionen und Übernahmen hätten ausserdem die Probleme verschärft. Dabei seien Investitionen in Technologie, Kundenzufriedenheit und eigene Mitarbeiter vernachlässigt worden.
Petrus Advisers sei aber zum Schluss gekommen, dass diese Herausforderungen «keine grundsätzliche Bedrohung für die erfolgreiche Zukunft» von Temenos darstellten, aber das Potenzial des Unternehmens einschränkten.
Bereits im vierten Quartal 2022 hatte Petrus Advisers vor den Herausforderungen für Temenos gewarnt und gefordert, dass Andreades – damals noch VRP – und der damalige CEO Max Chuard ersetzt werden sollten. Im Januar 2023 trat Chuard dann auch zurück, Andreades übernahm aber den CEO-Posten. Seither wird offiziell ein Nachfolger gesucht.
Petrus Advisers hat ihren Anteil an Temenos im letzten September auf knapp unter 3 Prozent abgebaut, davor war die Beteiligung bei gut 3 Prozent gewesen. (awp/mc/pg)