Bern – Nach den Nachbarländern Deutschland, Frankreich und Österreich will der US-Videodienst Netflix auch den hiesigen Markt aufmischen. «Grüezi! Netflix ist jetzt auch in der Schweiz», schrieb der Videostreaming-Dienst am Donnerstag kurz nach Mitternacht auf Twitter. «Wir haben das Ziel, in fünf bis zehn Jahren ein Drittel der Haushalte zu erreichen», sagte Netflix-Chef Reed Hastings in einem Interview mit der Nachrichtenagentur sda: «In den USA haben wir dafür sieben Jahre gebraucht.»
Dort ist das US-Unternehmen der Platzhirsch im Geschäft mit Videostreaming, bei dem gegen eine monatliche Abogebühr Filme und Serien direkt aus dem Internet abgespielt werden. Mit seinen 50 Millionen Abonnenten, davon 35 Millionen in den USA, ist Netflix gemäss eigenen Angaben der weltweit grösste Internet-TV-Anbieter.
Zweisprachiges Angebot
In der Schweiz will das Unternehmen mit einem zweisprachigen Angebot punkten. Die hiesigen Filme und Serien entsprächen zum grössten Teil dem Angebot in Deutschland und Frankreich, wo Netflix Anfang Woche an den Markt ging, sagte Hastings: «So hat der Kunde die beste beider Welten.» Das gebe es nur in der Schweiz.
Gedulden müssen sich indes die italienischsprachigen Menschen hierzulande. Denn Netflix ist noch nicht in Italien gestartet. Wann dies der Fall sei, wollte Hastings nicht sagen.
Für Serienjunkies
Kunden will Netflix vor allem mit exklusiven Inhalten locken. So sind in der Schweiz die selbst produzierten Serien zu sehen wie dem US-Polit-Thriller «House of Cards» oder «Orange is the new black», die vom Schicksal einer New Yorker Managerin in einem US-Frauengefängnis handelt.
Ausserdem sind bei Netflix auch viele Serien und Filme im Programm, die es auch bei anderen Anbietern zu sehen gibt. Die Kinofilme sind wie bei der Konkurrenz zumeist mehrere Jahre alt. Wie gross das Angebot sei, wollte der für die Inhalte verantwortliche Ted Sarandos nicht enthüllen. Es ergebe keinen Sinn, am Start eine Zahl zu nennen, weil man das Angebot ständig ausbaue.
Von den Sehgewohnheiten der Zuschauer lernen
Netflix will von den Zuschauern lernen. Man zeige auf dem Startbildschirm rund 20 Titel aus Tausenden, sagte Produktchef Neil Hunt der sda. Dann wertet das System aus, was der Zuschauer wählt und was andere Zuschauer, die den selben Film angesehen haben, auch noch schauten. Daraus generiert das System dann Vorschläge. Netflix speichere die Präferenzen der Kunden zehn Monate lang.
Verschiedene Abos
Netflix hat gestaffelte Preise: Das billigste Abo kostet 11,90 CHF pro Monat. Wer hochaufgelöste Bilder (HD) will, muss einen Franken mehr berappen. Dafür kann man die Inhalte auf zwei Bildschirmen gleichzeitig schauen. Für Familien sind Abos mit bis zu vier Geräten erhältlich. Jeder Nutzer erhält dafür ein eigenes Profil, das die jeweiligen Vorlieben speichert. Praktisch ist, dass man einen Film auf dem Wohnzimmer-TV stoppen und nachher im Bett auf dem iPad an der gleichen Stelle fortfahren kann.
Voraussetzung für hochaufgelöste Bilder (HD) ist allerdings eine einigermassen schnelle Internetleitung. Erforderlich sei für HD eine Geschwindigkeit von rund 5 Megabit pro Sekunde (Mbit/s), sagte Hunt. Für Ultra-HD, das mehr als die doppelte Auflösung von HD hat, sind gar bis zu 15 Mbit/s nötig.
Konkurrenz gibt sich gelassen
Die Ankunft von Netflix in der Schweiz hatte schon im voraus Bugwellen geworfen. Gegen aussen zeigen sich die etablierten Konkurrenten Swisscom, UPC Cablecom und Schweizer Fernsehen SRF zwar gelassen. Dennoch rüsten sie sich gegen Netflix. Cablecom ging Anfang Monat in die Offensive: Die Kabelnetzbetreiberin lancierte mit «MyPrime» einen eigenen Videoabo-Dienst für 9,95 CHF pro Monat. 50’000 Cablecom-Kunden mit einem Kombiangebot können den neuen Dienst auch ohne Zusatzkosten nutzen.
Die Swisscom arbeitet ebenfalls an der Lancierung eines umfangreichen Pauschalangebotes mit Serien, Filmen, Dokumentationen sowie Sportinhalten, das bis Ende Jahr starten soll, wie Sprecher Olaf Schulze sagte: «Konkreteres werden wir aber erst sagen, wenn es soweit ist.»
Das Schweizer Fernsehen SRF sieht Netflix nicht als direkten Konkurrenten: Denn bei SRF seien die Inhalte frei zugänglich. Im Gegensatz dazu müsse bei Netflix ein monatliches Abo gelöst werden, erklärte Sprecher Jonathan Engmann. (awp/mc/pg)