Web-Erfinder Berners-Lee: Internet funktioniert nicht für Frauen
Genf – Frauen sind im Internet nach Auffassung von Web-Erfinder Tim Berners-Lee gefährlich benachteiligt. So könne die angestrebte Geschlechtergleichheit nie erreicht werden, schrieb er zum 31. Jahrestag der Erfindung des World Wide Webs. Der Informatiker hatte am 12. März 1989 seinen Vorschlag für ein System für Informationsmanagement vorgelegt, aus dem das World Wide Web hervorging. Er arbeitete damals bei der Europäischen Organisation für Kernforschung (Cern) in Genf. «Das Web funktioniert nicht für Frauen und Mädchen», schrieb Berners-Lee.
Immer noch sei es bei Männern um 21 Prozent wahrscheinlicher, dass sie online seien, in den ärmsten Ländern sei es sogar um 52 Prozent wahrscheinlicher. Damit werde die Ungleichheit gefestigt, Millionen Mädchen und Frauen hätten nicht die Chance online zu lernen, Geld zu verdienen und ihrer Stimme Gehör zu verschaffen. Zudem hätten nach Studien schon mehr als die Hälfte der jungen Frauen online Gewalt erfahren, durch Drohungen und Beleidigungen etwa. Viele gäben ihre Ausbildung oder Arbeit deshalb auf, andere zögen sich aus sozialen Medien zurück und die Welt verliere damit ihre Stimmen.
Auch Anwendungen künstlicher Intelligenz diskriminierten teils gegen Frauen. So habe 2018 eine Anwendung für Arbeitsplatzvermittlung gestoppt werden müssen, weil die Algorithmen aufgrund historischer Daten aus Zeiten, als überwiegend Männer bestimmte Jobs innehatten, bei der Auswahl Männer bevorzugte.
Berners-Lee appellierte an Web-Designer, Wissenschaftler und Regierungsvertreter, sich des Problems anzunehmen. «Das Handeln von Regierungen und Unternehmen kommt zu langsam, und sie tun zu wenig», kritisierte Berners-Lee. Der 65-Jährige engagiert sich heute mit seiner Web Foundation dafür, Umgangsformen im Web durchzusetzen und dafür zu sorgen, dass Menschen in aller Welt gleiche Chancen haben.
Berners-Lee, der 2017 für seine Erfindung mit dem Turing Award ausgezeichnet wurde, unterstrich in seinem Appell zudem, dass der Coronavirus-Ausbruch zeige, wie dringend gehandelt werden müsse. «Wenn Büros und Schulen geschlossen werden, ist das Internet ein Rettungsanker, der es uns ermöglicht, weiter zu arbeiten, unsere Kinder zu erziehen und Informationen zu lesen, die für unsere Sicherheit und Gesundheit von entscheidender Bedeutung sind.» Eine Welt, in der so vielen Frauen und Mädchen diese Grundlagen vorenthalten würden, sei völlig inakzeptabel. Wenn wir das Web mehr denn je brauchen, muss es für alle funktionieren.» (awp/mc/ps)