Maur – Seit gestern ist der globale IPv4 Adresspool definitiv leer. Eine langjährige Debatte findet damit ihr Ende. Obschon noch ein paar Monate vergehen, bis auch die Regionalen Internet Registries (RIR) ihre verbleibenden IPv4-Adressen aufgebraucht haben, ist es Zeit zu handeln.
Damit ist nicht gemeint, dass eine Hysterie ausbricht. Vielmehr soll und muss gezielt geplant, gehandelt und umgesetzt werden, damit das nationale und internationale Wirtschaftswachstum nicht gehindert, sondern unterstützt und gefördert wird. Gestern gab die Internet Assigned Numbers Authority (IANA) bekannt, dass die letzten /8 Blocks des globalen, zentralen IPv4-Adresspools vergeben sind. Die Diskussionen darüber, wann die IPv4-Adressen definitiv ausgehen, sind damit verstummt. Jetzt muss gehandelt werden, damit die Wirtschaft weiterhin nachhaltig und bedarfsgerecht wachsen kann, denn von den IP-Adressen hängt vieles ab, wenn auch nur im Hintergrund.
Vor 21 Jahren vorausgesehen
Die Internet Engineering Task Force (IETF) hat bereits anfangs der 90er Jahre auf dieses Thema aufmerksam gemacht und davor gewarnt, dass die IPv4 Adressen eines Tages ausgehen würden und deshalb ein neues Internet-Protokoll – IPv6 – entwickelt und standardisiert. Natürlich wird das IPv4-basierte Internet nicht einfach aufhören zu funktionieren. Aber es kann nicht mehr weiter wachsen. Während das IPv6-basierte Internet das gesamte Wachstum sowie den Bedarf der Internetnutzer und der nationalen und internationalen Wirtschaft aufnehmen wird.
Weiterer Meilenstein noch diesen Sommer
Zwar werden noch einige Monate vergehen, bis die Regionalen Internet Registries (RIR) ihre noch verbleibenden IPv4-Adressen aufgebraucht haben. Doch aktuelle Analysen zeigen, dass dies zuerst in Asien, dann in Europa und in Nordamerika kurz vor oder nach dem 1. Juli 2011 der Fall sein wird. RIPE NCC, die Regionale Internet Registry für Europa, den Nahen Osten und Teile von Zentralasien fordert die Internet Service Provider, die Regierungen, die Wirtschaft und andere Akteure auf, IPv6 auszurollen, damit die innovative Evolution des Internets weitergeführt werden kann. In der heutigen Zeit ist ein Ausfall oder eine Beschränkung der Internet-Infrastruktur für die Weltwirtschaft und die Politik kaum mehr tolerierbar. Darum empfiehlt das internationale IPv6-Forum, welches bereits 1999 gegründet wurde, allen ICT-Verantwortlichen, die Jahre 2011 und 2012 zu nutzen, um für das neue Protokoll zu planen und es professionell einzuführen. Damit die heute verwendeten Internet-Dienste auch weiterhin funktionsfähig und stabil bleiben, müssen alle relevanten ICT-Komponenten mit IPv6 umgehen können.
Kosten und Risiken minimieren
Eine qualitativ hochstehende Einführung von IPv6 in grösseren Netzwerken braucht Zeit. Beginnt man zu spät und unter Zeitdruck, leidet die Qualität. Parallel dazu nehmen die Kosten und die Risiken erheblich zu. Viele dieser unnötigen Kosten sind betrieblicher Natur, die nicht einmalig, sondern jährlich anfallen. Eine gute Planung der Einführung von IPv6 und der Koexistenz mit der bestehenden IPv4-Umgebung sind entscheidend für die Stabilität und das künftige Wachstum IP-basierter ICT-Infrastrukturen. Nicht nur im Internet, sondern auch in allen anderen Bereichen unseres Lebens – im Büro, zuhause oder unterwegs. Kurzum überall, wo Internet-Protokolle eingesetzt werden: Ausbildung, Betrieb, Verwaltung, Support, Abrechnung, Sicherheit und Applikationsentwicklung müssen alle berücksichtigt werden, wenn ein Unternehmen «IPv6-ready» sein soll.
Swiss IPv6 Council
Erst kürzlich wurde auch in der Schweiz ein IPv6 Council gegründet, um die Einführung von IPv6 in der Schweiz zu fördern und zu erleichtern. Dank Unterstützung durch Industrie, Bildungseinrichtungen, Forschung und öffentliche Verwaltung sowie durch Vernetzung der Ressourcen, schafft das Swiss IPv6 Council einen offenen und gleichberechtigten Zugang zu Technologie und Wissen. «Das Swiss IPv6 Council wird frühere und neue Stakeholder aus den Bereichen Regierung, Industrie und Ausbildung zusammenbringen, um die Einführung von IPv6 in der Schweiz aktiv unterstützen. Zudem wurde eine neue Website (www.swissipv6council.ch) aufgeschaltet, die kontinuierlich mit weiterführenden Informationen über die globale Adresssituation, Empfehlungen, informative Links und interessante Artikel publizieren wird», so Silvia Hagen, Präsidentin, Swiss IPv6 Council. «Zudem haben wir bereits viele Projekte und Anlässe geplant.»
Das sagen Experten
Dr. Vint Cerf, Ehrenvorsitzender, IPv6 Froum: «Das Internet ist zu der globalen Kommunikationsplattform geworden. Jetzt ist es an der Zeit, dessen Kontinuität und Stabilität, durch die Einführung von IPv6 zu sichern»
Latif Ladid, Präsident IPv6 Forum und Leiter Forschung an der Universität von Luxemburg, Security and Trust (SnT) Center: «Die Zeit ist gekommen. Widerstand hilft nicht weiter».
Tony Hain, Technischer Leiter der Nordamerikanischen IPv6 Task Force und IPv6 Forum Partner: «Der Versuch, das Datum vorherzusagen, stellte sich aufgrund der chaotischen Natur des Internetwachstums als interessante Herausforderung dar. Die künftige Herausforderung für die Gemeinschaft wird es sein, Verweigerung und Trauer hinter sich zu lassen und die Einführung von IPv6 in Angriff zu nehmen».
Yanick Pouffary, Technische Leiterin der Nordamerikanischen Task Force, IPv6 Forum Partner und IPv6 Forum (Ready & Enabled) Logo Programm Vorsitzende: «Wenn Sie denken, Sie können IPv6 ignorieren, überlegen Sie sich das nochmals. Jetzt, da keine neuen IPv4-Adressen mehr erworben werden können, wird die Industrie mit Kunden, Partnern und Lieferanten konfrontiert, die nur noch über IPv6 erreichbar sind. Die Industrie wird sich der «Balkanisierung» des Internets stellen müssen. Es ist Zeit zu handeln und IPv6 jetzt einzuführen».
Gert Döring, IPv6 Evangelist SpaceNet AG und RIPE Address Policy Arbeitsgruppen-Vorsitzender: «Es ist bedauerlich, dass wir bis zum totalen Ende der IPv4-Adressen gelangen mussten, statt die fliessende Einführung von IPv6 während der letzten 5 Jahre voranzutreiben. Andererseits ist es gut, denn jetzt kann sich niemand mehr dieser Tatsache entziehen. Ich hoffe, dass die Menschen damit aufhören, Blockaden zu errichten und Ausreden zu erfinden, anstatt IPv6 willkommen zu heissen».