Zürich – Zum zweiten Mal nach 2019 erfasst das Swiss Finance Institute (SFI) zusammen mit der Strategie und Managementberatung zeb den Digitalisierungsstatus der Schweizer Banken im Rahmen einer breit angelegten Studie unter dem Titel «Digital Pulse Check» und stellt die gewonnenen Erkenntnisse dem digitalen Reifegrad von anderen europäischen Banken gegenüber.
An der Übungsanlage hat sich auf den ersten Blick wenig verändert: Nach wie vor stehen innovative, kleine agile Fintech-Unternehmen sowie grosse, branchenübergreifend tätige Technologiekonzerne in Lauerstellung und sind willens, Bankdienstleistungen für alle Kundengenerationen mit zukunftsweisenden digitalen Lösungen zu erbringen. Seit der ersten Ausgabe des Schweizer Digital Pulse Check haben hierzulande weitere Neobanken Fuss gefasst und sind mit fokussierten Leistungsangeboten operativ. Stärker als 2019 zeigt sich jedoch, dass die meisten etablierten Bankinstitute die Zeichen der Zeit erkannt haben. Sie digitalisieren ihre bestehenden Services Schritt für Schritt oder denken diese vom Kunden herkommend neu. Die COVID-19-Lage hat diesen Wandel nochmals akzentuiert. Digitalisierung und Virtualisierung stellt für die Banken eine grosse Chance dar, mit den Herausforderungen der Pandemie umzugehen und Kundenbedürfnisse auf neue Art und Weise zu erfüllen.
Es mangelt an verschiedenen Stellen noch am Tempo
Dennoch ist ein Flaschenhals auszumachen: Die Umsetzung der Digitalisierung, also der Weg von der strategischen Blaupause über die Projekt- und Linienarbeit hin zu marktreifen Angeboten und Prozessen, geht bei vielen Instituten noch langsam voran. Selbst bei den Top25 Prozent der am stärksten digitalisierten Banken kommen Wachstums- und Effizienzgewinne (noch) nicht in der Erfolgsrechnung an. Es zeigt sich zudem, dass die bereits in der Erstausgabe dieser Studie identifizierten Hürden nach wie vor bestehen: Namentlich die digitale Leadership-Kultur sowie die Flexibilisierung von Bankstrukturen mittels crossfunktionaler Teams und agilen Organisationsformen sind noch wenig ausgeprägt. Richtig ist aber auch, dass die Finanzindustrie als Ganzes in den vergangenen zwei Jahren eine signifikante Entwicklung erfahren hat und die digitale Transformation insgesamt Fahrt aufnimmt – eine Entwicklung, die nicht nur notwendig, sondern auch unabdingbar für die prosperierende Zukunft der gesamten Branche ist.
Schweizer Banken 2021 vs. 2019
- Bei der ersten Erhebung des digitalen Reifegrades im Jahr 2019 waren im Wesentlichen drei Punkte auffällig:
- Die Schweizer Banken waren auf der reinen Strategie-Ebene sehr gut aufgestellt und konnten hier auch im Europavergleich eine hohe Reife aufweisen.
- In den Umsetzungsdimensionen – also «Geschäftsmodell», «Prozesse, Daten & IT» und «Management & Organisation» – war der digitale Reifegrad der Schweizer Banken hingegen deutlich geringer. Diese Diskrepanz zur Strategie-Dimension zeigte sich analog auch bei den Banken im Ausland.
- Die niedrigste Reife war in der Dimension «Management & Organisation» zu verzeichnen.
Der Digital Pulse Check 2021 zeigt nun auf, dass sich der durchschnittliche digitale Reifegrad der Schweizer Banken in drei von vier Dimensionen erhöht hat. Besonders bemerkenswert ist, dass die 2019 noch relativ gering entwickelte Kategorie «Management & Organisation» den grössten Weiterentwicklungssprung machen konnte. Hingegen ist in der Dimension «Prozesse, Daten & IT» eine Stagnation zu verzeichnen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Banken nicht an diesen Gestaltungselementen arbeiten würden – nur sind die Weiterentwicklungen teilweise nicht ausreichend spürbar im Einsatz. Wie wir aus der Praxis wissen, entscheiden sich aktuell noch viele der etablierten Banken gegen umfassende End-to-End-Prozessoptimierungen, um Komplexität, Investitionsbedarf und Realisierungsdauer zu reduzieren. Stattdessen fokussieren die Optimierungen auf Teilprozesse und Geschäftsvorfälle mit hoher Bedeutung für Kundenqualität, Ressourcenbindung oder Risikosituation.
Das Bild der trägen Branchenriesen hat sich revidiert
Schweizer Banken bleiben in der digitalen Strategieentwicklung im europäischen Vergleich die Spitzenreiter. In den letzten zwei Jahren haben sie ihre digitale Reife sogar noch weiter ausgebaut – gleiches gilt allerdings auch für die Bankenakteure in Europa, die im gleichen Ausmass mitzuziehen vermochten. Es darf festgehalten werden, dass die Digitalisierung des Bankensektors, zumindest auf den Blaupausen der Branche, weit fortgeschritten ist. So weit, und das ist die weniger erfreuliche Erkenntnis, dass die Umsetzung mit den Digital-Strategien noch nicht Schritt zu halten vermag. Gleichzeitig gilt es festzuhalten, dass die etablierten Finanzinstitute viel Boden gut gemacht haben gegenüber den Neobanken. Das Bild der vermeintlich trägen Branchenriesen, die den jungen Wilden in Digitalisierungsfragen wenig entgegenzusetzen haben, hat sich definitiv revidiert. (SFI/mc/ps)
Swiss Finance Institute
Das Swiss Finance Institute (SFI) ist das nationale Kompetenzzentrum für Grundlagenforschung, Doktorandenausbildung, Wissensaustausch und Weiterbildung im Bank- und Finanzwesen. Die Mission des SFI ist es, Wissenskapital für den Schweizer Finanzmarkt zu schaffen. Das 2006 als eine öffentlichprivate Partnerschaft gegründete SFI entstand aus einer gemeinsamen Initiative des Schweizer Finanzsektors, führender Schweizer Universitäten und der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Weitere Informationen über das Swiss Finance Institute finden Sie unter www.swissfinanceinstitute.ch.