SLF simuliert zwei Millionen Lawinen in Graubünden
Davos – SLF-Forschende simulieren Lawinenabgänge und erstellen so Gefahrenhinweiskarten auch für bislang nicht erfasstes Gelände. Das hilft insbesondere, Gefahren für Projekte ausserhalb der Bauzonen einzuschätzen und die Menschen vor Ort dafür zu sensibilisieren. Der neue Ansatz stösst auf rege Nachfrage – auch im Ausland.
Bis zu 84 Prozent der Fläche Graubündens sind lawinengefährdet. Einen grossen Teil davon schützt derzeit Wald. Aber selbst dann bleiben zwei Drittel potenziell gefährdet. Das sind immerhin mehr als 4700 Quadratkilometer und entspricht fast der neunfachen Fläche des Bodensees. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende des SLF in Kooperation mit dem Amt für Wald und Naturgefahren (AWN) des Kantons.
Zwei Millionen Lawinen simulier
Für das Ergebnis haben die Wissenschafter und Wissenschafterinnen im Auftrag des Kantons Graubünden Szenarien mit und ohne Wald für die verschiedenen Wiederkehrperioden von 10, 30, 100 und 300 Jahren modelliert. «Insgesamt haben wir für den Kanton zwei Millionen Lawinen simuliert», sagt Yves Bühler, Leiter der Forschungsgruppe Alpine Fernerkundung am SLF.
Entstanden sind flächendeckende Gefahrenhinweiskarten Lawinen für den gesamten Kanton. Zwar existierten bereits zuvor detaillierte Gefahrenkarten. «Allerdings nur für den Siedlungsbereich», schränkt Roderick Kühne, Experte für Naturgefahren beim AWN, ein. Die neuen Karten liefern wichtige Hinweis für Projekte ausserhalb von Bauzonen. Dazu gehören Berg- und Jagdhütten sowie Infrastruktur, beispielsweise Skigebiete. «Darüber hinaus liefern die Ergebnisse eine Übersicht über die Risiken für Strassen und Bahnstrecken», ergänzt Bühler. Auch die Schutzwirkung des Waldes lässt sich mit dem Vergleich der Szenarien mit und ohne Wald besser quantifizieren. Die Karten sind ein gutes Instrument nicht nur für Expertinnen und Experten sondern auch, um potenzielle Lawinenrisiken für Politiker und die Menschen vor Ort zu visualisieren.
10-jährige Entwicklung
Für seine Arbeit haben Bühler und sein Team die SLF-Software RAMMS verwendet. Sie erlaubte, die automatisch identifizierten Anrissgebiete der Lawinen mit einer numerischen Simulation der Auslaufstrecken zu kombinieren. Dafür waren intensive Diskussionen mit Fachexpertinnen und Fachexperten aus der Praxis erforderlich. Zehn Jahre dauerte die Entwicklung, um auf den aktuellen Stand zu kommen. Die zeitintensive Arbeit hat sich gelohnt. Ein Vergleich mit existierenden Gefahrenkarten zeigte, dass die Resultate meist überraschend gut übereinstimmen.
Der neue Ansatz stösst daher auf rege Nachfrage. Für den Kanton Wallis hat das SLF-Team bereits ebenfalls Lawinen simuliert. Das Projekt haben die Forschenden gerade abgeschlossen, eins für den Kanton Tessin haben sie gestartet. «Auch das Bundesamt für Umwelt hat Interesse angemeldet», sagt Bühler. Darüber hinaus entwickelt sich seine Arbeit zum Exportschlager: Er hat Aufträge aus Italien, Alaska und Neuseeland, Georgien und Afghanistan erhalten. Und es geht weiter, berichtet der Forscher: «Wir planen derzeit weitere Anwendungen, zum Beispiel in Usbekistan.» (SLF/mc/pg)