Coronavirus: Ohne klare Zielsetzung werden die Diskussionen um Massnahmen und deren Erfolg oder Misserfolg nicht abreissen

Coronavirus

(Bild: Corona Immunitas)

Von Helmuth Fuchs

Die Zahl neuer positiv Getesteter in der Schweiz steigt gesamthaft tendenziell weiterhin leicht an, vor allem durch die Zahlen in den Kantonen Genf, Waadt und Zürich. Ob das beunruhigend ist oder ein Erfolg, dass es trotz Lockerungsmassnahmen und Ferienrückkehrer nicht mehr positive Tests gibt, ist reine Interpretationssache, da es keine Zieldefinition und keine detaillierte Analyse der Ansteckungsorte gibt.

Zudem ist die Datenlage zu wichtigen Fragen, wie hoch zum Beispiel die Ansteckungs- und Verbreitungsgefahr in den Schulen durch SchülerInnen im Alter bis 12 Jahren ist, noch ungenügend. Dies macht es für die Verantwortlichen in den Kantonen auch schwierig, die bestmöglichen Massnahmen zu treffen. Inwieweit Masken in Schulen zum Beispiel zielführend sind, lässt sich auf dieser Grundlage kaum beantworten. Erstaunlicherweise gibt es offenbar auch keine wissenschaftlichen Projekte, welche den Schulstart jetzt mit umfassenden Tests begleiten, um möglichst schnell gesicherte Daten zu erhalten.

Der Fokus auf eine mit Vorsicht zu geniessende Kenngrösse
Die medial im Fokus stehende Zahl der positiv Getesteten ist prinzipiell mit Vorsicht zu behandeln. Diese hängt stark ab von der Anzahl der getesteten Personen und aus welchem Segment diese Personen stammen (Rückkehrer aus Hotspots, Teilnehmer von grossen Veranstaltungen, Kontaktpersonen einer positiv getesteten Person…). Ebenso dürfte eine Rolle spielen, dass sich das Virus in den Monaten seit dem Ausbruch schon weiter verbreitet hat, bei zunehmend milderen Verläufen.

Hier die Zahlen der letzten Tage des BAG (Bundesamt für Gesundheit):

Was ist das Ziel aller Massnahmen?
War das Ziel anfangs der Epidemie noch klar (die Verhinderung der Überlastung des Gesundheitswesens), ist die aktuelle Zielsetzung völlig unklar.

Wenn es bei all den Massnahmen um eines der obigen drei Ziele ginge, könnte man etwas durchatmen, statt mit täglichen «Fallzahlen» (richtigerweise «positive Test») medial das Dramaniveau hoch zu halten. Dann liesse sich mit den richtigen Massnahmen (Abstand, Hygiene, Vermeidung von grossen und dichten Menschenansammlungen über längere Zeit) relativ unbeschwert in de Zukunft schauen.

Kakophonie der Meinungen statt einheitliche Stimme
Da der Bundesrat sich nach der Entschärfung der Krisensituation nicht mehr zu den Zielen der neuen Phase geäussert hat, ist es auch schwierig zu beurteilen, ob wir uns auf einem guten Weg befinden, ob die Massnahmen zielführend und welche nächsten Schritte angebracht sind. Das befeuert die zunehmende Kakophonie von Expertenstimmen aus der COVID-19 Task Force, die den Bundesrat wissenschaftlich unterstützen soll, dem BAG und dem Bundesrat.

Da der Bundesrat seine Entscheidung nicht nur wissenschaftlich begründen, sondern in seinen Massnahmen auch politische und wirtschaftliche Realitäten berücksichtigen muss, mehren sich auf den sozialen Medien und in Interviews die Voten von frustrierten Wissenschaftlern.

https://twitter.com/C_Althaus/status/1293582247417786374

Selbstverständlich sollen sich die Wissenschaftler in der Diskussion auch mit der eigenen Stimme zu Worte melden dürfen. Als Teil der COVID-19 Task Force wäre es im Sinne einer einheitlichen Stimme der Wissenschaft aber zielführender, wenn sich die Task Force und das BAG auf eine Position einigen und dieses auch nach aussen vertreten würde. Dies hat ihnen der Bundesrat voraus, indem sich dort auch nicht die einzelnen Mitglieder über eigene Kanäle mit unterschiedlichen Positionen zu wichtigen Entscheiden gegenseitig lahmlegen.

Auch hier liegt das Problem im nicht bekannten Ziel der gegenwärtigen Massnahmen. Wäre das Ziel bekannt, könnten die Massnahmen auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. So bleiben wir bei undurchsichtigen, scheinbar stark durch verschiedene Anspruchsgruppen und Lobbyisten geprägten und teilweise willkürlich wirkenden Schritten auf ein unbekanntes Ziel hin. Das eröffnet den Kantonen viel Spielraum für eigene Interpretationen, erschwert aber die Kommunikation und vor allem das Einbinden der Bevölkerung, welche die Massnahmen nur mittragen wird, wenn sie einleuchtend und zielführend sind.

„Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will, für den ist kein Wind der richtige.“ Lucius Annaeus Seneca (Seneca der Jüngere)


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