Coronavirus: Wie surreale Ängste reale Schäden verursachen

Coronavirus: Wie surreale Ängste reale Schäden verursachen
Bundespräsident Alain Berset. (Foto: EDI)

Kommentar von Helmuth Fuchs

So langsam beginnt das mediale Trommelfeuer zum Coronavirus auch bei den Politikern Wirkung zu zeigen. Heute hat der Bundesrat eine «besondere Lage» für die Schweiz ausgerufen und auf dieser Grundlage Versammlungen von mehr als 1’000 Personen verboten. Das trifft nebst der Basler Fasnacht oder der Automobilmesse in Genf auch Konzerte, Ausstellungen und Sportveranstaltungen in der gesamten Schweiz.

Der Bundesrat und das BAG (Bundesamt für Gesundheit) haben bis anhin jeweils sehr bedächtig die Lage analysiert und dann mit Zurückhaltung reagiert, immer einen Plan für die nächsten Eskalationsstufen schon vorbereitet. Dies steht im krassen Gegensatz zum immer schrilleren Stakkato in den Medien. Diese nutzen die Unsicherheit nicht, um mit gebührenden Zurückhaltung Fakten zu präsentieren, sondern um möglichst viel Hysterie, Drama, Unsicherheit und Angst zu verbreiten. Nicht erklären, beleuchten und echte Neuigkeiten vermitteln steht im Vordergrund, sondern mutmassen, Gerüchte verstärken und Panik befeuern.

Sämtliche Screenshots jeweils von der Startseite vom 28.02.2020

Klickmaximierung und Börsencrash
Das könnte man im Wissen um das bröckelnde Geschäftsmodell der meisten Medien als Klickmaximierung abbuchen, wenn nicht die gezielte Bewirtschaftung der surrealen Ängste zu sehr realen wirtschaftlichen Verlusten führen würde. Die seit längere Zeit durch Tiefstzinsen genährte überhitzte Aufwährtsphase der Börsen weltweit hat sich als extrem anfällig erwiesen. Der SP500-Index führte letzte Woche die schnellste Talfahrt in seiner Geschichte durch (- 10% in 6 Sessions) und übertraf damit den Black Monday im Oktober 1987.

Börsensicht auf Cash.ch vom 28.02.2020

Alles wegen einer grippeähnlichen Erkrankung von mittlerweile erfassten knapp 79’000 Erkrankten in China, von denen knapp 2’800 verstarben, aber auch über 36’000 wieder genesen sind. China hat, um hier auch mal eine Perspektive zu schaffen, 1’386 Millionen Einwohner. In China scheint sich die Lage langsam wieder zu beruhigen, während sich das Virus im Rest der Welt noch weiter ausbreiten wird. Aktuelle und gut aufbereitete Daten von der Johns Hopkins Universität:

Ansteckungsgefahr, Verlauf der Krankheit, Sterblichkeitsrate, Immunität nach der Krankheit, Begrenzung auf ältere Menschen oder solche mit geschwächtem Gesundheitszustand stehen jedenfalls weder in einem Verhältnis zur Vernichtung von hunderten von Milliarden an Börsenwert, noch zur realen Gefährdung von Unternehmen, deren Existenz durch Versammlungsverbote bedroht ist.

Wenn echte Medien gerne Soziale Medien sein möchten
Auch wenn die traditionellen Medien ihre vormals fast monopolistische Informationsposition verloren haben, sind sie immer noch bedeutend für die Meinungsbildung, in jedem Land und jedem Regierungssystem. Am härtesten bedrängt werden sie von den Sozialen Medien, in denen die Bedeutung der Meinungen nicht von der Vorbildung oder dem spezifischen Wissen, sondern von Followern und Likes abhängig ist. Statt sich in ihrer Tradition weiter zu entwickeln, mimen die angestammten Medien immer mehr die Sprache und Verhaltensmuster der Sozialen Medien, mit dem verheerenden Resultat, dass die Töne immer schriller werden, die Dramatisierung nur die Richtung nach oben kennt. Das überträgt sich auf die Bevölkerung und deren politische Vertreter.

 

Auch Bundesrat Alain Berset gibt zu, dass die Massnahmen teilweise willkürlich sind, aber die Sorgen der Bevölkerung ernst genommen werden müssen. Und selbstverständlich spielt er auch auf Sicherheit, lieber etwas zu viel als zu wenig, wenn die öffentliche Meinung einen so besorgten Unterton angenommen hat. Das ist keine Kritik am BAG, das einen sehr guten Job macht, sondern an den Medien, welche aus Eigeninteresse die Dramatisierung suchen.

Die willkürliche Versammlungs-Grenze von 1’000 Personen führt zum Beispiel beim Opernhaus Zürich zur folgenden kreativen Lösung: «Vor diesem Hintergrund finden die im Opernhaus Zürich geplanten Vorstellungen bis auf Weiteres mit maximal 900 Zuschauerinnen und Zuschauern statt.»

Was geht noch, wenn das Gaspedal schon bis zum Anschlag durchgetreten ist?
Das wirklich Beunruhigende ist die jetzt erreichte und medial gestützte Stufe des Alarmismus, bei einer relativ ungefährlichen Krankheit. Wie soll das noch gesteigert werden können, wenn jetzt schon das öffentliche Leben teilweise lahmgelegt wird, es zu Hamsterkäufen kommt, Schutzmasken von Gesunden gehortet werden und den Kranken dann fehlen, oder ein gewählter Politiker wie Thomas Aeschi, Nationalrat und Fraktionspräsident der SVP, die Hotline des BAG aus Spass anruft um sich danach zu entrüsten, dass sie besetzt ist.

Ähnliche Massnahmen gab es in der Breite bisher noch gar nie, für einzelne Anlässe erst einmal bei der spanischen Grippe (1918, zwischen 25 bis 50 Millionen Tote weltweit) oder in den beiden letzten Weltkriegen. Ob wir hier eine ähnlich dramatische Situation haben, darf bezweifelt werden. In der Arena-Spezialsendung zum Coronavirus vom 28. Februar hielt Daniel Koch, Leiter übertragbare Krankheiten im Bundesamt für Gesundheit (BAG) fest, dass bei korrektem Vorgehen das Coronavirus wahrscheinlich einer Grippewelle gleichkomme (derselben Meinung ist auch der Immunologe Beda Stadler).

Reduktion der Verantwortung bedeutet auch Machtverschiebung
Zudem wird die Bevölkerung einen weiteren kleinen Schritt entmündigt mit dem Argument, dass es um die Sicherung der Gesundheit der Bevölkerung gehe. Man glaubt offenbar in politischen Kreisen nicht, dass die einleuchtenden Massnahmen wie des Händewaschens, Distanz zu Infizierten, andere nicht Anhusten, Abklärung bei Unsicherheit via Telefon und Hausarzt (und nicht fluchtartig in die nächste Notaufnahme des Spitals rennen) von den Bürgern verstanden und eingehalten werden können. Die «besondere Lage» bedeutet auch, dass nicht nur die einzelnen Bürger, sondern auch die Kantone sich dem Bund unterzuordnen haben bei Entscheidungen und Massnahmen.

Es ist zu wünschen, dass die mediale Tonalität sich endlich der echten Bedrohung anpasst, die Bürger ausgebildet statt bevormundet werden und der wirtschaftliche Schaden begrenzt statt maximiert wird.

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