SRG: Wapplers Sicht von der Kommandebrücke des Luxusliners
Im Interview mit dem Blick hält Nathalie Wappler, Direktorin von Schweizer Radio und Fernsehen SRF und stellvertretende Generaldirektorin bei SRG fest, dass in der Coronakrise alle Medienunternehmen im selben Boot sitzen würden. Korrekt ist, dass die Unternehmen nicht nur nicht im gleichen Boot sitzen, sondern nicht mal auf den gleichen Gewässern verkehren.
Von Helmuth Fuchs
Anlass des Interviews war das am 20. August von ihr vorgestellte Reorganisations-Programms „SRF 2024“. Dabei geht es im Wesentlichen darum, dass ein jüngeres Publikum (unter 45 Jahren) erreicht werden soll und deshalb in Zukunft vor allem Online-Angebote ausgebaut und Fernsehangebote, wie zum Beispiel das Wirtschaftsmagazin «Eco», abgebaut werden sollen. Statt aufwändiger Recherche eher Talk-Formate, Youtube-Videos statt Fernsehproduktionen.
Auf die Frage von Blick, wie stark die Corona-Krise das Schweizer Fernsehen belastet hätte, antwortete Nathalie Wappler.
«Da sitzen wir Medienunternehmen alle im selben Boot: Die Werbeeinbrüche haben sich durch die Corona-Krise nochmals zugespitzt.»
Das tönt zwar gut, ist aber weit von der Realität entfernt. SRF und private Medienunternehmen sitzen nicht nur nicht im selben Boot, sie verkehren nicht einmal auf den gleichen Gewässern.
Während die primär durch Zwangsgebühren in der Höhe von 1.2 Milliarden Franken von Privatpersonen und Unternehmen finanzierte SRG sich zusätzlich auch noch im Dienstleistungs- und Werbemarkt mit rund 300 Millionen Franken bedient, müssen sich die privaten Medienunternehmen primär im freien Markt behaupten.
Das Bild des gemeinsamen Bootes präzisiert: Die SRG cruised mit einem Luxusliner in ruhigen Binnengewässern, während die Privaten in ihren Nussschalen auf dem aufgewühlten Meer versuchen, Lecks zu stopfen und das eingedrungene Wasser rauszuschöpfen.
Junge als neues Zielpublikum
Ebenso interessant ist die Neuausrichtung auf ein jüngeres Publikum. Nach dem Motto „der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen» (die vorwiegend älteren Stimmbürger, welche die «No Billag»-Initiave ablehnten), wird jetzt das Programm auf die unter 45-Jährigen ausgerichtet und soll vermehrt Online und auf Kanälen wie Youtube stattfinden.
«Zwischen «SRF 2024» und der Initiative gibt es keinen Zusammenhang. Es waren vor zwei Jahren übrigens die Jungen, die No Billag am deutlichsten abgelehnt haben. SRF hat den Auftrag, ein Angebot für alle Menschen in der Deutschschweiz zu machen, schliesslich zahlen auch alle Gebühren. Heute erreichen wir Menschen unter 45 aber deutlich schlechter als ältere. Deshalb planen wir neue, digitale Inhalte für die Jungen.»
Dabei wird offensichtlich ignoriert, dass die Jungen einfach nichts am Hut haben könnten mit SRF, dem Medium ihrer Eltern. Es besteht also das Risiko, mit der neuen Strategie das bestehende Publikum zu verärgern und zu verlieren, ohne dass das neue Zielpublikum im gleichen Masse gewonnen werden kann.
Digitalisierung und Konzentration auf Gebühren
Die SRG muss sich wandeln, die Digitalisierung wird dabei eine zentrale Komponente sein müssen, wie das Nathalie Wappler auch betont. Dabei kann die SRG weiterhin auf die über 50-Jährigen zählen, die schon lange versiert sind im Umgang mit den digitalen Medien. Musik und Sendungen im Radio werden schon heute über digitale Plattformen erstellt und gesendet, Fernsehgeräte hängen am Internet und in Kürze werden alle Schweizer ein Smartphone besitzen und Streaminginhalte dort abspielen können. Es gibt heute schon spezielle Kanäle und Gefässe für das jüngere Publikum, wie es die Vorgaben an SRF fordern, wenn auch mit mässigem Erfolg.
Das jüngere Publikum wird sich aber auch in Zukunft vorwiegend auf Plattformen informieren, die nichts mit den Medien ihrer Eltern zu tun haben, wie zum Beispiel die Entwicklung bei Facebook zeigt. Wer will sich als Jugendlicher schon in den gleichen Zirkeln wie seine Eltern bewegen?
Nebst dem eingeleiteten Wandel wäre die Zeit reif, die SRG endlich aus dem Werbemarkt zu nehmen. Als Quasimonopolistin konkurrenziert sie dort unnötigerweise die Privaten. Zudem wurden sinkenden Einnahmen in der Coronakrise gleich wieder mit 50 Millionen vom Bund ausgeglichen, was den angeblichen Wettbewerb vollständig ad absurdum führt. Im Gegenzug können sämtliche Zahlungen der SRG an Private eingestellt werden, da es nicht Aufgabe der SRG sein kann, ihre Mitbewerber mitzufinanzieren (oder mit Brosamen abzuspeisen und dafür zum Stillhalten zu verpflichten). Diese Trennung würde die Realität abbilden und die Fokussierung auf einen echten Service Public signifikant erleichtern.
Falls das nicht geschieht, werden im Digitalbereich als nächstes die privaten Onlineplattformen dasselbe Schicksal erleiden wie zuvor die privaten Radio- und Fernsehstationen: Sie werden von der Übermacht der gebührenfinanzierten SRG erdrückt und überleben nur noch mit Bundesgeldern und Brosamen der SRG.