Tokio / Hongkong / Shanghai – Ein massiver Kurssturz an der Wall Street hat auch die Börsen in Asien und Australien deutlich nach unten gezogen. Besonders kräftig ging es am Dienstag in Japan abwärts mit einem Verlust bis zum Handelsschluss um knapp 5 Prozent.
Allerdings hatten die Verluste zwischenzeitlich noch höher gelegen – gegen Handelsende entspannte sich die Lage damit sogar etwas. Für Europas Aktienmärkte deutete sich ebenfalls ein deutlicher Kursrutsch an, allerdings hatte es auch hier zwischenzeitlich nach noch deutlich kräftigeren Verlusten ausgesehen.
Vorausgegangen war der mit knapp 1600 Zählern bisher grösste Tagesverlust des Dow Jones nach Sorgen um eine schneller als gedachte Anhebung der Zinsen – das würde Anleihen gegenüber Aktien wieder attraktiver machen. Die bisherigen Jahresgewinne lösten sich rasend schnell in Luft auf, ebenso wie die seit Anfang Dezember erzielten Gewinne. Die niedrigen Zinsen sind seit Jahren der Motor der Aktienmarktrally.
In Japan sackte der Nikkei-Index für 225 führende Werte bis zum Handelsschluss um 4,73 Prozent auf 21’610,24 Punkte ab nach einem zwischenzeitlichen Minus von mehr als 7 Prozent. Noch im Januar hatte er den höchsten Stand seit mehr als einem Vierteljahrhundert erreicht bei mehr als 24’000 Punkten.
Aber auch an anderen Handelsplätzen ging es deutlich nach unten: In China fiel der CSI 300 mit den 300 wichtigsten Werten der Festland-Börsen um 2,9 Prozent auf 4148,89 Punkte.
Deutlicher fielen die Abschlägen in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong aus, wo der Leitindex Hang Seng im späten Handel viereinhalb Prozent auf 30’818 Punkte verlor. Der Aktienmarkt in Hongkong ist stärker mit den Weltbörsen verknüpft als die Börsen in Schanghai und Shenzhen.
Auch in Australien erlebte die Börse Verluste. Der S&P/ASX200-Index verbuchte zuletzt ein Minus von mehr als 3 Prozent. In Südkorea büsste der Leitindex Kospi vergleichsweise moderate anderthalb Prozent ein. Beim indischen Leitindex Sensex stand ein Abschlag von rund drei Prozent auf der Kurstafel.
In den USA sprang am Montag das Angstbarometer, der Vix-Index, das die Kursschwankungen des S&P 500 misst, um fast 100 Prozent hoch. Das letzte Mal, als der Volatilitätsindex kräftig nach oben gesprungen war, hatten Sorgen um die chinesische Wirtschaft für einen Ausverkauf an den Börsen gesorgt.
Dieses Mal vermuteten Händler Sorgen um eine schneller als bisher vermutete Zinswende als Grund. Nachdem am Freitag zur Vorlage des Arbeitsmarktberichts der Anstieg der Stundenlöhne bereits Erwartungen an weiter kletternde US-Leitzinsen beflügelt hatte, setzte am Montag das ISM-Stimmungsbarometer für Dienstleister eins drauf.
Im Januar wurde der höchsten Stand seit Beginn seiner Erhebung 2008 verzeichnet. Derart starke Daten hätten Befürchtungen ausgelöst, dass 2018 womöglich mehr und schnellere Zinsschritte seitens der Fed anstehen könnten, hiess es.
Mit einem Minus von 4,60 Prozent auf 24’345,75 Punkten ging der Dow aus dem Handel. Damit büsste das weltweit wichtigste Börsenbarometer letztlich 1175 Punkte ein. Erst vor wenigen Tagen war noch bei 26 616 Punkten sein jüngstes Rekordhoch bejubelt worden. Beim Broker IG werden aktuell weitere Verluste von rund 3 Prozent indiziert.
Der breit gefasste S&P 500 brach am Montag um 4,10 Prozent auf 2648,94 Punkte ein. Der technologielastige Nasdaq 100 verlor 3,91 Prozent auf 6495,92 Punkte.
Marktanalyst Craig Erlam vom Devisenbroker Oanda sprach von einem «Flash Crash» an der Wall Street und Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners ergänzte: «Viele Anleger sind regelrecht in Panik verfallen.» Die Flucht aus Aktien sei dabei durch zahlreiche Stop-Orders massiv beschleunigt worden, die Anleger eigentlich setzen, um sich vor allzu grossen Verlusten zu schützen.
Marktbeobachter Daniel Saurenz von Feingold Research sah im freien Fall des Dow «den schwärzesten Tag für die Aktienmärkte seit Jahren».
Das Weisse Haus zeigte sich trotz des Kurssturzes an der Wall Street zuversichtlich über die wirtschaftliche Lage in den USA. Der Fokus von Präsident Donald Trump liege auf den langfristigen wirtschaftlichen Fundamentaldaten, die weiterhin «aussergewöhnlich stark» seien, erklärte seine Sprecherin Sarah Sanders.
Dazu gehörten etwa die «historisch niedrige» Arbeitslosigkeit sowie steigende Löhne, fügte sie hinzu. Unter Fundamentaldaten verstehen Ökonomen sogenannte harte Zahlen – etwa zum Wirtschaftswachstum. (awp/mc/ps)