Zürich – Der Schweizer Aktienmarkt hat am Dienstag die Vortageseinbussen mehr als wettgemacht und deutlich zugelegt. Viele Investoren hätten die Effekte der fiskal- und geldpolitischen Massnahmen gegen das Coronavirus zunächst unterschätzt und daher erst mit einer gewissen Verzögerung reagiert, hiess es in Händlerkreisen. Zudem stimmten Nachrichten aus China zuversichtlich, wo sich allmählich eine Rückkehr zur Normalität in der Provinz Hubei abzeichnet. Zudem stimmte die abflachende Infizierten-Kurve in Italien die Anleger zusätzlich optimistisch.
«Die geldpolitischen Druckerpressen laufen weltweit auf Hochtouren, viele Staaten haben gigantische Unterstützungsmassnahmen angestossen, und die US-Notenbank geht aufs Ganze», umschreibt ein Analyst die aktuelle Lage. Die Börsen hätten ein wahres Kursfeuerwerk abgebrannt, sagte ein anderer Marktteilnehmer. Von einer Trendumkehr könne wegen der täglich hohen Kursausschläge jedoch nicht gesprochen werden. «Die Korrektur ist noch nicht beendet», sagte ein anderer Börsianer. Zudem träten die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise erst allmählich zutage.
Der SMI schloss 7,02 Prozent höher auf 8’733,32 Punkten und wetzte damit die Scharte von 5,37 Prozent vom Montag mehr als aus. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, stieg um 8,81 Prozent auf 1’285,23 und der breite SPI um 6,20 Prozent auf 10’609,62 Zähler. Auch an anderen Handelsplätzen Europas schossen die Kurse massiv in die Höhe.
Sämtliche Blue Chips legten zu. Die Bandbreite der Avancen reichte von 0,9 Prozent bei AMS, die sich wegen der laufenden Bezugsrechtsemission in einer Spezialsituation befinden, und +19 Prozent. Fast die Hälfte legte rund 10 Prozent oder noch mehr zu.
Angeführt wurde die Erholung von den Finanzwerten, konkret von Julius Bär (+19%), Swiss Re (+17%), Swiss Life (+16%) und Partners Group (+15). Die Grossbanken CS (+15%) und UBS (+13%) waren ebenfalls gefragt. Auch der Bankensoftwarehersteller Temenos (+15%) zählt indirekt zu dieser Gruppe.
Händler erklärten die starken Gewinne im Finanzsektor vor allem mit einer technischen Gegenbewegung. «Wir dürfen nicht vergessen, die Finanzwerte sind derart unter die Räder gekommen und geshortet worden. Das wirkt wie eine Feder, die immer stärker zusammengedrückt wurde und die nun durch die Geldspritze des Fed und die Nachrichten aus China aufgesprungen ist», meinte einer.
Gefragt waren aber auch Zykliker wie LafargeHolcim (+14,%), Adecco (+13%), Sika (+12%) und ABB (+11%). Diesen Papieren hatten in den letzten Tagen und Wochen die Rezessionsängste stark zugesetzt.
Zu dieser Gruppe zählten auch die Clariant-Aktien (+8,9% auf 15,65 Fr.), wobei sich die Analysten über die faire Bewertung uneinig waren. Einige hielten den Kursrückgang der letzten Zeit für stark übertrieben. So setzte etwa der Experte der Bank Vontobel vergangene Woche sein Kursziel auf 27 Franken. Für JPMorgan dagegen ist das aktuelle Kursniveau gerechtfertigt.
Bei den defensiven Pharmaschwergewichten übertrafen Roche (+4,6%) die Papiere von Novartis (+3,6%) und Nestlé (+2,4%) klar. Roche startete eine zulassungsrelevante Studie für Actemra bezüglich des potenziellen Nutzens für Patienten mit einer schweren Coronavirus-Lungenentzündung. Novartis stellte positive Daten aus klinischen Studien mit der Genersatz-Therapie Zolgensma vor.
Zu dem vergleichsweise bescheidenen Anstieg der Nestlé-Aktien hiess es, der Nahrungsmittelmulti habe zuletzt auch deutlich weniger unter den Corona-Ängsten gelitten als andere.
Auch am breiten Markt erholten sich diverse Papiere: Dazu zählen etwa die Aktien des Reisedetailhändlers Dufry (+21%). Die Sorgen bezüglich der Liquiditätssituation bei dem Unternehmen seien überzogen, hiess es in Analystenkreisen.
Ebenfalls zweistellig legten auch andere Valoren zu, die stark gelitten hatten – etwa GAM (+24%) oder SoftwareOne (+18%).
Dagegen kam das Geschäfts-Update von Aryzta (-10%) wegen der Coronakrise ganz schlecht an. (awp/mc/ps)