Zürich – Die russische Grossoffensive in der Ukraine hat die Börsen rund um den Globus in die Knie gezwungen. Investoren schalteten ihre Depots auf «risk-off» um. Sie flüchteten also in sichere Anlagen wie Gold, Staatsanleihen und Währungen wie den Schweizer Franken, den Yen oder US-Dollar.
«Es herrscht Krieg in Europa», stellten Marktteilnehmer ernüchtert fest. Zwar sind sich Marktexperten einig, dass eine Panikreaktion bislang ausgeblieben ist, doch sei die Nervosität extrem hoch. Ökonomen fragen sich nun, wie stark die Einbussen sein werden, welche die die Realwirtschaft hinnehmen muss. Gleichzeitig sorgen die Energiemärkte für zusätzlichen Inflationsdruck in einer Zeit, in der die Zentralbanken versuchen, den Inflationsdruck zu bekämpfen.
Der Swiss Market Index (SMI) sackte am Donnerstag um 2,56 Prozent auf 11’636,76 Punkte ab. Der Leitindex war zwischenzeitlich unter 11’500 Stellen gefallen. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, büsste 2,55 Prozent auf 1846,42 und der breite SPI 2,40 Prozent auf 14’724,39 Zähler ein. 25 der 30 SLI-Werte schlossen im Minus.
Vor allem die Bankaktien fielen mit herben Verlusten auf: Im Leitindex wurden UBS (-8,2%) und Credit Suisse (-4,8%) mit ans Tabellenende durchgereicht; Julius Bär verloren 4,6 Prozent. Experten gehen davon aus, dass die Realwirtschaft rund um den Globus spürbare Einbussen hinnehmen muss, speziell auf dem «Alten Kontinent». Das belastet die kreditgebenden Finanzhäuser.
Zudem hatten Bankwerte zuletzt stark von der Aussicht auf höhere Zinserträge profitiert. Für das Ausmass des Zinsschritts der US-Notenbank am 16. März wird nun wohl der russische Präsident Wladimir Putin den Ausschlag geben, kommentierten Experten.
Konjunkturabhängige Werte wie Holcim (-4,4%) am Vortag der Ergebnispublikation, Sika (-3,5%) und ABB (-2,3%) gaben deutlich Terrain her. Die Aktien des Luxusgüterkonzerns Richemont verloren sogar 6,5 Prozent und für Swatch wurden 4,0 Prozent weniger bezahlt. Nicht viel besser erging es den Technologieaktien von AMS und Temenos, die jeweils 4,6 Prozent einbüssten.
Unternehmenszahlen waren vom Nachrichtenfluss aus Osteuropa überschattet. Das bekamen auch die Papiere des Personaldienstleisters Adecco (-5,4%) zu spüren. Die Gruppe hat sich im vergangenen Jahr zwar vom Corona-Einbruch 2020 erholt, im Schlussquartal ist sie aber wie erwartet nur noch leicht gewachsen.
Mit Gewinnen aus dem Tag gingen gar verschiedene defensive Valoren: Allen voran Givaudan rückten um 1,2 Prozent vor. Es folgten aus dem Gesundheitsbereich Sonova und Sika mit plus 0,6 Prozent. Mit dem Logistiker Kühne+Nagel (+0,7%) landete auch ein klassischer Zykliker in der Gewinnergruppe.
Vergleichsweise geringfügige Abgaben von jeweils 1,2 Prozent mussten auch die grosskapitalisierten Pharmawerte Roche und Novartis hinnehmen. Nestlé aber belasteten den SMI mit Verlusten von 3,2 Prozent.
Während die Aktienkurse purzelten, zogen die Preise für zahlreiche Rohstoffe an. So kostete etwa die Feinunze Gold so viel wie zuletzt im Juni 2021. Aber auch die Preise für Rohöl gingen durch die Decke. Der Brentölpreis überstieg zeitweise die 105-Dollar-Marke das Barrel.
Gleichzeitig kletterten am europäischen Gasmarkt die Grosshandelspreise dramatisch in die Höhe. Und auch Palladium, Aluminium und Nickel verteuern sich markant. Aber nicht nur Öl und Metalle sahen Preisanstiege. So zogen auch Mais- und Weizen-Futures an. Immerhin ist Russland der grösste Weizenexporteur der Welt.
Bitcoin und Co. allerdings – vielerorts immer wieder als neue sichere Häfen betitelt – kamen der ihnen zugedachten Rolle nicht wirklich nach. Der Bitcoin als wichtigste Kryptowährung etwa sackte in der Nacht um fast 7 Prozent ab, bevor er die Abgaben im Handelsverlauf wieder etwas eindämmte. (awp/mc/ps)