Zürich – Die Schweizer Börse hat am Donnerstag deutlich nachgegeben. In Spätgeschäft konnten die Verluste im Einklang mit der Wall Street noch leicht eingegrenzt werden. Belastet wurden die Beteiligungspapiere einmal mehr von Konjunktursorgen. Die Investoren befürchteten ungewisse Zweit- und Drittrundeneffekte der Pandemie. Dies betreffe sowohl Unternehmenspleiten und Arbeitsplatzverluste als auch mögliche neue Infektionswellen. «Die Anleger haben sich den Aufschwung wohl etwas zu einfach vorgestellt», sagte ein Händler. Eine zügige V-förmige Konjunkturerholung werde es wohl nicht geben.
Verstärkt wurden die Sorgen durch schwache US-Arbeitsmarktdaten. Erneut wurden knapp drei Millionen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe registriert. In den sieben Wochen zuvor hatten mehr als 33 Millionen Menschen einen solchen Antrag gestellt Und daran dürfte sich auch in den kommenden Wochen nicht viel ändern, hiess es am Markt. Dazu kam die Angst vor einem Wiederhochkochen des Zollstreits der USA mit China. Belastet hätten auch die Aussagen von US-Notenbankchef Jerome Powell. Demzufolge dürften noch weitere Hilfsprogramme nötig sein, um wenigstens eine U-förmige Erholung der Weltwirtschaft zu erreichen.
Der SMI büsste 1,90 Prozent auf 9’448,14 Punkte ein. Damit schloss der Leitindex erstmals seit Anfang Monat wieder unter der mehr psychologisch als charttechnisch wichtigen Marke von 9’500 Punkten. Der SLI, in dem die wichtigsten 30 Aktien enthalten sind, verlor 2,19 Prozent auf 1’367,64 und der umfassende SPI 2,04 Prozent auf 11’763,03 Zähler. Sämtliche 30 SLI-Titel schlossen tiefer.
Die aktuell wieder hohe Nervosität zeigte sich im Volatilitätsindex VSMI. Mit einem Plus von gut 15 Prozent legte dieser wieder deutlich zu. Gleichzeitig waren Anleihen als sichere Häfen ebenso gesucht wie der Franken.
Auch auf der Kurstafel spiegelten sich die Konjunktursorgen wider. Starke Abschläge verbuchten zyklische und einzelne Finanzwerte. Dazu zählten der Softwareproduzent Temenos (-5,0%), Partners Group (-4,6%), Adecco (-4,2%), ABB (-4,0% und oder AMS (-3,7%). Für letztere nannten Händler die Sorge um den US-chinesischen Handelsdisput als einen Grund für das Kursminus.
Die Aktien von Logitech (-3,0%) litten unter Gewinnmitnahmen nach der steilen Erholung nach dem Corona-Crash und dem unerwartet guten Quartalsbericht.
Die Aktien der Banken konnten im Verlauf die zunächst massiven Einbussen eingrenzen. Credit Suisse schlossen noch um 1,0 Prozent im Minus und UBS um 2,0 Prozent. Zeitweise lagen sie mehr als vier Prozent tiefer. Den Banken machten laut Händlern die Aussagen des EZB-Direktors Fabio Panetta zu schaffen, dass die Pandemie die Bankenwelt in eine schwere Krise reissen könnte.
Bei den Versicherungen Swiss Re (-2,8) und Swiss Life (-2,9%) dominierten ebenfalls tiefere Kurse.
Zurich Insurance (-0,1%) aber holten ein klares Minus nahezu auf. Der Quartalsbericht wurde als im Rahmen der Erwartungen beurteilt. Zeitweise hätten die rückläufigen Kapitalquoten und Sorgen um die künftige Dividende den Kurs belastet.
Besser als der Gesamtmarkt hielten sich auch Roche (-0,6%). Beim Pharmakonzern sorgten aktuelle Studiendaten für Unterstützung. Die beiden anderen defensiven Schwergewichte Nestlé (-2,1%) und Novartis (-2,5%) gaben dagegen ebenfalls deutlich nach.
Richemont schlossen am Tag vor der Ergebnispräsentation um 1,2 Prozent tiefer. Rivale Swatch (-1,3%) verloren am Tag der GV ebenfalls an Wert.
Am breiten Markt stürzten Straumann (-8,5%) ab. Der Implantate-Spezialist kündigte den Abbau des Personalbestands um 9 Prozent an, um Kosten zu sparen.
Bei Aryzta (-4,8%) machten anfängliche Hoffnungen rasch Gewinnmitnahmen Platz. Der angeschlagene Backwarenkonzern will laut eigenen Angaben alle strategischen und finanziellen Optionen prüfen. Spekulative Käufe hatten den Titel nach dem Einstieg des aktivistischen Investors Veraison Schub gegeben.
Der Quartalsbericht des Telekomunternehmens Sunrise (+3,3%) kam laut Händlern bei den Anlegern gut an. (awp/mc/ps)