Zürich – Der Schweizer Aktienmarkt hat den Abwärtstrend der vergangenen zwei Tage fortgesetzt und am Donnerstag starke Verluste erlitten. Ab dem Mittag rutscht der SMI immer stärker in die Verlustzone und fiel im späten Nachmittagshandel gar unter die Marke von 8’300 Punkten. Denn auch die New Yorker Börsen verloren am Donnerstag bis zur Berichtszeit weiteren Boden. Die Unsicherheit um die Geldpolitik in den USA bleibe gross, hiess es am Markt.
Als wichtig wurde daher auch eine Rede von Fed-Chefin Janet Yellen nach Börsenschluss an der University of Massachusetts eingestuft. Es sei zu hoffen, dass sie den Märkten etwas Vertrauen zurückgeben könne, nachdem dies seit der Fed-Sitzung vergangene Woche abhanden gekommen sei, heisst es beispielsweise bei der Société Générale. Auch anhaltende Sorgen über die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft sorgten für Druck. Hierzulande belasteten besonders die Schwergewichte Novartis und Nestlé den Leitindex.
Der Swiss Market Index (SMI) schloss 2,01% tiefer bei 8’278,07 Punkten. Damit steht der SMI in der laufenden Woche bisher 5,3% im Minus und seit Anfang Jahr 8%. Der 30 Titel umfassende, in der Titelgewichtung gekappte Swiss Leader Index (SLI) gab am Donnerstag 2,24% auf 1’217,63 nach und der breite Swiss Performance Index (SPI) 2,03% auf 8’467,46 Zähler. Alle 30 Blue Chips verzeichneten am Schluss klare Verluste.
Mit Abstand grösste Verlierer waren Schindler PS (-6,8% auf 135,50 CHF). Der Aufzugshersteller sieht sich im wichtigen Markt China mit polizeilichen Ermittlungen wegen Unterschlagung und möglicher Bestechung konfrontiert. Zwei Führungskräfte von Schindler China wurden zur Vernehmung abgeholt. Die Meldung führte am Nachmittag zu einem Kurssturz, der sich bis zum Handelsschluss noch weiter ausdehnte. Das Tagestief erreichte gar 133,20 CHF.
Besonders die schwergewichtigen Novartis (-2,2%) und Nestlé (-1,8%) rissen den SMI tief in die Verlustzone; Roche (-1,4%) verloren etwas moderater. Die jüngste Schwäche der Pharmawerte könnte mit einer branchenweiten Unsicherheit nach den angekündigten Regulierungsplänen der US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton zusammenhängen, hiess es im Handel.
Zu den grössten prozentualen Verlierern zählten zudem Transocean (-4,1%) und LafargeHolcim (-3,7%). Die Anteilsscheine des Baustoffkonzerns knüpften damit an die schwache Entwicklung der Vortage an. Seit Jahresbeginn hat der Titel mittlerweile fast 27% an Wert verloren. Zuletzt äusserten sich Analysten besorgt über die Wirtschaftsaussichten in den Schwellenländern, wo eine Verlangsamung das frisch fusionierte Unternehmen deutlich treffen würde.
Auch Aryzta (-3,5&) – die am kommenden Montag Zahlen zum Geschäftsjahr 2014/15 vorlegen – sowie Swatch (-3,2%) waren ebenfalls besonders stark unter Druck, Richemont (-2,2%) vergleichsweise etwas moderater. Bei den beiden Uhrentiteln verweisen Händler und Analysten immer wieder auf Asien und vor allem China. Die Unsicherheit über die tatsächliche Lage der dortigen Wirtschaft trage zur allgemeinen Unsicherheit bei.
Auch Adecco (-2,8%) und Sika (-2,6%) gaben deutlich ab. Mit den aufgeflogenen Manipulationen bei Abgastests von Volkswagen geraten zusehends auch die Aktien von Zulieferern der Automobilindustrie unter Druck. Mit dem sich nach und nach ausweitenden Ausmass des Skandals gilt das auch für an der Schweizer Börse kotierte Unternehmen. Adecco und Sika erwirtschaften einen nicht zu vernachlässigenden Teil der Umsätze mit Kunden aus der Automobilindustrie.
Aus der zweiten Reihe fielen in diesem Zusammenhang vor allem die Aktien der Winterthurer Autoneum (-6,6%) auf. Das Unternehmen stellt Schall- und Hitzeschutzsysteme her, die vor allem bei Modellen der Mittel- und Oberklasse zum Einsatz kommen. Auch SFS Group (-3,7%) und Georg Fischer (-3,3%) standen unter Druck. Die Papiere des Zulieferers Micronas (+1,3%) konnten sich dagegen besser halten: Die wichtigsten Kunden des Halbleiterherstellers finden sich vor allem in Japan. Ausserdem konnte Micronas am Donnerstag einen neuen globalen Distributionspartner vermelden.
Die vergleichsweise geringsten Verluste unter den Blue Chips verbuchten indes Swisscom (-0,9%), konnten die teils leichten Gewinne aber nicht halten. Die Aktie des Telekomkonzerns profitierte von Rating-Erhöhungen: LBBW erhöhte auf «Kaufen» von zuvor «Halten» und Berenberg auf «Hold» nach «Sell». Nach den jüngsten Kursverlusten gebe es nun ausreichendes Potenzial, um eine Kaufempfehlung zu rechtfertigen, lautete die Begründung bei LBBW. (awp/mc/upd/ps)