CH-Schluss : SMI beendet Steigflug
Zürich – Der seit Anfang Woche anhaltende Höhenflug am Schweizer Aktienmarkt ist am Donnerstag zu Ende gegangen. Die Spannungen zwischen China und den USA sowie erneut aufgeflammte Sorgen vor einer zweiten Infektionswelle mit dem Coronavirus sorgten für Risikoscheu unter den Investoren in ganz Europa. «Die Angst vor einer zweiten Coronavirus-Ausbreitungswelle bleibt in den Köpfen der Anleger und vermiest ihnen die Kauflaune der vergangenen Wochen», kommentierte ein Analyst.
Insgesamt blieb das Geschehen ruhig. Vor dem Eurex-Verfall vom (morgigen) Freitag laufe nicht viel, sagte ein Händler. «Der Markt sucht seine Richtung. Dem SMI geht die Luft aus, nachdem er über 10’200 Punkte gelaufen ist.» Wenige Impulse kamen derweil von den Zentralbanken. Die Schweizerische Nationalbank (SNB), führt ihre expansive Geldpolitik unverändert fort, während die britische Notenbank die Geldschleusen wie erwartet weiter öffnete. Frische US-Konjunkturdaten, die ein aufgehellteres Bild zeigten, hatten ebenfalls kaum Einfluss auf die Börsen.
Der SMI schloss um 0,15 Prozent im Minus bei 10’186,50 Punkten. Der Leitindex nahm untertags mehrere Anläufe auf die Pluszone, scheiterte aber am Ende. Der SLI, in dem Gewichtung der drei Schwergewichte gekappt ist, sank um 0,05 Prozent auf 1’516,23 Zähler und der breite SPI um 0,19 Prozent auf 12’600,57 Zähler. Bei den 30 SLI-Werten standen 15 Verlierer ebenso vielen Gewinnern gegenüber.
Damit hielt sich die Schweizer Börse vergleichsweise gut. Die anderen grossen Börsen Europas wiesen Verluste von über einem halben Prozent aus. Im Vergleich zu letzten Wochen seien das allerdings vernachlässigbare Veränderungen, sagte ein Händler.
An der Spitze der Verlierer standen AMS (-5,5%). Der Titel des Sensorenherstellers bekam zu spüren, dass der deutsche Lichtkonzerns Osram, den AMS übernehmen will, am Vorabend eine Gewinnwarnung publiziert hatte. Zudem hatte AMS Spekulationen über einen möglichen Verkauf der Automotive-Sparte von Osram zurückgewiesen.
Zu Gewinnmitnahmen kam es ausserdem bei den eher defensiv aufgestellten Unternehmen. So verloren Sonova 1,2 Prozent und Lonza 0,7 Prozent. Die Aktie des Pharmazulieferers ist der am stärksten gestiegene Bluechip an der Schweizer Börse im laufenden Jahr. Logitech sanken 1,2 Prozent.
Klotz am Bein des SMI waren die Schwergewichte Nestlé (-1,0%) und Roche (-0,6%). Beide hatten allerdings am Vortag markant zugelegt. Roche wartete mit gemischten Nachrichten auf. Einerseits erzielten die Basler einen weiteren Forschungserfolg mit seinem Immuntherapeutikum Tecentriq. Andererseits ist das Roche-Mittel Actemra gegen die Coronavirus-Krankheit gemäss einer italienischen Studie kaum wirksam. Dagegen erwies sich das dritte Schwergewicht Novartis (+0,7%) als Stütze des SMI.
Die Finanzfirmen zeigten sich uneinheitlich. Die Versicherer Swiss Life (-0,7%) und Zurich (-0,4%) gaben nach. Dagegen konnte Swiss Re (+0,1%) zulegen. Die Grossbanken CS (-0,2%) und UBS (-0,1%) profitierten nicht davon, dass ihnen die SNB am Morgen im Stabilitätsbericht zum Finanzmarkt gute Noten erteilt hatte. Die Grossbanken seien im aktuellen Umfeld gut aufgestellt, was insbesondere auch auf den Aufbau von Kapitalpuffern in den letzten Jahren im Rahmen der «Too big to fail»-Regulierung zurückzuführen sei, urteilte die SNB. Der Konjunkturabschwung und die Corona-Pandemie seien aber Herausforderungen. «Unter dem Strich eigentlich neutral», sagte ein Händler.
Am besten schlugen sich die Aktien von Kühne+Nagel (+4,7% auf 152,85 Franken). Bernstein hatte das Rating auf «Outperform» von «Marketperform» und das Kursziel auf 170 von 150 Franken erhöht.
Die Aktien der Uhrenhersteller Swatch (+1,2%) und Richemont (+0,6%) schlossen in der Gewinnzone, nachdem sie im Tagesverlauf geschwankt und zeitweise im Minus gelegen hatten. Die Uhrenexporte brachen im Mai weniger stark ein als befürchtet. Zudem fand bei den Investoren Anklang, dass Swatch mehrere altgediente Chefs von Uhrenmarken auswechselt, sie machen Platz für Jüngere.
Am breiten Markt setzten sich Orior an die Spitze der Gewinner (+8,6%). Der Lebensmittelhersteller hatte vorbörslich mitgeteilt, dass er die Coronakrise bisher gut gemeistert habe. Ein starkes Wachstum im Detailhandel habe die teilweise grossen Umsatzverluste im Bereich Food Service, der etwa die Gastronomie beliefert, zu grossen Teilen kompensiert. (awp/mc/ps)